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Für die Freiheit: In Berlin demonstrierten am Sonntag viele Menschen gegen Mansurs Festnahme.
© John Macdougall/AFP

Ägyptischer Journalist in deutschem Gewahrsam: Proteste gegen Festnahme von Al-Dschasira-Reporter

Die Festnahme des ägyptischen Journalisten Ahmed Mansur in Berlin alarmiert auch deutsche Politiker. Man dürfe sich nicht zum Gehilfen Kairos machen.

Der prominente ägyptische Fernsehjournalist Ahmed Mansur bleibt nach Angaben seines Anwaltes zunächst in deutschem Polizeigewahrsam. Aus Kairo lägen den deutschen Behörden eine Fahndungsnotiz sowie ein Auslieferungsbegehren vor, sagte Mansurs Berliner Anwalt Fazli Altin am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Diese würden nun geprüft, der Journalist deshalb festgehalten. Bei einem Haftprüfungstermin an diesem Montag werde voraussichtlich über das weitere Vorgehen entschieden.

Die deutsche Polizei hatte auf Drängen Ägyptens den bekannten Al-Dschasira-Journalisten auf dem Flughafen Berlin-Tegel festgenommen, als er am Samstag nach Katar zurückfliegen wollte. Den Beamten zufolge lag ein internationaler Haftbefehl gegen den 52-Jährigen vor, der vom Bundeskriminalamt ins Computersystem eingestellt worden sei. Was Mansur genau vorgeworfen wird, ist bisher unklar. In Ägypten war er vergangenes Jahr in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt worden, weil er angeblich im April 2011 auf dem Tahrir-Platz an der Folter eines Anwalts beteiligt gewesen sein soll – eine Anschuldigung, die Mansur stets als "absurd" zurückgewiesen hat. Der im Oktober 2014 von Ägypten angestrengte weltweite Haftbefehl gegen ihn wurde nicht in Kraft gesetzt mit der Begründung, er entspreche nicht den Regeln von Interpol, wie die internationale Polizeibehörde in Lyon Mansur und seinem Arbeitgeber damals mitteilte.

Einer der bekanntesten Journalisten der arabischen Welt

Al Dschasira protestierte am Sonntag gegen die Festnahme seines Starmoderators, der neben der ägyptischen auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt. Die Anschuldigungen seien falsch, erklärte der Sender auf seiner Webseite. Mansur gehört zu den bekanntesten Journalisten der arabischen Welt. Vor zwei Wochen war er der erste Medienvertreter, der ein ausführliches Interview mit dem Chef der in Syrien kämpfenden Al-Nusra-Front, Abu Mohammed al Jolani, machte. Das Gespräch bot dem Chef-Dschihadisten von Al Qaida erstmals eine Plattform, sich der internationalen Öffentlichkeit als gemäßigtere Alternative zum "Islamischen Staat" zu präsentieren. In Berlin hatte Mansur für seine Sendung "Bi La Hudud"E (Ohne Grenzen) mit Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) geredet, der als Fachmann für radikale islamistische Organisationen gilt.

Die Regierung in Kairo betrachtet Al Dschasira als Sprachrohr der in Ägypten mittlerweile als Terrororganisation verbotenen Muslimbrüder. Der Sender gilt zudem als scharfer Kritiker von Präsident al Sisi. Die Justiz am Nil hatte bereits Ende 2013 drei Journalisten des Senders in Kairo in einer spektakulären Polizeiaktion verhaftet und ihnen den Prozess gemacht. Die Angeklagten wurden nach einem chaotischen Verfahren, das dem internationalen Ansehen Ägyptens schwer schadete, wegen "Unterstützung einer terroristischen Vereinigung" und "Verbreitung falscher Nachrichten" zu Haftstrafen zwischen sieben und zehn Jahren verurteilt.

Zur Jahreswende jedoch annullierte das Kassationsgericht das Strafmaß, sodass der Fall gegenwärtig vor einer anderen Strafkammer neu verhandelt wird. US-Außenminister John Kerry hatte das Ersturteil seinerzeit als "drakonisch" bezeichnet. Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, kritisierte, das Verfahren habe in keiner Weise die rechtlichen Mindestanforderungen erfüllt.

Grüne: Ein Politikum, das zu einem Skandal werden könnte

Grünen-Chef Cem Özdemir wertete Mansurs Verhaftung als "Politikum, das sich zu einem Skandal ausweiten könnte". Die Regierung müsse sich fragen, ob sich Deutschland "zum Ausführungsgehilfen von Ägyptens wenig glaubwürdigen Urteilen gegen regimekritische Journalisten machen will", sagte Özdemir dem Tagesspiegel. Auch die SPD-Außenpolitiker Niels Annen und Rolf Mützenich verlangten im Gespräch mit dieser Zeitung Aufklärung. Es müsse dem Verdacht vorgebeugt werden, dass sich Deutschland zum Helfershelfer einer nicht unabhängigen ägyptischen Justiz machen könnte, warnte Annen. Mützenich sagte, es sei für ihn nicht vorstellbar, dass Deutschland Mansur an ein Land ausliefere, in dem die Unabhängigkeit der Justiz nicht gewährleistet sei.

Präsident al Sisi hatte Anfang Juni in Berlin einen Acht-Milliarden-Vertrag mit Siemens unterzeichnet, der ihm letztlich die Tür zu dem lange ersehnten Staatsbesuch an der Spree öffnete. Im Vorfeld war zudem durch eine Parlamentarische Anfrage der Linksfraktion bekannt geworden, dass Deutschland und Ägypten eine engere Polizeizusammenarbeit anstreben.

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