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Das türkische Forschungsschiff „Oruc Reis“ ankert vor der Küste Antalyas im Mittelmeer.
© Ibrahim Laleli/dpa

Türkei und Griechenland planen Schießübungen: Warum Merkels Anti-Kriegs-Rhetorik im Gasstreit verpufft

Die Türkei streitet sich mit Griechenland, Zypern und Ägypten um Gasvorräte im östlichen Mittelmeer. Angela Merkel will vermitteln - doch die Spannungen nehmen zu.

Im östlichen Mittelmeer sind Kriegsschiffe der verfeindeten Nachbarn Türkei und Griechenland auf Konfrontationskurs. Beide Seiten wollen Seemanöver mit Schießübungen in umstrittenen Gewässern abhalten. Ein türkisches Forschungsschiff begann am Montag zudem mit einer neuen Suche nach Erdgas unter dem Meeresboden – und zwar in einem Seegebiet, in dem die Türken laut einer kürzlichen Vereinbarung zwischen Griechenland und Ägypten keinerlei Rechte haben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach einer ähnlichen Eskalation vor wenigen Wochen als Vermittlerin eingegriffen und die Lage vorübergehend beruhigen können. Nun nehmen die Spannungen jedoch wieder zu.

Die türkische Marine hatte vorige Woche mit einem so genannten „Navtex“-Hinweis die Schifffahrt in der Gegend zwischen den griechischen Inseln Rhodos und Kastellorizo über ein zweitägiges Seemanöver mit Schießübungen informiert, das am Montag beginnen sollte. Beide Inseln liegen in der Nähe der türkischen Südküste. Griechenland antwortete am Montag mit der Ankündigung eines eigenen Seemanövers südlich von Kreta.

Gleichzeitig erklärten die griechischen Behörden, eine weitere „Navtex“-Mitteilung der türkischen Seite für ungültig. Mit der Warnung hatte die Türkei die Entsendung des Forschungsschiffes „Oruc Reis“ in einen Sektor des östlichen Mittelmeers zwischen der griechischen Insel Kreta und Zypern bekanntgegeben.

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Die Türkei habe kein Recht, solche Hinweise zu verschicken, weil das Seegebiet zum griechischen Festlandsockel gehöre, erklärte Athen. Die beiden Nachbarstaaten liegen seit Jahrzehnten wegen gegensätzlicher Hoheitsansprüche in der Ägäis und im Mittelmeer über Kreuz. Die Türkei erkennt die griechische Definition von Hoheitsgebieten nicht an. Ende der 1990er Jahre standen die Nachbarn und NATO-Partner deshalb schon einmal kurz vor einem Krieg.

Die Türkei streitet sich zudem mit Griechenland, Zypern und Ägypten um die Rechte an reichen Gasvorräten unter dem Meeresboden im östlichen Mittelmeer. Ankara wehrt sich gegen Hoheitsansprüche von Athen, Nikosia und Kairo in der Region und schickt deshalb eigene Forschungsschiffe in jene Gebiete des Mittelmeeres, die von den anderen Akteuren als ihre Einflussgebiete betrachtet werden.

Nun soll das Forschungsschiff in einem Gebiet nach Gas suchen, in dem die Grenzen zwischen den Wirtschaftszonen verlaufen

Im Herbst hatte die Türkei außerdem einen Vertrag mit der Regierung in Libyen geschlossen, der große Teile des östlichen Mittelmeeres zu einer türkischen Zone erklärte. Die anderen Länder erkennen den Vertrag nicht an. Vorige Woche schloss Griechenland mit Ägypten einen Vertrag über die Abgrenzung von Wirtschaftszonen im Mittelmeer, der dem türkisch-libyschen Abkommen widerspricht. Ankara will das nicht hinnehmen.

Deshalb soll die „Oruc Reis“ in einem Gebiet nach Gas suchen, in dem die Grenzen zwischen den griechischen, zyprischen und ägyptischen Wirtschaftszonen verlaufen. Mit der Entsendung der „Oruc Reis“ bekräftigte Ankara die türkischen Ansprüche in der Gegend. Der türkische Energieminister Fatih Dönmez teilte am Montag auf Twitter mit, die „Oruc Reis“ habe ihr Zielgebiet erreicht. Die ganze Türkei stehe hinter der Mission des Schiffes, schrieb der Minister. Die „Oruc Reis“ wird bei ihren Missionen gewöhnlich von türkischen Kriegsschiffen begleitet.

Ein weiteres türkisches Forschungsschiff, die „Barbaros Hayreddin Pasa“ sucht in der Nähe von Zypern nach Erdgas. Die Griechen seien „in Panik“, höhnte die Online-Ausgabe der türkischen Zeitung „Hürriyet“.

Aus türkischer Sicht trägt Griechenland die Schuld an der neuen Eskalation

In Athen trat der nationale Sicherheitsrat Griechenlands zusammen. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sprach mit EU-Ratspräsident Charles Michel über die Lage und plante zudem ein Telefonat mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Das griechische Außenministerium erklärte, Athen lasse sich von Ankara nicht erpressen und werde seine Souveränität verteidigen. Die Türkei solle ihre „illegalen Aktionen“ im östlichen Mittelmeer einstellen.

Aus türkischer Sicht trägt jedoch Griechenland die Schuld an der neuen Eskalation. Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte vor wenigen Tagen, er habe den Griechen bereits bei Merkels Vermittlungsversuch Ende Juli misstraut, den Bemühungen der Kanzlerin aber eine Chance geben wollen. Damals hatte die Türkei zugesagt, die Gas-Suche vorübergehend einzustellen. Mit Blick auf das griechisch-ägyptische Abkommen sagte Erdogan, Griechenland habe seine Versprechen nicht eingehalten.

Deshalb habe die Türkei die Suche nach Gas wieder aufgenommen. Zugleich warnte Erdogan die Regierungen von Griechenland und Ägypten, den Seerechtsvertrag zwischen der Türkei und Libyen für null und nichtig zu erklären: Die Türkei werde das Abkommen „entschieden“ verteidigen, sagte der türkische Staatschef.

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