Pariser Klimagipfel 2.0: Was der Kohleausstieg für die Wirtschaft bedeutet
Zwei Jahre nach dem Klimaabkommen von Paris werden dort auf Einladung von Emmanuel Macron die finanzpolitischen Folgen und wirtschaftlichen Interessen besprochen.
Der französische Staatschef Emmanuel Macron hat für Dienstag über 100 Regierungschefs und Minister zu einem Klimagipfel nach Paris geladen. Für Deutschland nimmt Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) teil. Das Datum ist bewusst gewählt: Vor zwei Jahren wurde das Pariser Abkommen aufgesetzt. Diesem sind nun alle Staaten bis auf die USA gefolgt. Zuletzt kündigte Syrien seinen Beitritt an.
In Paris soll es vor allem darum gehen, wie Klimarisiken am Finanzmarkt besser aufgespürt können. In der Pflicht sind neben den Staaten die Investoren, Banken und börsennotierten Unternehmen. „Klimaschutz muss auf die Finanzmärkte übertragen werden. Wer die Geldströme lenkt, kann echten Druck erzeugen“, benennt Anthony Hobley im Gespräch mit dem Tagesspiegel die Relevanz des Themas. Hobley ist Geschäftsführer von Carbon Tracker mit Sitz in London. Die Organisation wurde 2015 berühmt mit der Analyse, dass bis zu zwei Drittel der weltweit bekannten Reserven und Ressourcen von Öl, Kohle und Gas nicht verbrannt werden können, wenn gefährliche Ausmaße des Klimawandels vermieden werden sollen.
„Das heißt, dass die fossile Industrie Billionenwerte abschreiben muss. Das gefährdet die Weltwirtschaft im Ganzen“, sagt Hobley. Die US-Bank Citigroup kalkulierte 2015, dass sich der Wert der klimaschädlichen Geldanlagen auf etwa 100 Billionen US-Dollar beziffere. Diese gigantische Summe umzuschichten, ist auch eine politische Herausforderung. Die G-20-Staaten haben bereits reagiert und mit einer eigenen Arbeitsgruppe Empfehlungen erarbeitet, wie Klimarisiken im Finanzsektor besser dokumentiert werden können.
Immer noch wird massiv in fossile Energien investiert
Unternehmen der fossilen Branche sind heute schon finanziell angeschlagen, wie etwa ein Blick auf den amerikanischen Ölkonzern ExxonMobil zeigt. „Bis zur Hälfte der geplanten Investitionen des Konzerns im Jahr 2025 sind Projekte, die sich nicht auszahlen werden, wenn Gesetze im Klimaschutz greifen und saubere Technologien sich durchsetzen“, sagt Hobley. Risiken gibt es auch in Europa: Mehr als die Hälfte aller Kohlekraftwerke in der Europäischen Union schreiben Verluste, bis 2030 werden es fast alle sein, so eine Studie von Carbon Tracker, die gerade veröffentlicht wurde. Auch für Deutschland enthält die Studie spannende Ergebnisse: Wenn die deutschen Energieversorger sich bis 2030 von ihren Kohlekraftwerken trennen, können sie Verluste in Höhe von insgesamt zwölf Milliarden Euro vermeiden.
Die Wirtschaft ist dem Kohleaussieg durchaus zugeneigt
Obwohl die Bundesrepublik mit knapp 50 Gigawatt Leistung den größten Kohlesektor in der EU hat, verweigern sich die fossilen Konzerne einem Ausstieg denn auch nicht. Zwar hält sich der Energiekonzern RWE mit Kommentierungen bedeckt. Zwei andere, Eon und EnBW, hingegen streiten mit großem Einsatz für die Einführung eines hohen nationalen CO2-Preis. Sie nennen eine Höhe von etwa 25 bis 30 Euro pro Tonne. Auch in der Privatwirtschaft tut sich immer mehr. Und an diesem Montag veröffentlichen mehr als 50 internationale Unternehmen aus verschiedenen Branchen eine Erklärung, in der sie von den wirtschaftsstarken G-20-Ländern ambitionierten Klimaschutz erwarten. Sie fordern, dass die Staaten bis 2020 eine langfristige Strategie entwickeln, wie sie ihre Volkswirtschaften klimaneutral aufstellen wollen. Die Unternehmen fordern außerdem den Abbau von Subventionen fossiler Energieträger und die Einführung eines CO2-Preises. Zu den Unterzeichnern der Erklärung, die von der Stiftung Zwei Grad initiiert wurde, gehören Konzerne wie Adidas, Unilever, H&M und Puma sowie energieintensive Unternehmen wie ein Aluminium-Hersteller aus Russland. Auch der deutsche Versicherer Allianz ist dabei: Es sei zu begrüßen, wenn mehr Informationen zu den Klimarisiken von Unternehmen für langfristige Investitionsentscheidungen zur Verfügung stehen würden, sagt Allianz- Chef Oliver Bäte.
In Paris könnte Macron die Staatschefs auch auf den Artikel 173 des französischen Energiewendegesetzes aufmerksam machen. Dieser in seiner Art bisher einzigartige Artikel verpflichtet börsennotierte Unternehmen, Banken und institutionelle Investoren, ihre bisherigen Informationspflichten um konkrete Aussagen zu Klimarisiken zu ergänzen. Zwar gibt es bei Nicht-Offenlegung keine Strafen, dennoch ist die Signalwirkung der Vorschrift nicht zu unterschätzen. „Der Artikel verändert die Spielregeln auf intelligente Art, weil er den Druck auf die Akteure im Finanzsystem selbst erhöht“, sagt etwa Pascal Canfin, Geschäftsführer von WWF Frankreich.