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Strebt an die CDU-Spitze: Friedrich Merz
© Reuters/Hannibal Hanschke

Merkel-Nachfolge in der CDU: Was ist heute konservativ?

Man muss nicht alles ändern, nur um zu ändern. Mitunter muss man ändern, um Bewährtes zu bewahren. Darum geht es auch an der CDU-Spitze.

Gibt es das heute noch, so ganz unverfälscht, das Konservative? Und wo, wenn es das gäbe, fände es sich? In viel mehr Lebensnahem, Praktischem, als man denkt. Gottlob – womit im Übrigen ein Teil des Konservativen besonders für die CDU beschrieben ist: im christlichen Moment. Aber dazu kommen wir noch.

Das Konservative wird gerne verwechselt mit „rechts“. Das klingt nach Radikalität, und es gibt ja Vertreter dieser Richtung im Bundestag. Wer will da schon rechts sein? Wo es auch zum Schimpfwort geworden ist. Aber es ist mehr als ein politisch-rhetorischer Angriff, sondern recht verstanden die Aufforderung, sich des Ursprungs und der Zukunft dessen zu vergewissern, was man konservativ nennen kann. Die CDU nach Angela Merkel und vor Friedrich Merz und Jens Spahn, aber auch Annegret Kramp-Karrenbauer steht dieser Tage vor genau dieser Aufgabe.

Als Konservativer darf man sagen: Progressivität muss ihre Grenzen haben. Wo kommen wir denn sonst hin? Zu weit auf unsicheres Terrain. Wer so denkt, ist nun nicht gleich unbeweglich. Vielmehr hat es mit der rechten Vorstellung vom richtigen Maß zu tun. Der Mut zu Veränderung unterliegt eben auch einem Maß.

Der Konservative will das Erreichte sichern

Drei Konservative – Wolfgang Schäuble, CDU, Erhard Eppler, SPD, und Winfried Kretschmann, Grüne – haben, mit je eigener Akzentuierung den Wertkonservativismus geprägt. Werte hochzuhalten, ist eine Geisteshaltung: Man muss nicht alles ändern um des Änderns willen, wohl aber muss man mitunter ändern, um das Bewährte zu bewahren. Weil, was logisch ist, über die Zeit nicht alles bleibt, wie es ist. Nicht einmal wir. Nicht einmal, sagen wir, Friedrich Merz, der älteste der Kandidaten für den Vorsitz.

Der Konservative ist also darauf bedacht, das Erreichte zu sichern und es nicht dem Zeitgeist anheimfallen zu lassen. Geist ist schon erwünscht. Ein anderer, der konservativ genannt wurde, Franz Josef Strauß, meinte einmal, der Konservative marschiere an der Spitze des Fortschritts, um den, sein Tempo und seine Richtung zu beeinflussen. Das ist doch geistvoll, oder?

Der Konservative braucht in jedem Fall, für jeden Fall, einen Kompass auf seinem Weg. Dazu gehört der den Horizont öffnende Wunsch, die Gesellschaft in ihrem Kern, dem solidarischen, zu bewahren, wie es das lateinische Wort vorgibt, „conservare“. Denen, die so denken, geht es nicht – oder nie in erster Linie – um Strukturkonservatives oder um sogenannte Sekundärtugenden, um Fleiß, Strebsamkeit, Pünktlichkeit, Verlässlichkeit. Die sind im Verhalten willkommen, aber keine Tugenden. Wahrhaftigkeit dagegen zählt zu ihnen, und der Konservative ist gehalten, sich daran stetig zu erinnern. Wahrhaftig sind die, die sagen, was ist. Sie müssen nur nicht alles sagen. Sage keiner, danach könne heute keiner leben. Oder handeln, auch politisch. Die drei Großen, die sich um Merkels Nachfolge bemühen, können daran gemessen werden, Kramp-Karrenbauer, Merz, Spahn.

Richtig konservativ ist übrigens auch, der Pflicht zu folgen, die so ähnlich schon Immanuel Kant formulierte: dass der einzelne Mensch die Würde der Menschheit in seiner eigenen Person bewahre. Zu kompliziert? Nein, handle so, dass die Menschenrechte und Menschenwürde bewahrt werden. Ganz praktisch gehört dazu auch die, beispielsweise, dem Menschen dienende Funktion der Wirtschaft.

Kein Bewahren um jeden Preis

Womit wir beim christlichen Moment wären. Die CDU heißt nicht ohne Grund Christlich-Demokratische Union. Ihre Tradition, das zur Erinnerung, ist eine Mischung: aus dem Wertkonservativismus des Katholizismus mitsamt seiner Soziallehre und Strömungen des politischen Protestantismus mit seiner Ethik. Daraus entsteht dann logischerweise keine unmäßige, kühle Programmatik oder unmenschliche, ideologische Ordnung, keine Herrschaft ohne Recht. Das verhindert die Verbindung mit dem, was uns beständig sagt: Es gibt etwas, das größer ist als wir. Macht verführt doch nur zum Denken, man sei groß. Was wiederum die politischen Vertreter demütiger machen kann, als sie es ohne diese ideengeschichtliche Herkunft wären.

Nicht Bewahren um jeden Preis darf darum das Ziel des Konservativen sein, nein, er und sie muss bewahrenswerte Zustände (und Institutionen) erst einmal zustande bringen. Oder sie, wo nötig, erneuern. Wie schrieb ein kluger konservativer Geist der Neuzeit: „Konservative Gesinnung ist etwas Höheres und Tieferes als der kleinmütige Wunsch, das, was man hat, möglichst langsam zu verlieren.“

So, und das ist, woran keiner der Kandidaten für den CDU-Vorsitz vorbeikommt. Nur der Wunsch, nicht als Vertreter dessen zu gelten, was zuletzt als Dominanz der Beliebigkeit wahrgenommen wurde, reicht nicht. Auch nicht die Rückkehr zu etwas, das längst überholt ist, zu den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts oder zum vorvorigen Jahrhundert unter Bismarck vielleicht. Es geht um diese Prüfung: Wie prinzipienfest ist die zukünftige Politik? Der Grad der Konservativität wird in dieser Hinsicht bestimmt erkennbar werden.

In der Physik heißt konservativ: vom Anfangs- und Endpunkt abhängend, nicht vom Weg. Für die Konservativen der CDU führt das in die Irre. Da muss über den Weg diskutiert werden, über Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbilds und Positionen auf der Grundlage einer konservativen Haltung. Wem es nur um Sicherung der Macht geht, verliert sie. Mit der Zeit. Wie Angela Merkel.

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