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Reserviert. Heiko Maas beim letzten Besuch 2018 bei Erdogan.
© picture alliance/dpa

Nach Streit zwischen der EU und Ankara: Was Außenminister Heiko Maas in der Türkei vorhat

Zuletzt betonte der türkische Präsident Erdogan, sein Land wolle sich wieder der EU annähern. Auch deshalb reist Außenminister Maas nun nach Ankara.

Ob die Türkei wirklich bereit ist, einen Neuanfang in den Beziehungen zur EU einzuleiten, will Bundesaußenminister Heiko Maas an diesem Montag bei einem Besuch in Ankara sondieren. Vor drei Monaten war ein geplanter Besuch von Maas in der Türkei geplatzt, weil die Türkei den Gasstreit im östlichen Mittelmeer eskalieren ließ. Inzwischen beteuert die türkische Regierung ihre Entschlossenheit, den Streit mit Europa beilegen zu wollen – weil die Türkei wirtschaftliche Hilfe braucht und neuen Krach mit den USA fürchtet. Maas wird von seinem Kollegen Mevlüt Cavusoglu wissen wollen, was die Regierung in Ankara für eine Wiederannäherung an Europa tun will.

Maas’ Besuch reiht sich in eine Kette neuer Kontakte zwischen der Türkei und Europa ein. Am Donnerstag fliegt Cavusoglu zu Gesprächen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell nach Brüssel, am 25. Januar sollen in Istanbul türkisch-griechische Gespräche über bilaterale Probleme beginnen. Noch in diesem Monat werden EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel in der Türkei erwartet. Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vorige Woche gesagt, er wolle die Beziehungen mit Europa „wieder aufs Gleis setzen“.

Schon seit November fordert Erdogan den Neubeginn mit der EU. Damals trat sein Schwiegersohn Berat Albayrak als Finanzminister zurück, nachdem die Ausmaße der Wirtschaftskrise deutlich geworden waren. Die Inflationsrate liegt bei 14,6 Prozent, bei Lebensmitteln sind es sogar mehr als 20 Prozent. Das Land braucht dringend neues Investorenvertrauen – eine Normalisierung der Beziehungen zur EU als größter Handelspartnerin der Türkei ist dafür wichtig. Europa strebt im Gegenzug vor allem eine Verlängerung des Flüchtlingsabkommens mit der Türkei an.

Erdogan sucht aber nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen die Nähe zu Europa. Seit dem Wahlsieg von Joe Biden in den USA zeichnen sich neue Spannungen zwischen Ankara und Washington ab. Erst vor wenigen Tagen kündigte Erdogan an, sein Land werde noch in diesem Monat mit Russland über die Lieferung einer weiteren Batterie des Flugabwehrsystems S-400 sprechen. Die USA hatten die Lieferung einer ersten Batterie im vergangenen Jahr mit Sanktionen gegen den Nato-Partner beantwortet. Weitere Strafmaßnahmen könnten folgen.

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Auch die EU hatte wegen des Mittelmeer-Streits kürzlich Sanktionen gegen Ankara erlassen und will im März über zusätzliche Schritte beraten. Um Europa versöhnlich zu stimmen, verzichtet Erdogans Regierung seit einiger Zeit auf die Erdgassuche in Teilen des Mittelmeeres, die zwischen der Türkei sowie den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern umstritten sind. Demselben Zweck dient die Wiederaufnahme der 2016 abgebrochenen Gespräche mit Griechenland. Schnelle Ergebnisse sind jedoch kaum zu erwarten.

Wie die konkreten Schritte aussehen sollen, ist noch unklar

Erdogan brachte in den vergangenen Tagen zusätzlich persönliche Treffen mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Gespräch. Allerdings erwarte Frankreich vorher „greifbare Gesten“ von Ankara, sagte die Regierung in Paris. Die EU brauche „konkrete Schritte“ von der Türkei, schrieb auch Ilke Toygür von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik auf Twitter. Nacho Sanchez Amor, Türkei-Berichterstatter im Europaparlament, nannte als Beispiele die Entschärfung der türkischen Antiterror-Gesetze, die Freilassung von Oppositionspolitikern und Aktivisten und ein Ende des Drucks auf die Zivilgesellschaft, die Medien und die Kurdenpartei HDP.

Erdogan lässt bisher keine Bereitschaft erkennen, diesen Forderungen zu folgen. Sein rechtsnationalistischer Koalitionspartner Devlet Bahceli lehnt rechtsstaatliche Reformen vehement ab. Maas will deshalb in Ankara erkunden, wie realistisch die Aussichten auf tatsächliche Fortschritte sind.

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