Konfrontationskurs mit China: G7 fordern neue WHO-Untersuchung zum Ursprung des Corona-Virus
Die G7 präsentiert sich wie neugeboren, nachdem sie in der Ära Trump kurz vor der Spaltung stand. Was die Beschlüsse wert sind, wird sich noch zeigen.
Die großen Industrienationen (G7) wollen bei der Suche nach dem Ursprung des Coronavirus nicht locker lassen. In der Abschlusserklärung des G7-Gipfels im englischen Carbis Bay wurde am Sonntag eine „zeitnahe, transparente, von Experten geführte und wissenschaftlich basierte Studie“ gefordert. Die Ermittlungen sollen von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als zweite Phase der ersten Ermittlungen im Januar und Februar in China organisiert werden.
Die Studie soll wie von den beteiligten Experten empfohlen auch in China stattfinden, heißt es im Text. Diese Formulierung scheint zumindest die Möglichkeit einzuschließen, wie von China gefordert, zusätzlich auch noch anderswo zu ermitteln. Mit dieser Forderung will Peking seine These untermauern, dass das Virus nicht unbedingt aus China stammt, sondern auch aus dem Ausland gekommen sein könnte. Dahinter steckt die Sorge, für die Pandemie angeprangert zu werden.
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Die ersten Infektionen mit dem Virus waren im Dezember 2019 in Wuhan entdeckt worden. In der zentralchinesischen Metropole hatte ein gemeinsames Team von WHO-Experten und chinesischen Forschern am Anfang des Jahres ermittelt. Doch gab es Vorwürfe, dass die chinesische Seite nicht transparent und unzureichend kooperiert habe. Das Thema sorgt für Verstimmung mit Peking, das auch verärgert auf den jüngst wieder von den USA ins Spiel gebrachten Verdacht reagiert, dass das Virus aus einem Labor in Wuhan entwichen sein könnte.
Die G7-Staaten bekennen sich gemeinsam zu ehrgeizigen Klimazielen und streben einen härteren Kurs gegenüber China an
In der Abschlusserklärung ihres Gipfels im südenglischen Cornwall wollen sich die führenden westlichen Industrienationen nach einem Entwurf ungewöhnlich deutlich gegen unfaire Handelspraktiken, Menschenrechtsverstöße und das harte Vorgehen der chinesischen Führung in Hongkong wenden. Beim Klimaschutz wollen sie sich nach Angaben der britischen Gastgeber erstmals geschlossen hinter das Ziel der Klimaneutralität ab 2050 stellen.
Das Versprechen, ärmere Länder mit Milliarden Impfdosen im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu unterstützen, sorgt unterdessen weiter für Kritik und Verwirrung. Merkel bekräftigte, dass es um 2,3 Milliarden Dosen bis Ende nächsten Jahres gehe. Den deutschen Beitrag bezifferte sie auf 350 Millionen Dosen, die sich aus bestehenden Finanzzusagen und einer bereits angekündigten Impfstoff-Spende zusammensetzen. Neue Zusagen machte Merkel nicht.
Entwicklungsorganisationen kritisierten das Impfversprechen der G7 als unzureichend. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt den Bedarf in ärmeren Ländern auf elf Milliarden Dosen.
Gipfel Neustart nach der Ära Trump
Zu den G7-Staaten gehören neben Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich, Italien, Japan und Kanada. Für die Staatengruppe markiert der Gipfel in Cornwall einen Neustart nach der Ära von US-Präsident Donald Trump, in der dessen Abschottungspolitik die Gruppe an den Rand der Spaltung brachte. Nun wollen die USA und die anderen großen westlichen Demokratien wieder an einem Strang ziehen. US-Präsident Biden will die Staatengruppe vor allem durch eine harte Abgrenzung zu autoritären Staaten wie Russland und China zusammenschweißen.
Merkel will einen Konfrontationskurs dagegen vermeiden. Im Entwurf für die Abschlusserklärung wird dieser Haltung entsprochen, indem auch gemeinsame Interessen an einer Kooperation mit China bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erhalt der Biodiversität hervorgehoben wird. Es ist allerdings das erste Mal, dass die Kritik an China in einem Abschlusskommuniqué der G7 so deutlich formuliert wird.
