NSU-Prozess: Was die Manöver von Beate Zschäpe bewirken
Der Streit zwischen Beate Zschäpe und ihren drei Verteidigern hat den NSU-Prozess gefährdet. Wie geht es nun weiter?
Es war die härteste Krise im NSU-Prozess, nun ist sie offenbar einigermaßen ausgestanden. Rechtzeitig vor der Sommerpause, die das Oberlandesgericht München am Mittwoch beginnt und die vier Wochen dauert. Und es ist zu erkennen, dass es im erbitterten Streit zwischen Beate Zschäpe und drei ihrer vier Verteidiger nur einen Gewinner gibt. Von den Konfliktparteien ist es niemand. Mit einer entschlossenen, aber auch flexiblen Strategie hat der Vorsitzende Richter Manfred Götzl seinen Kurs durchgesetzt. Der Prozess geht weiter, Götzl setzt die Beweisaufnahme fort, für diesen Montag und Dienstag sind, wie üblich, Zeugen geladen.
Zschäpes Störmanöver haben die Verhandlung um etwa zwei Wochen verzögert, doch ein vorzeitiges Ende des Jahrhundertverfahrens, zumindest im Fall der Hauptangeklagten, ist nach zwei Monaten Krise nicht mehr in Sicht. Götzl hat sich erneut als Dominator profiliert, der sich „seinen“ Prozess nicht kaputtmachen lässt. Der Richter hat Zschäpe Zugeständnisse gemacht, ohne wirklich nachzugeben. Die von Zschäpe bekämpften Pflichtverteidiger Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm mussten Niederlagen hinnehmen, doch die drei sind weniger geschwächt, als es scheint. Der Ablauf der Krise zeigt allerdings auch, dass es eines Vorsitzenden Richters mit viel Nervenstärke und Erfahrung bedarf, um den Prozess in der Spur zu halten. Anfang Juni heizte Zschäpe den bereits schwelenden Dissens mit Heer, Stahl und Sturm kräftig an.
In einem handschriftlich verfassten Schreiben verlangte sie, Anja Sturm von der Pflichtverteidigung zu „entbinden“. Zschäpe warf der Anwältin vor, sie komme unvorbereitet in die Hauptverhandlung und habe vertrauliche „Fakten“ erörtert. Belege blieb die Angeklagte schuldig. Dennoch verschärfte Zschäpe Mitte Juni den Ton. In einem weiteren Schriftsatz attackierte sie alle drei Verteidiger – und warf Götzl einen Köder hin. Da sie sich „durchaus mit dem Gedanken beschäftige, auszusagen“, sei eine weitere Zusammenarbeit mit Heer, Stahl und Sturm unmöglich, schrieb Zschäpe. Der Richter und mit ihm wohl fast alle Prozessbeteiligten warten seit Jahren darauf, dass Zschäpe endlich redet und die vielen Mysterien im NSU- Komplex klärt.
Neue Sitzordnung
Götzl müsse also, suggerierte Zschäpe, nur Heer, Stahl und Sturm entlassen, um den Prozess einen großen Schritt voran zu bringen. Der Richter lehnte Zschäpes Antrag ungerührt ab. Wegen mangelnder Substanz. Götzl ordnete ihr jedoch Anfang Juli einen vierten Pflichtverteidiger zu, den Münchner Anwalt Mathias Grasel. Zschäpe glaubte, doch einen Erfolg errungen zu haben und setzte zu weiteren Schlägen gegen Heer, Stahl und Sturm an. Die Angeklagte verlangte eine Änderung der Sitzordnung am Anklagetisch, Götzl ließ sie gewähren. Heer musste seinen Platz links außen, optisch eine Art Chefposition der Verteidiger, räumen.
Dort sitzt nun Grasel. Zschäpe legte nach. Sie erstattete Strafanzeige gegen Heer, Stahl und Sturm, wegen angeblicher Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. Außerdem bekam Götzl ein weiteres Schreiben, in dem Zschäpe die Abberufung der drei Anwälte forderte. Doch die Angeklagte hatte sich überschätzt. Die Staatsanwaltschaft München sah keine Straftat. Und Götzl wies am Freitag den Antrag auf Rauswurf der drei zurück. Zuvor hatte er im Juli auch die Verzweiflungstat von Heer, Stahl und Sturm gestoppt. Die Anwälte hatten selbst ihre Entpflichtung beantragt, doch mit Hinweis auf ihre Verschwiegenheitspflicht keine Details aus Gesprächen mit Zschäpe genannt. Götzl winkte rasch ab. Nach dem Antrag wurde in Medien spekuliert, Heer, Stahl und Sturm seien publicitysüchtig. Die Realität sieht anders aus.
Die Verteidiger sind, wie es Anja Sturm schon vor Monaten formulierte, „pressemüde“. Außerdem ist keine Strategie zu erkennen, mit der eine spezielle Außenwirkung erreicht werden soll. Zumal die drei Anwälte wissen, dass Götzl für öffentlichen Druck nicht empfänglich ist. Im Prozess zeichnet sich sogar ab, dass die Position von Heer, Stahl und Sturm gar nicht so schlecht ist. Die drei stellen weit mehr Fragen als Zschäpes neuer Favorit Mathias Grasel. Der junge Anwalt hat nur wenig Ahnung vom Prozessstoff und sagt wenig, obwohl Zschäpe häufig auf ihn einredet. Grasel war für Zschäpe nützlich als Ratgeber für ihre aggressiven Schriftsätze. Das hat wenig gebracht, auch für eine Revision nach einem Urteil geben die Schreiben nicht viel her. Nach der Sommerpause wird sich zeigen, ob Zschäpe weiter auf Grasel setzt, vielleicht sogar mit seiner Hilfe aussagt. Oder ob die Frau auch das Interesse an diesem Anwalt verliert. Götzl wird es beobachten. Und den Prozess durchziehen bis zum Urteilsspruch.