zum Hauptinhalt
Kevin Kühnert, Juso-Chef
© dpa/Andreas Arnold

Wenige Bewerbungen, viel Taktik: Warum das Rennen um den SPD-Vorsitz stockt

Noch gibt es kaum offizielle Anwärter auf die SPD-Spitze. Doch das könnte sich bald ändern – es könnte reichen, dass sich einer aus der Deckung wagt.

Karl Lauterbach und Nina Scheer schreiben in ihrem „Bewerbungsschreiben“, der SPD-Parteivorsitz sei ein Amt, das viele Bewerber verdiene. „Dieses Amt ist es wert wie kaum ein anderes, sich darum zu bewerben.“ Doch außer den beiden Politikern vom linken Flügel, der eine Gesundheitsexperte, die andere Umweltexpertin und Tochter des Solarpioniers Hermann Scheer, gibt es bisher nur eine weitere Bewerbung für die Nachfolge der zurückgetretenen SPD-Chefin Andrea Nahles.

Die stammt vom Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth, zusammen mit der früheren NRW-Familienministerin Christina Kampmann. „Wir wollen eine SPD, die mitten im Leben steht und auf der Höhe der Zeit ist", versprechen die zwei.

Das einst „schönste Amt neben Papst“ (Franz Müntefering) zieht zumindest bisher aber nicht die erste Reihe an. Es ist aber auch viel Taktik dabei. Klar ist, dass ausgerechnet der Vizekanzler und dienstälteste Vizevorsitzende Olaf Scholz nicht antreten will – er sieht zeitliche Probleme, das mit der Regierungsarbeit zu vereinbaren.

Man weiß, dass Familienministerin Franziska Giffey nachdenkt, Generalsekretär Lars Klingbeil ebenso. Gehandelt werden auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und Außenminister Heiko Maas. Die frühere Präsidentin der Europa-Universität Viadrina Gesine Schwan hat auch ihre Bereitschaft hinterlegt. Juso-Chef Kevin Kühnert pokert noch. Da das erklärte Ziel der Übergangs-Parteichefs Thorsten Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig und Malu Dreyer eine Doppelspitze ist, werden vor allem Tandem-Bewerbungen erwartet.

Läuft es am Ende wie im Fußball?

Spannend dürfte es werden, wenn ein Paar antritt, das den Ausstieg aus der großen Koalition zum Wahlziel Nummer eins erklärt. Der frühere SPD-Chef Sigmar Gabriel, der bei allem Ärger über seine Alleingänge von 2009 bis 2017 die längste Amtszeit seit Willy Brandt hingelegt hat, ist zunehmend fassungslos, wie die Nachfolgesuche läuft. „Ich sehe das mit großer Verzweiflung und auch wachsendem Zorn, wie der Vorsitz der SPD fast schon wie ein infektiöses Kleidungsstück behandelt wird, das sich niemand ins Haus holen will“, sagte er der „Bild am Sonntag“ auf einer Zugfahrt. Die SPD brauche gerade jetzt Leute, „die für nichts anderes brennen als dafür, die SPD nach 160 Jahren nicht verschwinden zu lassen“.

Aber noch ist ja Zeit, wird im Willy-Brandt-Haus beruhigt. Und ähnlich wie im Transfermarkt in der Fußball-Sommerpause, könnte eine Kandidatur der ersten Reihe schnell zu Dominoeffekten führen. Bis zum 1. September, 18 Uhr läuft die Bewerbungsfrist.

Spannend wird sein, wie sich ein womöglich schlechter Wahlausgang bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen am gleichen Tag auswirken wird – das könnte nochmal Aufwind für die Kritiker der Koalition geben. Wahrscheinlich vom 4. September bis zum 12. Oktober folgt der Wettstreit der Kandidaten auf Regionalkonferenzen, bisher sind 23 geplant.

Alle bis zum 16. September eingetretenen Mitglieder können anschließend bei der Mitgliederbefragung mitmachen. Zum Stichtag 30. Juni hatte die SPD 426.352 Mitglieder. Vom 14. bis 25. Oktober können die Mitglieder online oder per Brief die Favoriten bestimmen. Am 26. Oktober wird das Ergebnis veröffentlicht. Gibt es für kein Tandem oder Einzelbewerber eine absolute Mehrheit, erfolgt im November eine zweite Mitgliederbefragung zwischen Platz 1und Platz 2.

Beim Bundesparteitag vom 6. bis 8. Dezember müsste für eine Doppelspitze zunächst die Satzung geändert werden, anschließend sollen die Delegierten die neue Parteispitze bestätigen – eine Wahl nur durch die Mitglieder ist nicht möglich, da das deutsche Parteiengesetz besagt, dass Parteispitze und Vorstand alle zwei Jahre von einem Bundesparteitag zu wählen sind.

Zur Startseite