Festnahme des ägyptischen Journalisten: Warum stand Ahmed Mansur auf einer deutschen Fahndungsliste?
Der ägyptische Journalist Ahmed Mansur ist wieder frei – unklar bleibt, warum ihn deutsche Behörden überhaupt auf die Fahndungsliste setzten. Interpol sieht Ägyptens Vorgehen als politisch motiviert.
Der ägyptische Journalist Ahmed Mansur konnte am Dienstag Deutschland verlassen – drei Tage nach seiner Festnahme am Flughafen Berlin-Tegel. In einem von Pathos geprägten Auftritt vor Journalisten in Berlin bedankte er sich bei der deutschen Justiz für seine Freilassung und ordnete seinen Fall in den weltweiten Kampf um Pressefreiheit ein. Für Ahmed Mansur ist dieses Kapitel mit seiner Ausreise vorbei. Doch immer noch ist unklar, warum der Name des oppositionellen Journalisten, der für den Sender Al Dschasira arbeitet, auf eine deutsche Fahndungsliste gelangte.
Klar ist nur, dass ihn die ägyptischen Behörden am 2. Oktober 2014 weltweit zur Fahndung ausschreiben lassen wollten. In Ägypten liegt ein Haftbefehl gegen den Journalisten vor. Für Straftäter, nach denen weltweit gefahndet werden soll, stellt Interpol eine Red Notice aus, deutsche Behörden sprechen von einer „Rotecke“ – ein Begriff, der auf die frühere farbliche Kennzeichnung der Akte verweist. Doch eine Red Notice im Fall Mansur gibt es bis heute nicht, wie Interpol bestätigte.
Interpol stellte keine Red Notice aus
Denn nach weniger als drei Wochen entschied Interpol, dass der Fall Mansur die Kriterien für ein weltweites Fahndungsersuchen nicht erfüllt, weil ein Verstoß gegen Artikel 3 der Interpol-Statuten vorliege. Ein solcher Verstoß ist dann gegeben, wenn jemand aus politischen, religiösen oder ähnlichen Gründen verfolgt wird. Interpol ist in der Vergangenheit für Fälle kritisiert worden, in denen autoritäre Staaten politische Gegner zur Fahndung ausschreiben ließen und das Interpol-System für ihre Zwecke missbrauchten. Mansurs Anwalt Andreas Wattenberg betonte, Interpol habe es erstaunlich schnell abgelehnt, eine Red Notice auszustellen. Die „erheblichen Bedenken“ seien der Bundesregierung beziehungsweise dem Bundeskriminalamt (BKA) zeitnah mitgeteilt worden.
In Deutschland ist im Herbst 2014 also bekannt, dass Interpol den Haftbefehl gegen Mansur als politisch motiviert ansieht. Das BKA legt den Fall dem zuständigen Bundesamt für Justiz und dem Auswärtigen Amt vor – „aufgrund der politischen Bedeutung“, wie das Bundesinnenministerium erklärt. Das Bundesamt und das Auswärtige Amt hätten am 27. Januar 2015 mitgeteilt, „dass gegen eine nationale Ausschreibung zur Festnahme keine Bedenken bestehen“. Ahmed Mansur wird noch am selben Tag in Deutschland zur Fahndung ausgeschrieben.
Auswärtiges Amt sah keinen "offensichtlichen politischen Hintergrund"
Warum die Deutschen entgegen der Entscheidung von Interpol den ägyptischen Haftbefehl als legitim ansahen, ist unklar. Das Bundesjustizministerium betonte, Einschätzungen von Interpol seien rechtlich nicht bindend. Im Auswärtigen Amt hieß es, aus den ersten von Ägypten übermittelten Ersuchen sei weder eine Tätigkeit Mansurs als bekannter Journalist noch ein offensichtlicher politischer Hintergrund hervorgegangen, „der für die bearbeitende Ebene erkennbar gewesen wäre“.
Im Februar reist Ahmed Mansur nach Deutschland. „Damals hat mich niemand aufgehalten“, sagt der Journalist. Liegt es daran, dass er bei der Einreise seinen britischen Pass vorzeigt? Mansur hat beide Staatsbürgerschaften, doch ägyptische Reisedokumente besitzt er nicht. Dass ihm der Haftbefehl aus Ägypten auf seinen Reisen nach Europa Schwierigkeiten bereiten könnte, glaubte er ohnehin nicht. Denn Interpol hat ihm schriftlich bestätigt, dass keine Red Notice gegen ihn vorliege und dass dies allen Ländern mitgeteilt worden sei.
Im Mai versucht Ägypten erneut, Mansur weltweit zur Fahndung ausschreiben zu lassen, wieder lehnt Interpol ab. Das BKA leitet auch diesen Vorgang an das Bundesamt für Justiz und das Auswärtige Amt weiter. Aber zu einem Umdenken im Fall Mansur führt das offenbar nicht.
Ahmed Mansur war ohne Probleme nach Deutschland eingereist
Am 16. Juni kommt Ahmed Mansur auf dem Münchner Flughafen an. Wieder kann er ohne Probleme einreisen. Erst als er am Samstag von Berlin-Tegel nach Katar fliegen will, stoppt ihn die Bundespolizei. Zwei Tage später ist er wieder frei. Die Generalstaatsanwaltschaft habe nur einen Tag gebraucht für die Entscheidung, dass es sich um politische Verfolgung handele, betonte Wattenberg.
Im Auswärtigen Amt hieß es dazu, Ägypten habe erst nach der Festnahme ein vorläufiges Auslieferungsersuchen mit weiteren Angaben übermittelt. Eine Prüfung habe schnell deutlich gemacht, dass eine Auslieferung ausgeschlossen gewesen sei. Außerdem versicherten Diplomaten, die Bundesregierung habe „sofort organisatorische Maßnahmen ergriffen, um in Zukunft solche Fälle früher zu identifizieren“. Um welche Schritte es dabei geht, wurde nicht mitgeteilt. Das Justizministerium will künftig vom zuständigen Bundesamt bei der Entscheidung aller Fälle eingebunden werden, in denen Interpol eine Red Notice ablehnte.