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Auf der Suche nach zustimmungsfähigen Themen: FDP-Chef Christian Lindner (Archivfoto).
© picture alliance / Michael Kappe

Gegen Klimaaktivisten und fürs Auto: Warum sich die FDP als neue CSU aufstellt

Die CSU hat sich modernisiert, nun liebäugelt FDP-Chef Christian Lindner mit dem Platz im konservativen Spektrum. Das könnte schiefgehen. Ein Gastbeitrag.

Stephan-Götz Richter ist Herausgeber und Chefredakteur von The Globalist

Im Frühsommer 2018 schien die CSU-Führung bereit, einen bundesweiten Auftritt als eigenständige Partei ernsthaft anzudenken. Im Mittelpunkt stand dabei der Versuch, einen guten Teil der bürgerlichen Wähler rechts der CDU wiedereinzufangen, die zur AfD abgedriftet waren. Diesen Wählern sollte eine solide konservative, nicht völkisch verbandelte Alternative geboten werden.

Von ihrer klassischen Positionierung her hätte die CSU das politisch gut bewerkstelligen können. Doch die Granden der CSU bliesen das Vorhaben ab. Ihnen geht es in der Hauptsache immer um die maximale Machtwahrung in Bayern.

Und da sich die dortigen Wählerstrukturen aufgrund des Zuzugs aus dem Rest des Bundesgebietes nachhaltig verändert haben, erkannte die CSU die Notwendigkeit, sich in ihrem politischen Profil zu liberalisieren, ja sogar zu ökologisieren. Dementsprechend zielt Markus Söder, der mephistohaft wirkende Impresario der Partei, auf eine Liberalisierung der Partei („jünger, weiblicher, digitaler“).

Linder fischt im CSU-Wählerpool

Aus bundespolitischer Warte betrachtet macht dieser Strukturwandel der CSU die Lücke im konservativen Spektrum, sozusagen „links“ der AfD, umso spürbarer. Allerdings hat es mittlerweile den Anschein, als ob sich Christian Lindner, der FDP-Chef, ernsthaft bemüht, in diesem Wählerpool zu fischen.

Mit diesem Manöver will er seine Partei offensichtlich vor dem Fall in die politische Bedeutungslosigkeit bewahren. Die Wahlumfragen sind ja für die FDP längst nicht nur in ostdeutschen Bundesländern schwach. Selbst das Scheitern von Friedrich Merz und die damit verbundene Enttäuschung wirtschaftsliberaler Wähler der CDU hat der FDP keinen Auftrieb gegeben.

Schon längst geht in der FDP die bange Frage um, ob ein Einzug in den nächsten Bundestag als gesichert angesehen werden kann. Kann er nicht. Der stark persönlichkeitsorientierte politische Schlingerkurses Lindners ist diesbezüglich nicht eben sachdienlich. Wirtschaftspolitisch wird die FDP daher kaum ernstgenommen. Weder Lindner noch sein Stellvertreter Kubicki gelten in der Wirtschaft als politisch relevante Schwergewichte, geschweige denn als sachpolitisch versiert.

Versuche als Greta-Dompteur

Was der FDP droht, wenn sie ein zweites Mal aus dem Bundestag fallen sollte, ist auch klar: der Fall in die dauerhafte politische Bedeutungslosigkeit. Um das abzuwenden, gibt es im Moment aktive Versuche der zweiten Garde der FDP, von Linda Teuteberg bis Johannes Vogel, sich aus Lindners Windschatten zu befreien.

Das hält Lindner freilich nicht von seinem Manöver ab, auf das bundespolitische Territorium der CSU vorzustoßen. Offensichtlich sieht der FDP-Chef genau hier neue politische Optionen bei der Wählergewinnung.

Eine FDP, die auf CSU-Kurs geht, wird vielen klassischen Liberalen arg aufstoßen. Auch wenn Lindner ein solches Unterfangen gewiss abstreiten wird, liegen die Belege hierfür leider offen zutage.

So hat sich Lindner in besonderem Maße als Greta-Dompteur zu profilieren versucht. Beim Thema Klimawandel spricht er schablonenhaft von „Start-Up-Denken statt Planwirtschaft“ und bedient damit altbewährte CSU-Sprachmuster. Das deutet nicht gerade auf irgendeine Nuancierung hin, die normalerweise Bestandteil liberalen Denkens ist.

