Krisenregion Naher Osten: Warum die Hamas das Emirat Katar als Gönner verlieren könnte
Jahrelang konnte sich die Hamas der Hilfe aus Katar sicher sein. Doch das Emirat gerät selbst in Bedrängnis - und muss womöglich mit den Islamisten im Gazastreifen brechen.
Eigentlich hätten die Islamisten Grund zu feiern. Seit genau zehn Jahren herrscht die Hamas – mit harter Hand – über den Gazastreifen. Selbst mehrere Kriege gegen den verhassten Feind Israel und den Dauer-Machtkampf mit der Fatah von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas haben die Fundamentalisten bis heute halbwegs unbeschadet überstanden.
Dennoch will dieser Tage in der Führungsriege keine Jubiläumstimmung aufkommen. Im Gegenteil. Die Funktionäre sind gleichermaßen verärgert wie verängstigt. Denn ihnen könnte schon sehr bald einer der letzten Verbündeten und wichtigsten Sponsoren abhandenkommen: Katar.
Das Emirat ist selbst in große Bedrängnis geraten. Der mächtige Nachbar Saudi-Arabien, Ägypten und andere arabische Länder der Golfregion haben vor Kurzem alle Kontakte zum reichen Mini-Staat gekappt. Das schließt die diplomatischen Beziehungen ebenso ein wie Verkehrsverbindungen. Katar ist somit isoliert – politisch und wirtschaftlich.
Die weitreichenden Sanktionen sind verhängt worden, weil dem Herrscherhaus al Thani die Unterstützung des islamistischen Terrors und eine zu große Nähe zum Iran vorgeworfen wird. Beobachter schließen nicht aus, dass Katar gezwungen sein könnte, mit der radikalen Muslimbruderschaft und seinem Ableger Hamas zu brechen.
Der saudische Außenminister hatte erst kürzlich ultimativ gefordert, die Regierung in Doha müsse die Islamistengruppen fallen lassen. In der gelenkten Presse des Königsreichs war davon die Rede, die Hamas missbrauche Hilfsgelder. Und mit ihren Angriffen auf israelische Ziele gefährde sie die Sicherheit der palästinensischen Zivilbevölkerung.
Für die Machthaber im Gazastreifen hätte ein Bruch mit Katar fatale Folgen. Das Emirat gehört zu den großzügigsten Gönnern der Hamas. Abermillionen Dollar haben die Scheichs in den vergangenen Jahren investiert. Mit dem Geld wurden Straßen instandgesetzt, Häuser errichtet, Schulen gebaut und Leitungen repariert. Voriges Jahr stellte Katar allein 30 Millionen Dollar für die Gehälter der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst zur Verfügung. Vor wenigen Monaten erst spendierte das Emirat zwölf Millionen Dollar für Treibstoff. Nur so war der Betrieb des einzigen Kraftwerks im Küstenstreifen aufrecht zu erhalten.
Katar sparte in der Vergangenheit auch nicht mit politischem Rückhalt für die Islamisten. Seit Langem finden zum Beispiel hohe Hamas-Funktionäre Unterschlupf im kleinen Emirat am Golf. Mehrere andere Staaten wie Ägypten, Jordanien und die Türkei dagegen sind längst auf Distanz gegangen.
Sollte sich Katar tatsächlich von den Gaza-Islamisten abwenden müssen, steht ein anderer potenzieller Verbündeter schon bereit. Der Iran hat großes Interesse daran, seinen Einfluss in der Region auszuweiten. Dass die Hamas sunnitisch geprägt ist, stört den schiitischen „Gottesstaat“ wenig. Gute Beziehungen in den Küstenstreifen am Mittelmeer haben für Teheran geostrategische Bedeutung.
Vor allem verfügte die Islamische Republik über einen Vorposten direkt an der Grenze zu Israel, dem „zionistischen“ Erzfeind. Doch eine große Nähe zum Iran gilt als heikel. Die Hamas würde sich so aus der arabischen Welt verabschieden und sich den Persern zuwenden. Das wäre aus Sicht der sunnitischen Herrscher ein Affront.
Der Hamas droht aber noch an zwei weiteren Fronten ein aufreibender Kampf. Da sind zum einen die IS-Fanatiker. Die „heiligen Krieger“ des „Islamischen Staats“ versuchen mehr und mehr, der Hamas den Rang als vermeintlich entschlossenstem Feind Israels abzulaufen.
Erst am Freitag bekannte sich der IS erstmals zu einem Anschlag auf dem Gebiet des jüdischen Staats. Die Islamisten aus Gaza konterten prompt, sie seien für den tödlichen Angriff auf eine Polizistin in Jerusalem verantwortlich – ein klares Zeichen für den Machtkampf innerhalb der Dschihadisten-Szene.
Zum anderen ist da noch Mahmud Abbas. Der seit Jahren ohne Legitimation regierende Palästinenser-Präsident lässt keine Gelegenheit aus, den ungeliebten „Brüdern“ von der Hamas das Leben schwer zu machen. Seine Fatah wurde 2007 bei einem blutigen Putsch aus Gaza vertrieben. Das hat der 82-Jährige nie vergessen.
Der Zorn führte vor wenigen Tagen sogar soweit, dass Abbas Israel bat, die Stromzufuhr für den Küstenstreifen um 40 Prozent herunterzufahren. Begründung: Die Hamas bleibe der Autonomiebehörde das für die Elektrizität notwendige Geld schuldig. Also müsse man selbst die Zahlungen an Jerusalem kürzen – mit der Folge, dass die notleidende Bevölkerung statt vier nur noch drei Stunden pro Tag Strom nutzen kann.
In großen Teilen Gazas herrscht deshalb zumeist Dunkelheit, Krankenhäuser müssen ihren Dienst drastisch einschränken, Kläranlagen arbeiten selten. Leidtragende des Machtkampfes zwischen Hamas und Fatah sind die Menschen. Ihre Lage wird sich nochmals verschärfen. Dabei haben Armut und Arbeitslosigkeit den Küstenstreifen schon jetzt fest im Griff.
Auch das ist eine Bedrohung für die Herrschaft der Hamas. Denn die Islamisten verlieren weiter an Rückhalt. Die Unzufriedenheit wächst von Tag zu Tag. Und die Menschen machen nicht mehr allein Israel für ihre Situation verantwortlich. Vor wenigen Wochen gingen Hunderte auf die Straße, um ihrem Ärger Luft zu machen. „Wir haben die Schnauze voll“, riefen die verzweifelten Demonstranten.
Die Hamas reagierte auf die Proteste wie sie es immer tut: Sicherheitskräfte prügelten auf die Menschen ein, viele landeten im Gefängnis. Doch mit Gewalt wird sich der Unmut auf Dauer wohl nicht mehr unterdrücken lassen.