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Angela Merkel und Markus Söder auf einem Boot auf dem Chiemsee.
© Peter Kneffel/Pool via Reuters

Söder-Ritterschlag oder bloß Spielerei?: Warum Merkel beim Traum vom Corona-Krisengespann mitspielt

Auch Symbole können sprechen - und so ist der Abstecher der Kanzlerin an diesem Dienstag nach Herrenchiemsee eine laute Botschaft an die eigenen Leute. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

In Nordrhein-Westfalen haben sie auch hübsche Schlösser. Das „westfälische Versailles“ Nordkirchen etwa böte sich an für eine Sommersitzung des Landeskabinetts mit Angela Merkel als Gast. Doch nicht bei Armin Laschet will die Kanzlerin an diesem Dienstag in der Kutsche vorfahren, sondern im „bayerischen Versailles“ auf der Insel Herrenchiemsee.

Und egal was sie dort sagt, selbst wenn ein Gewitter die Pferde scheu machte, die Botschaft steht fest: Markus Söder war wieder schneller – und Merkel gönnt es ihm.

Man mag das leicht albern finden. Aber die Inszenierung hat ihren Platz in der Politik. Das hat nicht erst Donald Trump begriffen, der jede Präsidentenverordnung vor Kameras unterzeichnet und dann hochhält wie die Zehn Gebote.

Das wussten schon Ludwig XIV., der das echte, und Ludwig II., der sein kleines Versailles bauen ließ als Zeichen der Macht. Symbole sind die zweite Sprache der Politik und oft die einprägsamere. Willy Brandts Kniefall von Warschau wird noch lange in Schulbüchern bleiben.

Wer diese Sprache nicht beherrscht, gerät schnell ins Hintertreffen. Edmund Stoiber kam 2002 aus vielen Gründen nicht bis ins Kanzleramt. Aber die Stimmung drehte sich gegen ihn, als Gerhard Schröder zum Elbe-Hochwasser stiefelte, während Stoiber auf seiner Nordseeurlaubsinsel blieb. Seine Erben waren also gewarnt.

Wasserspiele im Park von Schloss Herrenchiemsee
Wasserspiele im Park von Schloss Herrenchiemsee
© gms

Schon Horst Seehofer ließ Merkel 2009 zum Volksfest in Keferloh kutschieren. Die Kanzlerin ließ sich das damals gerne gefallen, nicht obwohl, sondern weil der Zirkus im Widerspruch zu ihrem nüchternen Image stand. Die Abweichung wirkte doppelt.

Tatsächlich pflegt kaum jemand das eigene Bild so präzise wie die Kanzlerin, angefangen bei den immer gleichen Kostümen, die durch Farbwahl subtile Botschaften senden. Rot, zum Beispiel, steht für Kampfmodus. Aber das war’s an Extravaganz. Der Rest ist gelassene Seriosität, ab und an durchbrochen durch einen Tupfer Frechheit.

Ihr Gastgeber hält es mit der Extravaganz wie mit der Frechheit großzügiger. Söders Kostüme zur Veitshöchheimer Fastnacht sind legendär, seine Scherze auf Kosten anderer Legion. Aber der gelernte Fernsehmann kennt genauso die Wirkung von Kontrasten. Seit er als Ministerpräsident ins ernste Fach wechselte, kommt er zum Fasching im humorlosen Smoking.

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Die Kanzlerin wie ihr eventueller Nachfolger wissen also, was die Chiemsee-Tour auslöst. Umso interessanter, dass Merkel mitspielt. Als CDU-Vorsitzende wäre es eine Geste unter Parteigeschwistern gewesen. So wird es zur Geste an die Person. Bisher war es Söder allein, der von seinem Corona-Krisengespann mit Merkel schwärmte. Jetzt liefert sie ihm das Bild dazu.

Ob Merkel den Besuch als Ritterschlag meint oder bloß mal kurz die CDU-Nachfolgeaspiranten anstacheln will – wer weiß. Noch bleibt denen die zweite Chance. Wenn es dieses Jahr früh schneit, könnte Merkel ja noch kurz vor dem CDU-Parteitag im Dezember mit Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen auf dem Kahlen Asten Schlitten fahren.

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