Streit um Spritpreise in Frankreich: Warum die "Gelbwesten" Macron gefährlich werden könnten
In Frankreich haben Proteste gegen eine Erhöhung der Spritsteuern das ganze Land erfasst. Die Regierung geht gegen die Blockierer vor. Was steckt dahinter?
Am vergangenen Wochenende erhielt Frankreichs Präsident Emmanuel Macron stehenden Applaus im Bundestag, als er seine Ideen zur Weiterentwicklung der Europäischen Union darlegte. Auch am Dienstag präsentierte sich Macron als ambitionierter Europäer, als er während seines Besuchs in Belgien vor 800 Studenten in Louvain-La-Neuve gemeinsam mit Regierungschef Charles Michel über die Zukunft Europas diskutierte.
Aber zu Hause hat der 40-Jährige ein Problem. Seit dem vergangenen Wochenende blockieren aufgebrachte Demonstranten den Straßenverkehr an ständig wechselnden Orten im Land. Der Protest, der sich gegen die geplante Erhöhung der Steuern auf Diesel und Benzin richtet, ging auch am Dienstag am vierten Tag in Folge weiter.
Ein 37 Jahre alter Motorradfahrer erlag am Dienstag seinen schweren Verletzungen, wie aus Justizkreisen verlautete. Er war am Montag in Portes-lès-Valence im Departement Drôme im Südosten des Landes an einem Stau vorbeigefahren, der sich wegen einer Straßensperre der Demonstranten gebildet hatte, und war mit einem Lieferwagen zusammengestoßen, der wegen des Staus wenden wollte.
Die Untersuchungen dauerten noch an, "aber wir haben zwei Menschen, die an Straßensperren gestorben sind", sagte Innenstaatssekretär Laurent Nuñez im Fernsehsender BFM.
Die Regierung will dennoch an der Erhöhung der Spritpreise ab Anfang des kommenden Jahres festhalten, mit der unter anderem der bisherige Steuervorteil für Dieselfahrer abgebaut werden soll. Während Macron die Öffentlichkeit lediglich wissen ließ, es müsse angesichts des Protests der „Gilets Jaunes“ („gelbe Warnwesten“) einen „Dialog“ geben, überließ er seinem Innenminister Christophe Castaner die Räumung der Straßen. Am Dienstag machten Polizisten die Zufahrtsstraßen zu mehreren Treibstofflagern und Raffinerien wieder frei, welche die Demonstranten in den gelben Westen blockiert hatten.
Kraftprobe am kommenden Samstag
Am Wochenende hatten sich landesweit knapp 288.000 Menschen an den Protesten beteiligt. Zu Beginn der Woche flaute der Protest dann aber ab. Wie viel Unterstützung die „Gelbwesten“ noch haben, dürfte sich am kommenden Samstag zeigen, wenn großräumige Blockaden in Paris geplant sind.
Eine klare Organisationsstruktur für die „Gilets Jaunes“ gibt es bislang nicht. Viele der Blockierer nehmen das erste Mal überhaupt in ihrem Leben an einer Demonstration teil. Dies galt auch für eine Rentnerin, deren Teilnahme an einer Straßenblockade in der Nähe von Grenoble ein tödliches Ende fand: Die 63-jährige wurde von einer Autofahrerin überrollt.
Autofahrer wurden von Blockierern rassistisch beleidigt
Politisch lässt sich der Protest nicht klar einordnen. Unterstützung für die „Gilets Jaunes“ gibt es sowohl von der konservativen Oppositionspartei „Les Républicains“ als auch vom rechtspopulistischen Rassemblement National und der radikallinken Partei „Das unbeugsame Frankreich“. Laut Umfragen unterstützen drei Viertel der Franzosen den Protest. Das Image der Blockierer hat sich aber eingetrübt, seit bekannt wurde, dass einzelne Autofahrer von den Demonstranten rassistisch beleidigt wurden.
Die „Gelbwesten“ sind nicht die erste französische Protestbewegung der vergangenen Jahre, die ohne Unterstützung durch die Gewerkschaften auskommt. Im Jahr 2013 blockierten die „Rotmützen“ in der Bretagne die Straßen, nachdem die damalige Regierung des französischen Präsidenten François Hollande eine Ökosteuer auf Lkw einführen wollte.
Ebenfalls während der Amtszeit von Hollande kam es 2016 zu Demonstrationen überwiegend junger Menschen, die mit regelmäßigen abendlichen Versammlungen auf zahlreichen Plätzen im Land unter dem Motto „Die Aufrechten der Nacht“ gegen die geplante Reform des Arbeitsrechts protestierten. Allerdings ist der Protest diesmal nicht nur auf junge Menschen beschränkt. Und anders als im Fall der bretonischen „Rotmützen“ ist er kein regionales Phänomen.
Die „Gelbwesten“ könnten Macron vor allem gefährlich werden, weil sich in ihrem Protest die Spaltung zwischen Stadt und Land abbildet. Von der geplanten Preiserhöhung sind vor allem Pendler auf dem Land oder im Umland größerer Städte betroffen, die nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen können.
Der Streit um die Erhöhung der Spritpreise verdeutlicht die Probleme bei der Verkehrs- und Energiewende. Nach den Planungen der Regierung soll ab 1. Januar ein Liter Diesel um 6,5 Cent teurer werden, für Benzin werden 2,9 Cent mehr verlangt. Die milliardenschweren Einnahmen sollen zum Teil in die Energiewende gesteckt werden. Allerdings fühlen sich viele Autofahrer angesichts der geplanten Maßnahmen als Melkkühe. Zu denen, die sich die gelbe Weste übergezogen haben, gehört der Immobilienmakler Benoit Julou, der pro Jahr 50.000 Kilometer mit dem Auto zurücklegt. Nach Abzug der Spritkosten bleiben ihm pro Monat 1000 Euro vom Gehalt übrig, erzählte er dem Radiosender „France Info“. (mit AFP)