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London vor dem Nato-Gipfel.
© dpa

Nato-Gipfel in London: Was das Bündnis den Bürgern jetzt erklären muss

Kritische Fragen in der Nato führen im besten Fall zu einer heilsamen Diskussion. Und damit zu verstärkten Bemühungen, sich zusammenzuraufen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Wenn Krisen etwas Gutes haben, dann gibt es Grund genug, optimistisch auf diesen Nato-Gipfel zu schauen. Denn von Krisen wird das Bündnis zu seinem 70. Geburtstag ausreichend geplagt. Da ist der vor allem zwischen den USA und Deutschland schwelende Streit um die Militärausgaben, das rücksichtslose Verhalten des türkischen Nato-Partners in Syrien, die Generalkritik des französischen Präsidenten am Zustand der Militärallianz.

Und über allem schwebt ein unberechenbarer US-Präsident, dem nicht wenige zutrauen, dass er auch aus diesem Bündnis aussteigen könnte.

Die gute Nachricht: Donald Trump hat schon eine ganze Weile nicht mehr davon gesprochen, dass Amerika die „obsolet“ gewordene Nato ja auch verlassen könne. Ziemlich genau seit Anfang des Jahres nicht mehr. Auch wenn das nicht bedeuten muss, dass der US-Präsident von solchen Muskelspielen lässt, so können Optimisten dies doch zumindest als Atempause werten. Die Frage ist nur, wie diese Atempause genutzt wird.

Stoltenberg bemüht sich um Zusammenhalt

Mindestens zur Selbstvergewisserung, heißt es im Auswärtigen Amt. Die Nato-Staaten müssen sich und ihren Bürgern klarmachen, warum dieses im letzten Jahrhundert gegründete Bündnis auch weiterhin eine Berechtigung hat.

Generalsekretär Jens Stoltenberg, der derzeit alle Hände voll zu tun hat, die Fliehkräfte unter Kontrolle zu halten, beschreibt den Sinn der Allianz immer wieder unermüdlich und mit klar verständlichen Worten: Die Nato gebe es, um Konflikte zu vermeiden, sie sichere den Frieden. Darum muss sie gestärkt und nicht geschwächt werden.

Dass sie „hirntot“ sei, hat der französischen Präsident Emmanuel Macron der Nato zum Geburtstag attestiert und behauptet, dass Europa sich auch selbst verteidigen könne. Was er als Weckruf verstanden wissen will, alarmiert die Partner – vor allem in Osteuropa.

Die Welt ist auf die Nato angewiesen

Außer ihm glaubt kaum jemand, dass die europäische Sicherheit derzeit von der amerikanischen abzukoppeln ist. Auch nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel, die gerade erst im Bundestag betonte, dass Europa „auf dieses transatlantische Bündnis angewiesen“ sei, dass Deutschland seiner Verantwortung gerecht und mehr Geld für die gemeinsame Verteidigung ausgeben werde.

Will man also sehr optimistisch sein, kann man hoffen, dass die von Trump, Macron und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gesäten Zweifel die Selbstverteidigungsbereitschaft des Bündnisses erhöhen. Wenn sich die 29 Mitgliedsstaaten nun in London zu ihrem zweitägigen Gipfel treffen, müssen sie sich und dem Rest der Welt versichern, dass das Bündnis hält.

Deutsche Wiedervereinigung war ohne die Nato nicht möglich

Zweifel und kritische Fragen führen im besten Fall zu einer heilsamen Diskussion, zu einem Bewusstsein, was auf dem Spiel steht. Und damit zu verstärkten Bemühungen, sich zusammenzuraufen. Angesichts all der Gefahren und Herausforderungen, denen sich die liberalen westlichen Demokratien durch den internationalen Terrorismus, Russland und China, aber auch durch die Folgen des Klimawandels ausgesetzt sehen, wäre alles andere Wahnsinn.

Nicht nur die Nato feiert in diesem Jahr ein Jubiläum. Gerade die Deutschen sollten sich zum 30. Jahrestag des Mauerfalls daran erinnern, dass die Wiedervereinigung ohne die Sicherheitsgarantien der USA und der Nato nicht möglich gewesen wäre.

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