So wollen sich die G7-Staaten im Umgang mit der zweitgrößten Volkswirtschaft „über ein kollektives Vorgehen absprechen, um marktwidrige Politik und Praktiken anzufechten, die den fairen und transparenten Ablauf der Weltwirtschaft untergraben“, heißt es in dem Entwurf, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Über die China-Passage gibt es nach dpa-Informationen bereits eine abschließende Einigung. Die gesamte Erklärung soll am Nachmittag verabschiedet werden.
Förderung der gemeinsamen Werte
Auch wollen die G7-Staaten „unsere gemeinsamen Werte fördern“. Dazu gehöre, dass China aufgefordert werde, Menschenrechte und fundamentale Freiheiten zu achten, „besonders hinsichtlich Xinjiang und jenen Rechten, Freiheiten und dem hohen Maß an Autonomie, das für Hongkong in den gemeinsamen Erklärung zwischen China und Großbritannien und dem Grundgesetz festgeschrieben ist“.
Damit bezieht sich die G7 auf die Vereinbarungen für die Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie 1997 an China, die der heutigen chinesischen Sonderverwaltungsregion eigentlich Autonomie und Freiheiten nach dem Motto „ein Land, zwei Systeme“ garantieren. Nach anhaltenden Demonstrationen für mehr Demokratie in Hongkong hat Peking vor einem Jahr aber die Zügel enger gezogen und geht heute mit einem neuen Sicherheitsgesetz scharf gegen Oppositionskräfte vor.
Der Hinweis auf Xinjiang in dem G7-Papier bezieht sich auf den Vorwurf der Verfolgung der Minderheiten in der Nordwestregion, insbesondere der Uiguren. Menschenrechtsgruppen schätzen, dass Hunderttausende Uiguren, Kasachen, Hui oder Mitglieder anderer Minoritäten in Umerziehungslager gesteckt worden sind. China weist die Vorwürfe zurück und spricht von Fortbildungszentren.
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Mit ihren Beratungen zum Klimaschutz bereiteten sich die Staats- und Regierungschefs auf die UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow im November vor. Sie stellten neue Anstrengungen in Aussicht, konnten sich aber nicht auf ein spezifisches Datum zum Ausstieg aus der Kohle einigen, wie Kanzlerin Merkel sagte. Das habe nicht an Deutschland gelegen, „andere haben da noch die Pläne nicht so weit verifiziert“. Die Beschlüsse nannte sie trotzdem ein „starkes Bekenntnis“.
Die G7-Staaten bekräftigten die Ziele im Pariser Klimaschutzabkommen, den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um etwa die Hälfte gegenüber 2010 zu verringern. Alle G7-Staaten bekannten sich auch erstmals dazu, die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen. Das bedeutet, dass kein Kohlendioxid ausgestoßen wird oder CO2-Emissionen vollständig kompensiert werden.
Investitionen in Kohlekraft sollen enden
Neue direkte Subventionen für fossile Energie sollen zudem auslaufen - damit wiederholten sie früher gemachte Zusagen. Hier sollen aber begrenzte Ausnahmen erlaubt werden. Auch Investitionen in Kohlekraftwerke sollen enden. Die G7-Staaten bekräftigten ferner ihre alte Zusage, für arme Ländern 100 Milliarden US-Dollar jährlich zu mobilisieren. Damit sollen ärmere Staaten ihren Klimaschutz ausbauen und sich widerstandsfähiger gegen Auswirkungen wie Wetterextreme machen. Die Klimahilfen erreichen laut Oxfam bisher nur 39 Milliarden US-Dollar.
Das Pariser Klimaabkommen will die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen. Doch schon jetzt hat sich die Erde um rund 1,2 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit erhitzt. Die fatalen Folgen: Je nach Region gibt es mehr Hitzewellen und Dürren sowie starken Regen, Stürme, Unwetter und Überschwemmungen. (dpa)