CO2-Limits als Freiheitsbedrohung - wie paläoliberal!

Auch bekennt Lindner, dass „für das Erreichen des CO2-Limits niemand seine freie Lebensweise aufgeben“ sollte. Das hört sich eher paläoliberal an.

Es ist aber insbesondere Lindners Denken zur Zukunft des Autos, das lässt sich kaum anders denn als einen direkten Zugriff auf klassische CSU-Argumentationsmuster aus den Zeiten von Franz-Josef Strauß verstehen lässt. Lindner stilisiert das Autofahren zu einem essentiellen Akt der motorisierten Mündigkeit der Bürger in der Hochzivilisation Deutschland.

Letztlich laufen Lindners Einlassungen auf die motorisierte Version des Slogans „Freiheit oder Sozialismus“ hinaus, den die CSU zur Bundestagswahl 1976 als Wahlkampfparole verwandte.

Wenn Lindner etwa davon spricht, dass mit der Betonung der Notwendigkeit einer umweltorientierten Gestaltung des Verkehrs nun „im Gewand scheinbarer Progressivität Umerziehung gefordert“ wird, liest sich das wie klassische konservative Kampfsprache Franz-Josef Straußscher Provenienz. Und wer wie Lindner gar auf die Tränendrüse drückt, weil „Autofahrer und die Automobilwirtschaft mit Geringschätzung gestraft“ werden, verabschiedet sich irgendwie schon von der Modernität.

Lindner ist treibende Kraft des Kulturkampfs ums Auto

Dabei hat Lindner recht, um das Auto ist ein „Kulturkampf entbrannt“. Allerdings ist er in der Hoffnung, auf diese Weise Wählerstimmen zu erheischen, selbst zur treibenden Kraft dieses Kampfes geworden.

In den Innenstädten kommt es perspektivisch zu einem Generationskonflikt zwischen jung und alt. Eine ökologisch bewusste junge Generation, die schon aus Gründen mangelnder Kaufkraft zunehmend autolos ist, trifft auf alternde Menschen, die sich am Auto festhalten.

Lindner scheint sich kurioserweise von der ersten Gruppe verabschieden zu wollen. Das Werben um junge urbane Wähler – mit Ausnahme der SUV-Fahrer und „petrol heads“, die in dieser Gruppe immer seltener anzutreffen sind – scheint er jedenfalls den Grünen zu überlassen.

Der „Kulturkampf“, den Lindner kasteit, dreht sich im Verkehrsbereich um die Rückgewinnung des öffentlichen Raums und um die Beruhigung der Städte. Dieser Kampf ist aber – inklusive des Wandels zu E-Autos – ein Kampf für (und nicht contra) die liberale Modernität. Insofern steht Lindner mit seiner Fetischisierung des Individualverkehrs fest im Lager der klassischen CSU.

Gruftiges Erscheinungsbild

Liberal und modern wäre es, sich sehr für die vernetzte Mobilität einzusetzen, bei der ein Auto per App hinzugebucht werden kann, das aber nur eine der relevanten Optionen ist. Das ist der Trend, um den es überall geht. Übrigens nicht nur in Metropolen wie Berlin, sondern auch in Regio-Zentren wie Augsburg.

Wenn sich die FDP eindeutig in dieser Richtung positionieren würde, wäre die Start Up-Rhetorik der Partei nicht so merkwürdig blutleer, sondern zielführend und attraktiv. Die Fetischisierung des Autos gibt der Partei indes ein gruftiges Erscheinungsbild.

Und wenn sich Lindner und Kubicki plötzlich auf die Bedeutung der Bevölkerung im ländlichen Raum besinnen, hat das etwas Tragikomisches. Dort sind in der Tat viele Familien und Arbeitnehmer auf das Auto angewiesen.

Doch bisher ist die ländliche Bevölkerung jedenfalls nicht als eine besonders FDP-affine Wählergruppe hervorgetreten. Ob Christian Lindners Strategie des Pochens auf motorisierte Freiheit (statt dem „Sozialismus“ der Mobilitätswende) der FDP im ländlichen Raum wirklich neue Wählerpotentiale verschafft, ist sehr zu bezweifeln.

Von Stephan-Götz Richter

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