„Wie ein kleiner Geburtstag“: Warum eine Reinigungskraft die Grundrente hilfreich findet
Ein Leben lang arbeiten und trotzdem im Alter nicht genug Geld zum Leben haben? Das sei ungerecht, sagt die Bochumerin Susanne Holtkotte.
Susanne Holtkotte will einen Piccolo aufmachen, wenn das Kabinett die Grundrente beschließt. Sie habe mitgefiebert, als Union und SPD wiederholt über das Projekt stritten, erzählt sie am Telefon. Dass die Grundrente kommen solle, sei „wie ein kleiner Geburtstag“. Sie ist sicher: „Für viele Menschen wird die Grundrente hilfreich sein."
Holtkotte, 49 Jahre alt, arbeitet als Reinigungskraft in einer Klinik in Bochum. Im Sommer veröffentlichte sie ihr Buch „715 Euro – Wenn die Rente nicht zum Leben reicht. Eine Reinigungskraft klagt an“, in dem sie von ihrem Leben als Niedriglöhnerin berichtet. Der Titel spielt auf ihren Rentenbescheid an, der ihr selbst eine gesetzliche Rente in Höhe von 715 Euro prognostiziert.
Ein Leben lang zu arbeiten und trotzdem im Alter nicht genügend Rente zum Leben haben, findet Holtkotte ungerecht. Sie selbst hat mit 18 Jahren angefangen. „Als es mit der Ausbildungsstelle nicht klappte, habe ich mir einen Job gesucht“, sagt sie. Zu Hause seien sie drei Kinder gewesen, sie wollte nicht "rumhängen", sondern zur Familienkasse beitragen. Sie arbeitete am Fließband in der Schokoladenfabrik, später als Verkäuferin auf dem Wochenmarkt und in einem Blumengeschäft. Sie wechselte in die Altenpflege, nach zwei Bandscheibenvorfällen musste sie aufhören. Seit einigen Jahren ist sie nun Reinigungskraft in einer Klinik in Bochum. Sie leitet dort die Bettenzentrale, versorgt Operationssäle und Intensivstation mit frischen Betten.
Nur 300 Euro zum Leben
Holtkotte bekommt den Mindestlohn, der in der Gebäudereinigung im Januar auf 10,80 Euro gestiegen ist. Im Monat verdient sie bei einer 35-Stunden-Woche rund 1150 Euro netto. Nach Abzug der Miete und der festen Kosten bleiben höchstens 300 Euro im Monat zum Leben, manchmal auch weniger. Ob sie damit über die Runden komme? „Es klappt immer, irgendwie“, sagt Holtkotte. Auf Urlaub oder Restaurantbesuche verzichtet sie, ab und zu leistet sie sich eine Tankfüllung für ihren kleinen Ford Ka. Doch privat vorzusorgen, wie die Politik eigentlich fordert, schafft sie nicht. „Ich kann im Moment keine 50 Euro im Monat fürs Alter weglegen“, sagt sie.
Die Idee, eine Grundrente einzuführen, damit die Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, nicht auf Sozialhilfeniveau landen, findet sie vernünftig. Und auch den Plan, die Leistung automatisiert auszuzahlen, „ohne den Antragswahnsinn, sondern einfach vom Amt ausgerechnet und bezahlt“. Wenn das in der Praxis funktioniere, werde das den Menschen wirklich helfen. Schon heute würden viele ihre Ansprüche nicht geltend machen – „weil sie sich schämen“ oder auch weil sie von der Bürokratie überfordert seien.
Doch mit der Grundrente allein ist es nicht getan, findet Holtkotte. „Wir müssten an den Schrauben unseres Sozialsystems drehen“, sagt sie. Etwa, indem der Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro angehoben werde. „Zahlt endlich vernünftige Löhne“, fordert sie die Arbeitgeber auf: „Dann müsste man sich auch nicht mehr so viel Gedanken über eine anständige Rente machen.“