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Verteidigungsministerin und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer.
© imago images/Bildgehege

Rechtsextremismusverdacht gegen Robert Möritz: Warum die Bundes-CDU beim Fall Uniter so herumeiert

Robert Möritz ist bis hinauf in die Bundes-CDU eine heikle Person. Nun zeigen sich auch Verbindungen zum mutmaßlich rechtsextremen Netzwerk in der Bundeswehr.

Wolfgang Schäuble kann, wenn er will, ziemlich wolkig formulieren. Am Dienstagmorgen tut er es nicht. „Mit Neonazis können demokratische Parteien – und insbesondere die Partei, der ich angehöre – nichts zu tun haben“, sagt der Bundestagspräsident. Und damit es auch wirklich jeder Zuschauer beim „Frühstart“ von RTL und n-tv versteht, schiebt der CDU-Senior hinterher: „Da gibt es keine Kompromisse.“

Als direkten Wink zum Umgang mit dem CDU-Funktionär Robert Möritz in Sachsen-Anhalt will Schäuble das zwar nicht verstanden wissen – er kenne Möritz nicht und den Fall auch nicht gut. Doch wenn er gewollt hätte, hätte er sicher noch ein paar Sätze über Reumütigkeit und Leute, die sich von einer rechtsextremen Gesinnung lossagen, unterzubringen gewusst. Auch das will er aber offenkundig nicht.

Um so ausführlicher hat dies dafür am Vorabend der CDU-Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig getan. In einer SMS an alle Landesverbände folgten auf die grundsätzliche Feststellung „Nazis haben keinen Platz in der @CDU“ und die Mahnung an alle, das sicherzustellen, unter „zweitens“ bis „fünftens“ das Lob der Läuterung. Jeder Mensch habe das „Recht auf Erkenntnis und Besserung“, ihm das zuzugestehen entspreche den Grundwerten der CDU, und die Prüfung des Einzelfalls geschehe „am besten aus nächster Nähe vor Ort, denn dort kennt man die betroffenen Menschen“.

Doch vorsichtshalber fügte Hennewig hinzu: „Selbst dann kann es im Einzelfall noch zu Fehleinschätzungen kommen, die dann schnell und unnachgiebig zu Konsequenzen führen müssten.“ Genau in diesem Punkt liegt im Einzelfall Möritz ein zentrales Problem. Der CDU-Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld hat seinem 29jährigen Mitglied einstimmig die Absolution erteilt; er habe sich „glaubwürdig“ von der Neonazi-Szene distanziert.

Aber nicht nur der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz fragt sich, ob da nicht bestenfalls leichtgläubig geurteilt wurde. Bei der Frage, ob Möritz eine zweite Chance verdient habe, gehe es nicht in erster Linie um den Auftritt als Ordner bei einer Neonazi-Kundgebung vor acht Jahren, twitterte Polenz, „sondern um die Uniter-Mitgliedschaft bis vorgestern“.

Es gibt noch weitere Fälle

Tatsächlich rückt der klandestine Verein zusehends ins Zentrum der Affäre. Denn nicht nur Möritz war dort bis zu seinem eiligen Austritt am Sonntag Mitglied. Weitere Mitglieder der sachsen-anhaltischen CDU gehören offenbar dazu. Kai Mehliß, wie Möritz zugleich Mitglied des sogenannten „Konservativen Kreises“ der CDU, soll nach einem „Spiegel“-Bericht ein Treffen der Verbindung im sachsen-anhaltischen Bernburg organisiert haben. Tagesspiegel-Recherchen in internen Facebook- Gruppen führen zudem zu mindestens drei weiteren CDU-Mitglieder und Funktionären aus Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, die sich dem umstrittenen Verein zugehörig fühlen.

Und ein Reporter des RND stieß im Vereinsregister des Amtsgerichts Stendal auf einen CDU-Mann direkt aus dem Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Theo Schöpfel aus Brehna sei bei der „Uniter“-Gründung in Halle 2012 sogar zum zweiten Vorsitzenden gewählt worden, berichtet die Zeitungsgruppe. Dritter Vorsitzender wurde damals André S. aus Halle, der sich in internen Chatgruppen „Hannibal“ nennt und unter Rechtsextremismusverdacht steht. Insgesamt waren damals drei der fünf Vorstandsposten mit Vertretern aus Sachsen-Anhalt besetzt.

