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Der CSU-Chef Markus Söder.
© dpa/ Matthias Balk

„Entweder Kanzleramt oder Opposition“: Was hinter Markus Söders dramatischer Aussage steckt

Der CSU-Vorsitzende im Klartextmodus: Als Juniorpartnerin geht die Union nach der Wahl nicht in eine Koalition. Was bezweckt er damit? Eine Analyse.

Manchmal klingen Selbstverständlichkeiten wie erstaunliche Neuigkeiten. Erst recht, wenn sie ein versierter Klartextpraktiker wie Markus Söder vorträgt. „Wenn die Union nicht mehr den Kanzler stellt, dann ist sie faktisch abgewählt. Und eine abgewählte Partei muss einen anderen Weg der Erneuerung antreten – in der Opposition.“ Es ist schon ein dramatisch klingender Satz, den der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef im Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe in die Welt gesetzt hat.

Ist das nun der nächste Tritt ans Schienbein von Armin Laschet? Oder formuliert Söder mal wieder den Anspruch, er sei der eigentliche Taktgeber der Union in diesem Bundestagswahlkampf? Der also Laschet einen Ausweg verstellt – eine Koalition mit der Union als vielleicht auch nur knapp kleinere Partnerin? Es könnte ja so kommen, wer weiß: Keine andere Koalition möglich als Grün-Schwarz, mit Laschet nur als Vizekanzler. 

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2005 hatte Gerhard Schröder das unschöne Erlebnis, am Wahlabend knapp geschlagen worden zu sein – von Angela Merkel. Die Sozialdemokraten fügten sich, weil es anders nicht ging, als gar nicht so kleine Juniorpartnerin in die ungeliebte „Groko“. Es wurde auch mit  Franz Münteferings berühmtem Diktum aus dem Jahr 2004 gerechtfertigt: „Opposition ist Mist. Lasst das die anderen machen, wir wollen regieren.“

Gedämpftes Selbstbewusstsein

Das Regierungs-Gen hat die Union seit jeher noch mehr bestimmt als die SPD. Natürlich ist die Rolle der Juniorpartnerin der CDU nicht mehr fremd, derzeit in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Aber die Erfahrung im Südwesten, bei der Wahl im März in der einstigen Hochburg ausgerechnet von den Grünen ein zweites Mal in eine demütigende Vizeposition verdrängt worden zu sein, hat das Selbstbewusstsein der Christdemokraten gedämpft.

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Söders Klartext dient also zunächst dem Aufrütteln: Die Union ist Kanzlerpartei, sie ist es immer gewesen – wenn das nicht geht, machen wir nicht mit. Und wenn es zu Neuwahlen führen wird, könnte man Söders Äußerung fortspinnen, ein Kalkül, das hier durchaus mitschwingen könnte. Mit dem Gespenst der unsicheren Verhältnisse hat die Union schon immer Wahlkampf gemacht, seit Konrad Adenauer 1957 den Spruch „Keine Experimente“ plakatieren ließ.

Auftakt zum Koalitionswahlkampf

Was der CSU-Chef mit dem apodiktischen „Kanzler oder gar nichts“ betont, ist  aber nicht nur der eigentlich selbstverständliche Anspruch der Union, eine Regierung führen zu wollen. Es ist der Auftakt zu einem nicht ganz unkomplizierten Koalitionswahlkampf. 

Armin Laschet und Markus Söder, hier bei einem Auftritt im April 2019.
Armin Laschet und Markus Söder, hier bei einem Auftritt im April 2019.
© imago images/Sven Simon

Der begann am Freitagabend, als Laschet sich zuschalten ließ in eine Programmkonferenz der CSU. Da kündigten die beiden Unions-Bosse ein „Modernisierungsjahrzehnt“ für Deutschland an. Die Mehrheit der Wähler werde sich genau überlegen, wem man zutraue, ein solches Projekt zu gestalten. „Rot-Rot-Grün ist es nicht“, sagte der CDU-Vorsitzende.

Immer wieder gut: Warnung vor Linksrutsch

Selten gab es einen Unions-Wahlkampf ohne die dringliche Warnung vor linken Mehrheiten.  Also wird der Oldtimer auch jetzt wieder aus der Garage geholt. Aber ist die Linkskoalition noch ein Schreckgespenst? 

Zumal dann, wenn man im Grunde schon darauf eingestellt ist, mit einem Teil  einer solchen Koalition selber zu regieren – eben mit den Grünen? Vor denen hat man mittlerweile ja auch einen gewissen Respekt. Und dass das „Modernisierungsjahrzehnt“ auch ein klimapolitisches sein wird, machten Laschet und Söder schon deutlich. Mit den Grünen, kein Problem, so die Aussage. Aber unter den Grünen – niemals. Ihr habt die Wahl, lautet die Ansage an die Mitte-Wähler, die das letztlich in der Hand haben.

Aber die Gefahr ist die Ampel

Das eigentliche Schreckensszenario, das die Unions-Oberen umtreibt, ist allerdings nicht die unwahrscheinliche Linkskoalition, sondern die „Ampel“. Man wolle kein Bündnis von Grünen, SPD und FDP, sagte Söder bei der Programmkonferenz. Das hat nach den Umfragen Aussicht auf Erfolg und kann nur verhindert werden, wenn die Union deutlich stärker abschneidet als derzeit in den Umfragen. 

Denn nach dem jüngsten ZDF-Politbarometer ist neben Grün-Schwarz/Schwarz-Grün eben auch diese andere Option drin: Grün-Rot zusammen mit der FDP. Und dagegen muss nun der Koalitionswahlkampf geführt werden.

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Was derzeit zur Unsicherheit in der Chefetage der Union führt, sind Umfragen, die eine Art Wechselstimmung andeuten – zwei Drittel der Deutschen, ergab gerade eine Allensbach-Erhebung, wollen eine neue Regierung. Und da hat die „Ampel“, zumal mit einer sehr schwachen SPD, natürlich den größeren Neuigkeitswert als eine wieder von der Union geführte Regierung. Also  fragen Laschet und Söder: Wollt ihr das wirklich? Annalena Baerbock im Kanzleramt, Christian Lindner und Olaf Scholz als Vizekanzler?

Mit jedem Punkt, den die Union gewinnt, ohne dass die Grünen zu sehr verlieren, schwindet zudem die Möglichkeit, dass am Ende wieder ein schwarz-grün-gelbes Bündnis sondiert werden muss. Eine Koalition mit der FDP dürfte angesichts des Scheiterns von „Jamaika“ nach der Wahl 2017 wohl weder bei der Union noch bei den Grünen das Wunscherlebnis sein.

Hausgemachte Sorgen

Die Dramatik von Söders Aussage ist aber nicht nur koalitionspolitisch kalkuliert. Sie ist auch das Ergebnis von Angst, und zwar einer  hausgemachten, sozusagen. Denn die CSU steht aktuell alles andere als blendend da. Der mächtige Beitrag aus Bayern,  wesentlicher Faktor für einen Unions-Sieg am 26. September, ist so sicher noch nicht. 

In zwei Umfragen in der vergangenen Woche, für die Sender RTL und Sat1, landete die CSU bei nur noch 32 Prozent, wäre am Sonntag Bundestagswahl. Schlechter als je in den vergangenen Jahrzehnten. Das kann Söder nicht Laschet anhängen. Auch der CSU-Chef muss kämpfen.

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