G20-Konferenz in Berlin: Warum die Bundesregierung ein falsches Bild von Afrika hat
Von Augenhöhe keine Spur: Wenn die Bundesregierung über Afrika spricht, verrät schon die Wortwahl, was mit der Beziehung nicht stimmt. Ein Kommentar.
Ein Wort darf nicht fehlen, wenn deutsche Politiker über die Beziehungen zu Afrika sprechen: „Partnerschaft“. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte beim „G20 Investment Summit“ am Dienstag in Berlin, wie wichtig ihr die „gleichberechtigte und auf Dauer ausgerichtete Partnerschaft“ mit dem Nachbarkontinent sei. Sie kündigte ein „Entwicklungsinvestitionsgesetz“ an, das mehr deutsche Firmen nach Afrika locken soll – mit dem Ziel, die Armut vor Ort zu bekämpfen.
Von Augenhöhe keine Spur
Von der viel beschworenen Gleichberechtigung sind Deutschland und die Staaten Afrikas allerdings weit entfernt. Das zeigt sich nicht nur in der ungleichen Verteilung des Wohlstands. Wenn die Bundesregierung über ihre Strategien für Afrika spricht, verrät die Wortwahl: Von echter Augenhöhe fehlt jede Spur.
So wünscht sich die Bundesregierung einen „Compact with Africa“ – einen Vertrag mit dem Kontinent. Als könne man mal eben so ein Abkommen mit ganz Afrika abschließen, einem Kontinent mit 55 Staaten, 2000 Sprachen und einer Milliarde Menschen.
Mit drei neuen „Reformpartnerländern“ hat die Regierung am Dienstag Abkommen geschlossen. Die Entwicklungszusammenarbeit mit Senegal, Marokko und Äthiopien soll ausgebaut werden. Die Grundlage ist ein Konzept, das in Deutschland seit der Ära Schröder aus der Sozialgesetzgebung bekannt ist. Es heißt „Fördern und Fordern“.
Die Idee dahinter: Die afrikanischen „Reformpartner“ verpflichten sich zu guter Regierungsführung, und als Belohnung bekommen sie finanzielle Hilfe aus Deutschland. Jeder Hartz-IV-Empfänger verdreht die Augen, wenn er die zwei F-Worte nur hört – schwingt doch immer der Verdacht mit, der Hilfsbedürftige strenge sich nicht genug an.
"Fordern und fördern"
Dem neuen „Reformpartner“ Äthiopien kann man das nicht vorwerfen. Dessen Premier Abiy Ahmed hat das Land seit seinem Amtsantritt im April in atemberaubender Geschwindigkeit umgekrempelt. Er hat 1000 politische Häftlinge entlassen, Frieden mit dem ehemaligen Erzfeind Eritrea geschlossen, sein Kabinett zur Hälfte mit Frauen besetzt – ohne Hilfe aus Europa, aus eigener Kraft. Den „äthiopischen Obama“ nennen ihn manche. Ausgerechnet ihn glaubt die Bundesregierung großzügig „fördern und fordern“ zu müssen – und feiert sich selbst dafür.
Auch das Lieblingsprojekt von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat ein Problem mit dem „wording“. Es heißt „Marshallplan mit Afrika“. Ursprünglich war es mal als Plan „für“ Afrika konzipiert, was aber dann offenbar doch zu paternalistisch klang. Das Projekt soll für Wohlstand, Frieden und Demokratie im Süden sorgen. Alles richtige Anliegen. Warum Müller aber den historisch schiefen Vergleich zum ursprünglichen US-„Marshallplan“ für Europa bemüht, versteht kein Mensch.
Man wolle in Zukunft nicht mehr nur über, sondern auch mit Afrika reden, versprach Merkel bei dem Berliner G-20-Gipfel. Höchste Zeit, dass die Bundesregierung dabei auch überprüft, was sie selbst für Worte dafür nutzt.