Auslandseinsatz in Afrika: Warum die Bundeswehr keinen Exit-Plan für Mali hat
Der malische Präsident Keïta besucht am Freitag die Bundeskanzlerin. Er wird Merkel wohl um eine Verlängerung des Einsatzes in seinem Land bitten.
Der Unterschied zu ihrer Heimat könnte größer kaum sein. Wenn die deutschen Soldaten ihren Stützpunkt „Camp Castor“ verlassen und ins Land rausfahren, sehen sie: Sand soweit das Auge reicht. Hier in der Sahara, nahe der malischen Stadt Gao am Niger-Fluss, klettern die Temperaturen im Sommer auf über 40 Grad im Schatten, die Hälfte des Jahres fällt nicht ein Tropfen Regen. Kein Truppenübungsplatz in Deutschland kann einen auf solche Bedingungen vorbereiten.
Mali ist zentral für Merkels Afrika-Strategie
Der Bundeswehreinsatz in Mali ist mit bis zu 1450 Soldaten derzeit der größte der deutschen Armee. Am Freitag wird er wieder einmal Thema im Kanzleramt sein. Dann empfängt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den malischen Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta. Sein Land spielt in Berlins Afrika-Strategie eine Schlüsselrolle. Nicht nur ist es ein „Transitstaat“ für Migranten auf dem Weg nach Europa. In der malischen Wüste treiben Schlepper ihr Unwesen. Der Norden ist auch ein Rückzugsgebiet für Islamisten, die aus Sicht der Bundesregierung eine Gefahr für Europa darstellen.
Deshalb will Berlin Keïta dabei unterstützen, sein Land zu stabilisieren – mit Entwicklungshilfe, aber auch militärisch. Seit 2013 ist die Bundeswehr in Mali stationiert, aktuell ist ihr Einsatz in die UN-Mission „MINUSMA“ eingebettet. Das Ziel ist, für eine stabile Waffenruhe in dem bettelarmen Land zu sorgen, vielleicht eines Tages für Frieden – und aus deutscher Sicht vor allem: für weniger Flüchtlinge.
Aktiv kämpfen dürfen die deutschen Soldaten dafür aber nicht. Die Bundeswehr betreibt Feindaufklärung und bietet verbündeten Truppen Transport an. Auch militärische Beratung gehört zu ihrem Auftrag. In der Hauptstadt Bamako bilden Deutsche im Rahmen der EU-Mission „EUTM“ einheimische Sicherheitskräfte aus. Das sei ein „Erfolgskonzept“, heißt es in der Unionsfraktion.
"Keine schnellen Durchbrüche erwarten"
Sicherer ist Mali dadurch jedoch nicht geworden – im Gegenteil: die Gewalt hat in letzter Zeit zugenommen. Islamisten von Al-Qaida und anderen Gruppen greifen UN-Soldaten an, Touareg-Rebellen liefern sich regelmäßig Gefechte mit Regierungstruppen. Ein Ende ist nicht in Sicht. Deswegen gibt es auch keinen Exit-Plan für die Bundeswehr. Wann die Deutschen abziehen, weiß niemand. Klar ist nur: Es kann dauern. „Mali wird auch in fünf bis zehn Jahren kein funktionierendes Staatswesen haben“, meint Tinko Weibezahl von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. „Man sollte keine schnellen Durchbrüche erwarten.“
„Wir brauchen Geduld“, sagt auch Siemtje Möller, stellvertretende verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Auch in der Union dämpft man die Hoffnung auf rasche Erfolge. Agnieszka Brugger, stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, ist sicher: Ohne Bundeswehr und die anderen UN-Truppen wäre die Lage in Mali „weitaus schlimmer“. Damit der Friedensprozess vorankommen könne, müsse „mehr Druck auf alle Konfliktparteien“ gemacht werden, fordert sie. Mit Blick auf den anstehenden Besuch des malischen Präsidenten in Berlin sagt Brugger dem Tagesspiegel: „Angela Merkel muss dringend einfordern, dass der Friedensprozess von allen Seiten nun ohne Wenn und Aber unterstützt werden muss.“
Deutsche Truppen ohne Frankreich hilflos
Bei Union und SPD geht man davon aus, dass Präsident Keïta Merkel am Freitag um eine Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in seinem Land bitten wird. Das Bundestagsmandat dafür läuft Ende Mai aus. Eine Verlängerung ist wahrscheinlich, die große Koalition ist dafür. „Solange die Einladung der malischen Regierung bleibt und die Sicherheit unserer Soldaten gewährleistet ist, sollten wir den Bundeswehreinsatz verlängern“, fordert die SPD-Politikerin Möller.
Den Schutz der deutschen Truppen garantiert vor allem die ehemalige Kolonialmacht Frankreich. „Ohne Frankreich ist Deutschland in Mali weitgehend hilflos“, sagt der Afrikaexperte Weibezahl. Militärisch stießen die Deutschen in dem Wüstenstaat schnell an ihre Grenzen. „Die Franzosen haben mehr Leute vor Ort, mehr Geld zur Verfügung und es gibt zwischen ihnen und der lokalen Bevölkerung kein Sprachproblem.“
Doch selbst mit französischer Hilfe wird Mali wohl in absehbarer Zeit nicht zur Ruhe kommen. Noch nie seit der Unabhängigkeit 1960 hat eine Regierung von Bamako aus das Land vollständig kontrolliert – ein Gebiet mehr als dreimal so groß wie Deutschland, vieles davon Wüste. Ein Paradies für Rebellen, Schmuggler und Menschenhändler. „Die Schlepperindustrie profitiert von den fehlenden staatlichen Strukturen“, sagt Weibezahl.
Ein afrikanisches Afghanistan?
Präsident Keïta dürfte es kaum gelingen, seine Macht überall in Mali zu behaupten – obwohl ihn nicht nur die UN, sondern auch die Nachbarstaaten mit einer 5000 Mann starken Eingreiftruppe unterstützen. Die „Task-Force“ der sogenannten G5-Sahel-Staaten wird auch von der EU finanziert – und von Deutschen ausgebildet.
Im vergangenen Jahr tötete die Truppe im Anti-Terrorkampf zwölf Zivilisten auf einem Marktplatz in der Grenzstadt Boulikessy in Burkina Faso auf. Die Bundesregierung habe seither „vorbeugende Maßnahmen“ in der Ausbildung lokaler Soldaten ergriffen, heißt es in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen. Und: „Die malische Regierung hat in Gesprächen auf Arbeits- und Leitungsebene angezeigt, dass Disziplinarmaßnahmen ergriffen worden seien.“
Trotz der offiziellen Beschwichtigungen zeigt der Vorfall, wie unsicher Merkels Afrika-Strategie ist. Als eine der reichsten Nationen der Erde setzt Deutschland im Kampf gegen die Migration ausgerechnet auf Mali – eines der ärmsten Länder weltweit. In der Unionsfraktion vergleicht man den westafrikanischen Staat bereits mit Afghanistan. Auch dort gebe es unter den Verbündeten immer wieder „Überläufer“ zu den Taliban und anderen Extremisten, heißt es. In Afghanistan ist die Bundeswehr seit 17 Jahren.