Ausgerechnet der Gesundheitsminister: Was bedeutet Spahns Corona-Infektion für den Politikbetrieb?
In der Coronakrise übernahm Jens Spahn die Rolle des vorsichtigen Mahners. Nun ist er selber infiziert. Hat er andere Kabinettsmitglieder angesteckt?
Jens Spahn (CDU) stellt sich die Fragen, die sich jeder mit dem Coronavirus infizierte Bürger stellt: Wo habe ich es mir eingefangen? Welche Kontakte hatte ich?
„Wir wissen es bisher nicht“, wird in seinem Umfeld zum möglichen Ort der Infektion betont. Rund eine Woche beträgt die Inkubationszeit, der Bundesgesundheitsminister wird nach Angaben seines Sprechers nicht regelmäßig getestet. Aber nach Erkältungssymptomen ließ er nun einen Test machen und bekam am Mittwoch das Ergebnis: positiv.
Spahn gab in dieser Krise bislang den vorsichtigen Mahner, bitte überall die A-H-A-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske) einzuhalten. Als eine der Schlüsselfiguren bei der Eindämmung der Pandemie ist er nun selber an Covid-19 erkrankt und hat sich sofort in Isolation begeben.
Am Abend meldete er sich via Twitter: „Ich bin in häuslicher Isolation und erhole mich mit aktuell nur Erkältungssymptomatik.“ Er wünsche allen, mit denen er Kontakt hatte, dass sie gesund blieben. „Geben wir weiter aufeinander acht!“
Kabinett soll nicht in Quarantäne
Spahn hatte am Vormittag noch an der Kabinettssitzung teilgenommen. Fotos zeigen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Minister, darunter auch Spahn, mit Mund-Nasen-Maske im Sitzungsraum eintreffen. Am Tisch nehmen sie die Masken dann ab. Muss deshalb jetzt das ganze Kabinett samt Kanzlerin in Quarantäne?
Ein Regierungssprecher betont auf Tagesspiegel-Anfrage: Nein. Das Bundeskabinett tage unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln, die so gestaltet seien, dass auch bei einem positiven Corona-Test "eine Quarantäne anderer oder gar aller Teilnehmer nicht erforderlich wird". Die Bedingungen im Kanzleramt und im Internationalen Konferenzsaal, in denen die Kabinettssitzungen stattfinden, seien „hinsichtlich des Infektionsschutzes besonders optimiert und vom Gesundheitsamt Berlin-Mitte fachlich überprüft worden“.
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AfD-Politiker ätzt gegen Spahn
Während die Kabinettsmitglieder, führende Unions-Politiker und Kollegen anderer Parteien herzliche Genesungswünsche schickten, schrieb der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka bei Twitter, das sei „der nächste Beweis, dass entweder Masken nichts bringen“ oder dass sich Jens Spahn schlicht nicht an seine Vorgaben halte. "Ich behaupte, die Maskenpflicht bringt nichts gegen Corona."
Kein Wort eines Genesungswunsches von Seiten des AfD-Vorstandsmitglieds. Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach beton dagegen mit Blick auf Spahn: „Ich weiß, wie vorsichtig er immer selbst war.“ Dass selbst Spahn sich infiziert habe, zeige nur, „wie hoch das Infektionsrisiko heute für jeden ist.“
„Die Minister sind systemrelevant“
Lauterbach hält es für richtig, dass das Kabinett jetzt nicht sofort in Quarantäne und durchgetestet werden muss. „Die Leute sind systemrelevant. Die Minister müssen mit Maske weiter arbeiten“, sagte er der „Rheinischen Post“. Er forderte aber: „Es ist an der Zeit, dass die Kabinettsmitglieder regelmäßig auf Corona getestet werden.“ Regelmäßig bedeute alle zwei bis drei Tage. Zuletzt waren der Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang und die übrige Spitze des Inlandsgeheimdienstes ebenfalls positiv getestet worden. Doch nun ist erstmals </SB>ein Kabinettsmitglied betroffen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist aktuell wegen einer Warnung über die Corona-App in Quarantäne.
Ende September hatten sich Außenminister Heiko Maas (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) nach Risikokontakten vorübergehend isoliert. Im März war Kanzlerin Merkel für knapp zwei Wochen in häuslicher Quarantäne, weil sie von einem Arzt geimpft worden war, bei dem kurz darauf eine Corona-Infektion festgestellt worden war. Am Samstag hatte sich zudem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Quarantäne begeben. Grund war der positive Corona-Test eines Personenschützers. Zwei Tests fielen seither negativ aus.
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Letztlich kann Spahn, sollte der Verlauf milde bleiben, auch aus dem Home-Office arbeiten. Aber der Fall zeigt das schwierige dieser zweiten Welle. Zwar gibt es bisher überwiegend milde Verläufe, wenn auch seit einigen Woche die Zahlen der intensivmedizinischen Corona-Fälle wieder spürbar steigen.
Aber das Ausbruchsgeschehen ist bis in die Bundesregierung diffus - es kann auch keiner bisher erklären, warum der Landkreis Berchtesgadener Land zum führenden Hotspot in Deutschland mit einem regionalen Lockdown geworden ist. Zumindest wird bei Spahn die Kontaktnachverfolgung - es sind hunderte Kontakte in einer Woche – funktionieren.
In einigen Berliner Bezirken scheint dieses System zusammengebrochen zu sein durch die Menge an Neuinfektionen, es gibt positiv Infizierte, bei denen sich niemand mehr meldet vom Gesundheitsamt. Und wenn sie nicht selbst Kontakte rausfinden und abtelefonieren, könnte sich das Virus über sie ungebremst weiterverbreiten.