Joachim Gauck, Bodo Ramelow, Ilse Junkermann: Was Christen sagen dürfen
Bodo Ramelow, der thüringische Spitzenlinke, wirft Joachim Gauck vor, ihm das Christ-Sein abzusprechen. Eine Bischöfin stimmt Ramelow zu. Eine Posse über die Instrumentalisierung des Glaubens aus repressiver Motivation. Ein Kommentar.
Ilse Junkermann ist eine engagierte Theologin. Ihren Auftrag als mitteldeutsche Landesbischöfin versteht sie explizit politisch. Ob vor oder von einer Kanzel: Junkermann ruft zur Teilnahme an Ostermärschen auf, rät ab, die AfD zu wählen, wettert gegen den Waffenhandel, plädiert für ein Adoptionsrecht homosexueller Paare, schimpft auf Hartz IV und thematisiert regelmäßig die Themen Flucht und Vertreibung - auch, weil sie in der Asyl- und Migrantenarbeit tätig ist. Dagegen ist aus evangelischer Sicht wenig einzuwenden. Protestantische Christen wollen sich einmischen, das Sich-Einmischen ist gewissermaßen ein Teil ihrer Identität.
Um so genauer muss man hinhören, wenn solch hochpolitisierten Christen wie Ilse Junkermann anderen Christen das Sich-Einmischen verweigern wollen. Sie verstehe, sagte Junkermann jetzt, dass der thüringische Spitzenlinke Bodo Ramelow sich als Christ dadurch getroffen fühle, dass Bundespräsident Joachim Gauck seine Kritik an der Linkspartei vor einem Altar gemacht habe. „Ich hätte diesen Ort nicht gewählt.“ Zugleich gab Junkermann eine gewisse Sympathie für Dunkelrot-Rot-Grün zu erkennen. Die Kirche rufe zu Versöhnung und Vergebung auf. Das bedeute auch, Menschen eine Chance zu geben, sich zu ändern.
Gauck antwortete für seine Verhältnisse eher ausweichend
Die Vorgeschichte zu dieser höchst irritierenden Einlassung ist rasch erzählt: Gauck war von der ARD um ein Interview gebeten worden. Aus Anlass des Mauerfall-Jubiläums sollte der „Bericht aus Berlin“ von einem ganz besonderen Ort gesendet werden, der Gethsemanekirche. Der Interviewer, Ulrich Deppendorf, fragte Gauck in diesem Zusammenhang auch nach Ramelow, Thüringen, den Linken. Ein erster linker Ministerpräsident, „ist das für Sie Normalität oder schwer zu verstehen“?
Gauck antwortete für seine Verhältnisse eher ausweichend. Ohne den Namen Ramelow ein einziges Mal zu erwähnen, sagte er, dass Menschen, „die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind“, sich schon ganz schön anstrengen müssten, dies zu akzeptieren. Dann die klare Ergänzung: „Aber wir sind in einer Demokratie. Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Menschen.“ Gleichzeitig werde gefragt: „Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können?“
„Mich trifft es in der Seele. Das Kreuz bedeutet mir etwas.“
Ramelow war empört. Gauck spreche ihm das Recht ab, Christ zu sein, in dieser Inszenierung – „vor einem Altar, vor Kerzen und Kreuzen“ – sei das für ihn verletzend. „Mich trifft es in der Seele. Das Kreuz bedeutet mir etwas.“ Dabei war nichts von alledem geschehen. Um Ramelows Christentum ging es mit keinem Wort. Der Theologe Gauck hatte sich, sehr allgemein, in einer Kirche politisch geäußert, wie es Theologen und Politiker alle Naslang tun.
Wenn aber die Getroffenen der Botschaften anfangen, unter Berufung auf ihren Glauben die Botschaften selbst verbieten zu wollen, belegt das nur, wie Recht Gauck mit seiner Warnung hatte. Dass selbst eine Bischöfin die Meinungsfreiheit in einer Kirche beschränken will, zeugt wiederum von der ansteckenden Wirkung solch repressiver Tendenzen.