Trennung von Amt und Mandat: Warum Robert Habeck sich entscheiden muss
Kann Robert Habeck Parteivorsitzender und zugleich Umweltminister in Schleswig-Holstein sein? Der Parteivorsitz ist kein Nebenjob, schreibt der Berliner Landeschef der Grünen in einem Gastbeitrag.
Alle reden vom Klima – wir Grünen diskutieren über die Satzung. Während sich im Bund eine große Koalition formiert, die vom Klimaschutz bis zur Flüchtlingspolitik nach rechts zieht, verrennt sich ein Teil der Grünen in einer Debatte, die so alt ist wie die Partei: Der angeblich alte linke Zopf der Trennung von Amt und Mandat soll abgeschnitten werden, damit die Grünen in den Strukturen „moderner“ werden. Auslöser ist die Frage, ob Robert Habeck im Falle seiner Wahl für eine Übergangszeit von einem Jahr gleichzeitig Bundesparteivorsitzender und Umweltminister in Schleswig-Holstein sein darf.
Doch die Trennung von Amt und Mandat aufzuweichen, ist Quatsch. Sie ist nicht altbacken, sondern sinnvoll. Sie folgt der Logik, dass es etwas anderes ist, ob man als Minister Regierungshandeln erklärt und umsetzt oder ob man als Parteivorsitzender für die Durchsetzung grüner Programmatik kämpft. Die Trennung der Funktionen folgt der Logik, dass der eine Kompromisse gestalten und der andere bei der politischen Meinungsbildung, laut Grundgesetz Auftrag der Parteien, pointiert mitmischen soll. Eine Vermischung der Aufgaben führt zu einer Verwässerung der demokratischen Debatte.
Denn es gibt durchaus unterschiedliche Interessen. Die Interessen aller Menschen in Schleswig-Holstein sind andere als die der grünen Mitglieder – und das nicht nur, wenn es um Länderfinanzausgleich oder Schuldenbremse geht. Man kann nicht bis 14 Uhr als Minister die Schweinepest bekämpfen und nebenbei mit der Bundestagsfraktion übers Abstimmungsverhalten bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr ringen.
Dass wir als Grüne noch besser und erfolgreicher werden, wenn möglichst wenige Personen möglichst viel Macht haben, ist dagegen eine steile These, die von zu vielen Gegenbeispielen widerlegt wird. Wer ein Scheitern der Ämterhäufung eindrücklich darstellen will, muss nur an die glücklosen SPD-Vorsitzenden Beck und Platzeck erinnern. Beide dachten, sie könnten ein Land regieren und nebenbei eine Partei führen. Am Ende waren sie genauso schnell aus dem Willy-Brandt-Haus wieder raus, wie sie reinkamen, und zusätzlich als Ministerpräsidenten beschädigt. Und in Österreich hat sich gezeigt: Auch ohne Trennung von Amt und Mandat und selbst ohne Doppelspitze können Grüne aus den Parlamenten fliegen. Nur so werden zu wollen wie die anderen, ist also noch keine Professionalisierung.
Sich als Parteivorsitzender wirklich einzumischen, Konzepte zu erarbeiten und Debatten zu prägen, das kostet Zeit. Die Partei dabei auch mitzunehmen, bei den Kreisverbänden vorbeizuschauen, in Gremien zu streiten und in Parteikommissionen die Programmatik der Partei voranzubringen, das ist aufwendig. Vor allem, da wir als Grüne vor einem spannenden, aber auch sehr anstrengenden Grundsatzprogrammprozess stehen. Wer einer Partei wie Bündnis 90/Die Grünen vorsitzen will, kann eben nicht nur in Talkshows auftreten und schöne Bilder produzieren, sondern muss Kärrnerarbeit in und mit der Partei leisten. Wer Bundesvorsitzender werden möchte, sollte ganz frei nach Kennedy nicht fragen, was die Partei für ihn tun kann, sondern was er für die Partei tun kann. Das ist die Jobbeschreibung. Das erwarten die Mitglieder.
All das wird halbtags nicht zu leisten sein, genauso wenig wie ein Regierungsamt. Ich kenne keine Minister, keine Parteivorsitzenden und keine Abgeordneten, die sich je über zu viel Freizeit beschwert hätten. Ganz im Gegenteil, die meisten stellen entsetzt fest, dass auch für sie der Tag nur 24 Stunden hat. Und diese Kräfte der Physik ändern sich auch mit einer Doppelbelastung nicht. Man kann nicht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig tanzen. Dabei geht es nicht darum, dogmatisch zu sein. Wir brauchen eine Übergangslösung. Aber ein Übergang mit Doppelbelastung sollte zügig vonstattengehen. Selbst die SPD hat es geschafft, innerhalb kürzester Zeit einen Stabwechsel im Bundeswirtschaftsministerium, im Auswärtigen Amt und im Bundespräsidialamt hinzubekommen. Das sollte doch auch für einen grünen Landesminister möglich sein.
Drei Monate sind in Deutschland eine gängige Frist, in denen Job oder Wohnung gekündigt werden müssen. Was allen Bürgerinnen zumutbar ist, sollte für Amtsträgerinnen auch machbar sein.
Der Autor ist Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Berlin.
Werner Graf