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Reibt sich die Augen: Hamburgs Grünen-Chefin Katharina Fegebank.
© REUTERS

Kräftige Zugewinne in Hamburg: Warum die Grünen trotzdem unter ihren Erwartungen blieben

Die Grünen hofften auf einen Sieg. Dann zog die SPD davon – nach einem Appell von CDU und FDP. Eine Analyse.

Robert Habeck hat schon in den Tagen vor der Hamburg-Wahl die Hoffnung aufgegeben, dass den Grünen doch noch die Sensation gelingen kann. Am Freitag ist der Grünen-Vorsitzende zur Fridays-for-Future-Demo nach Hamburg angereist, bei der Zehntausende zusammen mit der Schwedin Greta Thunberg für mehr Klimaschutz auf die Straße gehen.

Habeck unterstützt im Wahlkampfendspurt seine Parteifreundin Katharina Fegebank, die angetreten ist, in der Hansestadt das Amt der Ersten Bürgermeisterin zu erobern. Doch am Rande der Demo erklärt Habeck, warum die 42 Jahre alte Wissenschaftssenatorin es aus seiner Sicht gegen den SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher so schwer hat.

Lange hatte es so ausgesehen, als ob Fegebank eine Chance habe, das Chefbüro im Hamburger Rathaus zu beziehen. Nach dem Baden-Württemberger Winfried Kretschmann wäre sie die zweite grüne Regierungschefin auf Landesebene geworden. In den Umfragen lagen die Grünen auf Augenhöhe mit der SPD, und das ausgerechnet in Hamburg, einer der letzten sozialdemokratischen Hochburgen der Republik. Erst in den letzten Wochen zog die SPD den Grünen davon.

Habeck hat dafür am Wahlabend mehrere Erklärungen parat. Tschentscher habe sehr hohe Vertrauenswerte, in einer „Phase der Verunsicherung“ würden Amtsinhaber gewählt. Diese Erfahrung hatten die Grünen schon bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen machen müssen. So unterschiedlich die Ministerpräsidenten dort waren, konnten sie doch auf den letzten Metern spürbar mobilisieren.

Wählten Konservative SPD, um Grün zu verhindern?

Für die Landes-SPD habe sich ausgezahlt, dass sie Wahlkampf gegen die Bundespartei machte, sagt Habeck. Der Grünen-Chef verweist außerdem darauf, dass CDU und FDP in den Wochen vor der Wahl dazu aufgerufen hätten, eine Grünen-Bürgermeisterin zu verhindern. Eine Strategie, die bei einem Teil der konservativen Wähler verfangen haben und am Wahltag den Sozialdemokraten geholfen haben könnte.

Hinzu kam, dass Tschentscher bei der Ökologie keine Angriffsfläche bot. „Grüner wird’s nicht“, verkündete er selbstbewusst – und brachte seine SPD dazu, noch kurz vor der Wahl gemeinsam mit den Grünen einen Klimaplan zu verabschieden.

Doch die Wahl zeigt auch, dass die Kräfteverhältnisse in Hamburg nicht mehr so eindeutig sind wie früher.

Liegen sich a Wahlabend in den Armen: Katharina Fegebank (r), Zweite Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Grünen, und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende.
Liegen sich a Wahlabend in den Armen: Katharina Fegebank (r), Zweite Bürgermeisterin und Spitzenkandidatin der Grünen, und Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende.
© Daniel Bockwoldt/dpa

Vor fünf Jahren erreichte die SPD noch 45,6 Prozent, die Grünen kamen lediglich auf 12,3 Prozent. Dieses Mal konnten die Grünen ihren Stimmenanteil verdoppeln und damit das zweitbeste Wahlergebnis in der Grünen-Geschichte erzielen, wie Habeck sagt.

Nur der Baden-Württemberger Winfried Kretschmann erhielt 2016 bei seiner Wiederwahl zum Ministerpräsidenten mehr Prozente. In der Altersgruppe der unter 45-Jährigen wurden die Grünen in Hamburg laut Analysen der Forschungsgruppe Wahlen sogar stärkste Kraft.

Fegebanks Entscheidung, den Amtsinhaber herauszufordern, findet Habeck im Nachhinein immer noch richtig. „Die Duell-Situation hat den Grünen genutzt“, ist er überzeugt. Auch weil sie in der Partei den Anspruch gestärkt habe, die Stadt „aus dem Zentrum“ zu führen.

Nicht auf Umfragen ausruhen

Doch für die Bundes-Grünen ist die Hamburg-Wahl gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass sie sich auf Umfragewerten nicht ausruhen können. Zwar liegen diese im Bund seit Monaten stabil bei über 20 Prozent. Doch sollten die Grünen bei der nächsten Bundestagswahl eine Führungsrolle beanspruchen, würde die Partei neu vermessen.

Auf Bundesebene zeichnet sich außerdem ab, was Habeck schon bei der Hamburg-Wahl spürte: dass die Grünen für andere Parteien zum Hauptgegner werden, unter anderem für die Union. Der Wahlkampf, das ahnen die Grünen, wird hart werden.

Die Ausgangslage für den Wahlkampf im Bund sei jedoch eine andere als in Hamburg oder bei den letzten Wahlen, sagt Habeck. Mit Angela Merkels Rückzug als Kanzlerin werde es zum ersten Mal seit 70 Jahren keinen Amtsinhaber-Bonus geben.

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