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Julian Assange sitzt seit April in Isolationshaft.
© dpa

Julian Assange in Isolationshaft: Warum hilft kein EU-Land dem Wikileaks-Gründer?

Assange geht es offenbar schlecht, UN-Experten und Ärzte beklagen psychische Folter. Das geht auch gegen die Pressefreiheit im Allgemeinen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Achteinhalb Jahre ist es her, da ging ein erschütterndes Video um die Welt. Es zeigte, wie US-Soldaten aus einem Kampfhubschrauber mit der Bordkanone zwölf Zivilisten auf einer Straße in Bagdad regelrecht abschlachten. Als ein Mann den Opfern zu Hilfe eilt, treffen auch ihn und seine Kinder die tödlichen Kugeln.

Die Aufnahme demonstrierte die Grausamkeit des Krieges im besetzten Irak – und markierte den Beginn eines tragischen Konfliktes: Julian Assange, der australische Pionier des Datenjournalismus, stieg mit seiner Enthüllungsplattform Wikileaks und der dort veröffentlichten Videosequenz nicht nur zu Weltruhm auf.

Zugleich wurde die Enthüllung des Blutbades und die Veröffentlichung Tausender US-Geheimdokumente das Verhängnis seines Lebens. Seitdem verfolgen ihn die USA als „Cyberterrorist“ – das könnte ihm nun den Tod bringen.

Schon seit April halten ihn die britischen Behörden im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Isolationshaft. Zuvor hatte er gut sechs Jahre im Not-Exil in der Botschaft von Ecuador ausgeharrt, bis ihn die neue Regierung in Quito der britischen Justiz übergab.

"Typische Symptome"

Assange war in die Botschaft geflohen, nachdem die schwedische Polizei seine Überstellung nach Stockholm gefordert hatte. Zwei Schwedinnen hatten ihn angezeigt, weil er sie zum ungeschützten Geschlechtsverkehr genötigt haben soll.

Assange aber fürchtete, in die USA ausgeliefert zu werden. Tatsächlich schickte die US-Regierung nur wenige Stunden nach seinem Rauswurf aus der Botschaft ihr Auslieferungsgesuch. Die Staatsanwaltschaft in Stockholm dagegen stellte ihr Verfahren ein.

Jetzt aber, so berichtete der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, leide Assange unter „den typischen Symptomen einer Person, die psychischer Folter ausgesetzt war.“ Das zeige sich „in chronischen Angstzuständen und einem posttraumatischen Stresssyndrom“.

Trotzdem weigert sich die britische Innenministerin Priti Patel, ihn in ein Krankenhaus zu verlegen. „Diese Willkür könnte ihn das Leben kosten“, warnt Melzer. „Wenn nicht dringend eine Behandlung erfolgt, habe wir die ernste Sorge, dass Herr Assange im Gefängnis sterben könnte“, mahnten vergangene Woche auch 60 Ärzte die britische Regierung. Aber die stellt sich taub. Das ist allein schon Unrecht. Umso schwerer wiegt, dass es keine gültige Rechtsgrundlage für Assanges Haft gibt.

Journalisten sind keine Spione

Die US-Regierung bezichtigt ihn der Spionage und der „Verschwörung zum Geheimnisverrat“. Das ist konstruiert und verstößt gegen die US-Verfassung. Assange hat weder Gewalt angewendet noch spioniert. Er hat geheime Dokumente veröffentlicht und seine Quelle geschützt.

Das ist Aufgabe von Journalisten, zumal wenn es gilt, Kriegsverbrechen aufzudecken. Dass die USA nun das Spionagegesetz von 1917 anwenden, „verwischt den Unterschied zwischen Journalisten, die Rechtsbrüche der Regierung aufdecken und Spionen, die die nationale Sicherheit untergraben“, schreibt die New York Times.

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„Das bedroht die Rede- und Pressefreiheit und damit die amerikanische Demokratie selbst.“

Über Assanges Methoden lässt sich streiten. Dass er die Klarnamen von Zuträgern der US-Regierung nicht geschwärzt hat, gefährdete Unschuldige. Ob es journalistisch nötig war, E-Mails von Hillary Clinton zu veröffentlichen und Donald Trump zum Wahlsieg zu verhelfen, ist fraglich.

Aber nichts davon rechtfertigt die Auslieferung in die USA, wo ihm eine lebenslange Gefängnisstrafe droht. Umso unverständlicher ist, dass keine Regierung in Europa gegen die inhumane Inhaftierung interveniert. In der Schuld stehen auch die Medien, die sich mit den Wikileaks-Dokumenten als Enthüller profilierten. Die Verhandlung über seine Auslieferung soll am 25. Februar beginnen, vorausgesetzt er lebt dann noch.

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