Wahlen in Nigeria: Was auf Nigerias künftigen Präsidenten zukommt
Gewalt, Korruption und Armut: Afrikas größter Staat hat enorme Probleme. Die muss Nigerias nächster Präsident angehen. Am Samstag wird gewählt.
Sie müssen im Freien schlafen. Frauen, Kinder, ganze Familien. Wo sie den nächsten Schluck Wasser herbekommen, wissen sie nicht. Auch um die medizinische Versorgung ist es schlecht bestellt für jene 37.000 Nigerianer, die vor den Kämpfern der Terrorsekte Boko Haram ins benachbarte Kamerun geflohen waren.
Am Samstag wählt Nigeria einen neuen Präsidenten. Während eine Rekordzahl von 84 Millionen Nigerianern ihre Stimmen abgibt, steht für die meisten Geflohenen fest: Sie bleiben im Nachbarland. In ihren Köpfen sind immer noch die Bilder von Leichen in den Straßen – und die Ungewissheit, wann es zum nächsten Blutvergießen kommt.
200 Millionen Einwohner - der bevölkerungsreichste Staat Afrikas
„Afrikas großer Bruder“ wird Nigeria häufig genannt. Es ist der wirtschaftsstärkste und mit knapp 200 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste Staat des Kontinents. Prognosen nach soll sich die Bevölkerung bis 2050 fast verdoppeln.
Jetzt geht es darum, wer in der regionalen Großmacht für die nächsten vier Jahre die Richtung vorgibt. Die Lage ist entsprechend angespannt, sagt Sampson Kwarkye, Politologe am Institut für Sicherheitsstudien (ISS).
Angst vor Gewalt
„In Nigeria sind Wahlen eine heikle und brutale Angelegenheit. Deshalb müssen wir auf einen friedlichen Übergang hoffen.“ Obwohl kein Kandidat als „Unruhestifter“ gesehen werden wolle, könnte ein knappes Ergebnis zu Gewalt führen.
Bei Wahlen in den vergangenen Jahren hatte es zum Teil mehrere Hundert Tote gegeben. In den vergangenen Wochen beschuldigte die Regierung die oppositionelle Demokratische Volkspartei (PDP), gezielt Anarchie zu schüren. Die größte Oppositionsbewegung wiederum unterstellte dem regierenden Progressiven Kongress (APC), den Wahlausgang manipulieren zu wollen.
Zwei Alte werden das Rennen unter sich ausmachen
Ins Rennen um das Präsidentenamt gingen einige Exoten. Zum Beispiel eine Bloggerin, ein Ex-Zentralbankdirektor oder ein Menschenrechtsaktivist. Sie werden vor allem von jungen Menschen unterstützt. Nigerias Bevölkerung ist eine der jüngsten der Welt, mehr als 60 Prozent sind 24 und jünger.
Dennoch haben die Exoten kaum Chancen gegen die Alten: Präsident Muhammadu Buhari (76) und dessen Rivale Atiku Abubakar (72). Der Amtsinhaber und der Oppositionsführer profitieren vom Einfluss ihrer Parteien – und machen das Rennen wohl unter sich aus. Buhari regiert seit vier Jahren und hofft nun auf eine zweite Amtszeit. Abubakar sammelte bereits Erfahrung als Vizepräsident (1999-2007).
Auf den künftigen Staatschef warten enorme Herausforderungen. Am drängendsten ist die Sicherheitslage. Seit 2009 terrorisieren die Fundamentalisten der Boko Haram Nigeria und töteten etwa 35.000 Menschen. Die Sekte, deren Name „Westliche Bildung ist verboten“ bedeutet, kämpft für die Einführung der Scharia.
Der Amtsinhaber hat seine Versprechen nicht gehalten
Amtsinhaber Buhari war 2015 durch einen Vertrauensvorschuss an die Macht gekommen. Er hatte den konfliktmüden Nigerianern versprochen, die Terrorsekte zu besiegen. Bisher war seine Mission wenig erfolgreich.
In den vergangenen Wochen verschwand Buhari sogar von der Bildfläche, flog für eine Behandlung nach London. In der Hauptstadt Abuja gab es daraufhin viele Gerüchte. Lebte der Staatschef noch? Verschwörungstheoretiker waren überzeugt, der Präsident sei durch einen Doppelgänger ersetzt worden.
Jeder vierte Nigerianer hat keinen Job
Eng verbunden mit fanatischen Dschihadismus ist Armut. Knapp jeder vierte Nigerianer hat keinen Job. Die Wirtschaft leidet unter hoher Jugendarbeitslosigkeit und Not. Das spielt Oppositionskandidat Abubakar als Geschäftsmann in die Hände.
Vor allem im vernachlässigten Norden, dem Geburtsort der Boko Haram, gilt es für den nächsten Präsidenten, Arbeitsplätze zu schaffen. Denn Experten sind sich einig: Ohne Entwicklung, Bildung und wirtschaftliche Chancen bleibt Boko Haram für junge Nigerianer eine attraktive Alternative.
Nigerias nächster Staatschef muss aber auch gegen Korruption vorgehen, Präsident Buhari zufolge „die schwierigste Aufgabe“. Bestechung und Vetternwirtschaft grassieren. Viele halten die Hand auf. Auch Abubakar soll während seiner Zeit als Vizepräsident Millionen veruntreut haben – eine Anschuldigung, für die er sich in Nigeria bislang nicht vor Gericht verantworten musste.
Polio und HIV
Auch das Gesundheitssystem funktioniert allenfalls eingeschränkt. 2012 lebte die Hälfte aller Polio-Patienten in Nigeria. 2015 überraschte die Regierung mit der Ankündigung, die Krankheit ausgerottet zu haben.
Doch kurz darauf wurden neue Fälle im Bundesstaat Borno bekannt, der Hochburg der Boko Haram. Die Terroristen hatten Tausende von der Gesundheitsversorgung abgeschnitten. Ähnliches gilt für HIV/Aids. Mit 3,1 Millionen Infizierten hat Nigeria nach Südafrika die zweitgrößte HIV-Bevölkerung der Welt. Aber nur etwa ein Drittel hat Zugang zu Medikamenten.
Markus Schönherr
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