Ob Schöpfel noch Mitglied ist, ist unklar. Was „Uniter“ genau treibt, ist auch unklar. Auf der Homepage des Vereins ist von der Förderung von „Sicherheit und Stabilität“ die Rede, dazu von vielen hehren Dingen wie Rechtstaatlichkeit und Toleranz, aber auch von der Pflicht aller Mitglieder zu strikter Verschwiegenheit. Die Sicherheitsbehörden argwöhnen, dass sich hinter diesem Stillschweigen Verbindungen zur rechtsextremen und zur militanten Prepper-Szene verbergen.

Jedenfalls hatte es „Uniter“ eilig, Möritz ziehen zu lassen: Man habe, obwohl die Satzung eine Kündigung mit Drei-Monats-Frist vorschreibt, dem Wunsch des CDU-Kreisvorständlers „mit Blick auf sein öffentliches Amt“ unverzüglich stattgegeben, erklärte das Präsidium der dpa.

Außerdem würden nach der Satzung keine extremistischen Einstellungen geduldet: „Einem diesbezüglichen möglichen Ausschlussverfahren durch den Uniter e.V. ist Herr Möritz entsprechend zuvorgekommen.“[Was waren die wichtigsten News des Tages? Was soll ich in der Flut an Texten heute Abend auf der Couch lesen? Was kann man abends in Berlin unternehmen? Und gibt es eine gute Zahl, mit der ich beim Kneipentalk glänzen kann? All diese Fragen beantwortet unser neuer Tagesspiegel-Newsletter. Neugierig? Dann können Sie sich hier kostenfrei anmelden.]

Dass die obskure Truppe dem Ex-Mitglied das Misstrauen erklärt, mag taktische Gründe haben – lässt die bisherigen Loyalitätsbekundungen des eigenen Landesverbands für Möritz allerdings in einem doppelt schrägen Licht erscheinen. Am Dienstag äußerte sich erstmals Ministerpräsident Rainer Haseloff zu dem Vorgang. „Ohne Wenn und Aber: Hakenkreuze und CDU geht gar nicht“, sagte der CDU-Spitzenpolitiker der „Mitteldeutschen Zeitung“. Was der Satz für den Fall Möritz bedeutet, darüber wollte Haseloff nicht reden. Er verwies nur auf die Krisensitzung der Landesparteigremien am Donnerstag.

Zu Wort, wenn auch hinter verschlossenen Türen, meldete sich erstmals auch die Bundesvorsitzende. Nazis hätten in der CDU keinen Platz, erklärte Annegret Kramp-Karrenbauer in der Sitzung der Unionsfraktion. Teilnehmer verzeichneten starken Beifall. Auch die Parteichefin ließ aber nicht erkennen, was das für den weiteren Umgang mit Möritz heißt. Der Fall ist für sie heikel. Als Angela Merkel 2003 den Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann wegen seiner „Tätervolk“-Rede aus der Fraktion verbannte, war Merkel als Fraktionschefin zuständig. Ein offenes Eingreifen der Bundesvorsitzenden in den Landesverband wäre ein harter Affront. Aber je länger das Verfahren in der Schwebe bleibt, desto drängender wird die Frage.

Auch andere drängen. Die schwarz- rot-grüne Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt ist durch den Fall noch fragiler geworden als vorher schon. Der SPD-Landesvorstand hat am Montagabend warnend darauf hingewiesen, dass der Einsatz „gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ die Geschäftsgrundlage des Bündnisses sei: „Wir erwarten, dass die CDU dafür glaubhaft einsteht“, heißt es in einem einstimmigen Beschluss.

Möritz selbst stellt sich derweil als Opfer linker Umtriebe dar. In einem Statement, das er über die sozialen Medien verbreitete und das dem Tagesspiegel vorliegt, schrieb er: „Die politischen Gegner meiner CDU versuchen mit allen Mitteln unsere Partei, den Konservativen Kreis und in Teilen unsere Mitglieder zu beschädigen.“ Das seien „typische Methoden von Diktaturen“. Parteifreund Kai Mehliß ergänzte: „Die Linken kennen keine Grenzen mehr.“

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