Der Software-Milliardär im Visier: Warum Bill Gates zum Feindbild der Corona-Verschwörungstheoretiker wurde
Aktuell wird viel fantasiert über eine Gesundheitsdiktatur des Milliardärs. Woher kommen diese Theorien? Und was macht die Gates-Stiftung wirklich?
Die Coronakrise bringt neben allerlei sozialen und wirtschaftlichen Einschränkungen auch ein weiteres Phänomen mit sich: ein Aufblühen von Verschwörungstheorien. Ein Ziel dabei ist unter anderem Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates.
Die Hauptlegende, die sich dabei um Gates spinnt, ist, dass er Covid-19 selbst erfunden habe, um dann einen Impfstoff zu erfinden und davon zu profitieren. In den USA werden diese Theorien zum Teil auch durch konservative TV-Moderatoren und Impfgegner öffentlich befeuert, seit Januar verbreiten sich wilde Gerüchte über Gates in den sozialen Medien der USA.
In den Vereinigten Staaten steht Gates unter anderem deswegen im Feuer, weil er der Trump-Administration Versäumnisse im Kampf gegen das Virus vorwirft. "Gar keine Frage, die Vereinigten Staaten haben die Gelegenheit verpasst, sich gut auf das Coronavirus vorzubereiten", schrieb Gates Ende März in der "Washington Post".
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"Die Entscheidungen, die unsere Anführer jetzt treffen, werden enorme Auswirkungen darauf haben, wie bald die Fallzahlen sinken, wie lange die Wirtschaft im Shut-Down bleibt und wie viele Amerikaner einen geliebten Menschen wegen Covid-19 werden begraben müssen." Gates habe dabei die Rolle eingenommen, die auch ungarische Milliardär George Soros innehatte, schreibt die New York Times - als Feindbild der Rechten, verbunden mit eben absurden Verschwörungstheorien.
Aber wie kommt es zu diesen Theorien, warum wird einer wie Bill Gates zum Feindbild?
Bill Gates, dessen Vermögen auf etwa 100 Milliarden Dollar geschätzt wird, gründete mit seiner Frau Melinda im Jahr 2000 die aktuell größte gemeinnützige Stiftung der Welt mit einem Vermögen von 47 Milliarden US-Dollar (2018) - die "Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung". Das Stiftungsvermögen setzt sich auch aus Geldern anderer superreicher Philanthropen zusammen, etwa von Investor Warren Buffett. Der Stiftung geht es dabei unter anderem um die Ausrottung verschiedener gefährlicher Infektionskrankheiten.
2014 gab die Stiftung 500 Millionen Dollar für den Kampf gegen Infektionskrankheiten
So setzte die Stiftung im Jahr 2014 beispielsweise 500 Millionen Dollar dafür ein, um unter anderem Malaria, Durchfallerkrankungen und Lungenentzün dungen zu bekämpfen. Dabei kommen die Zuwendungen häufig in Entwicklungsländern zum Einsatz.
2018 wurden laut Steuererklärung mehr als vier Milliarden US-Dollar an Zuschüssen gezahlt, ein Großteil für Impfprogramme. „Impfungen waren eine unserer ersten Investitionen, denn sie schützen alle Kinder, unabhängig davon, wie arm oder reich sie sind“, zitiert die Globale Impfallianz Gavi Gates.
Die Allianz rief die Gates-Stiftung selbst ins Leben - und sie hat bislang etwa vier Milliarden US-Dollar in Impfprogramme für mehr als 760 Millionen Kinder gesteckt. Die Gates-Stiftung gehört auch zu den Mitgründern des Cepi-Netzwerks zur Entwicklung neuer Impfstoffe. Mehr als drei Milliarden US-Dollar hat sie zudem seit 2001 an den Globalen Fonds überwiesen, der gegen Aids, Malaria und Tuberkulose kämpft. Auch ist sie einer der größten Geber der Weltgesundheitsorganisation WHO.
Auch bei der Geberkonferenz der EU war die Stiftung dabei
Derzeit setzt sich die "Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung" auch für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das Coronavirus ein. So waren sie zuletzt auch Teil der von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einberufenen Geberkonferenz, die Gelder für die Entwicklung von Tests, Medikamenten und Impfstoffen gegen Covid-19 sammelte. Dabei sagte die Stiftung 125 Millionen US-Dollar zu, insgesamt investierte die Stiftung nach eigenen Angaben inzwischen etwa 300 Millionen Euro für den Kampf gegen das Coronavirus.
Nach eigenen Angaben finanziert die Stiftung acht Projekte zur Suche nach einem Serum. An diesen sind Universitäten und Forschungseinrichtungen ebenso beteiligt wie die Pharmaindustrie. Gewinnabsichten verfolgt die Stiftung also nicht. Eventuelle Gewinne, die über die Anlagen des zur Stiftung gehörenden Trusts erwirtschaftet würden, fließen in die gemeinnützige Arbeit.
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Die Stiftung will also, auch das ein beliebter Vorwurf an Gates, sich durch die Entwicklung eines Impfstoffes nicht bereichern. Gavi-Geschäftsführer Seth Berkley forderte kürzlich in einem epd-Interview sogar, ein Impfstoff gegen Covid-19 müsse zunächst ohne Gewinnabsicht bereitgestellt werden. Erst nach Ende der Krise dürften Pharmaunternehmen damit Gewinn erzielen.
Grundsätzlich verfolgen Gavi und die Gates-Stiftung marktwirtschaftliche Ansätze unter Einbeziehung privater Geber und gewinnorientierter Unternehmen. Dagegen gibt es Kritik. So entscheiden Pharmaunternehmen bei Gavi darüber mit, wie viel die Impfallianz und betroffene Länder pro Impfdosis zahlen. Gavi verteidigt das Vorgehen damit, dass so die effizienteste Lösung gefunden wird. Tatsächlich zahlt Gavi pro Impfdosis wenig, garantiert der Industrie aber hohe Abnahmen.
Bereits 2015 warnte Gates vor einer weltweiten Pandemie
Die Bekämpfung von Krankheiten und die Sorge um eine weltweit ausbrechende Pandemie begleiten Gates dabei schon lange. Bereits 2015 warnte er in einem TED-Talk davor, dass dies passieren könne - und man sich darauf richtig vorbereiten müsse.
Dieses Engagement, sich auch und gerade für die Entwicklung von Impfstoffen einzusetzen, ruft die Verschwörungstheoretiker auf den Plan: Verbreitete Thesen sind hier, dass Gates beispielsweise die Weltbevölkerung reduzieren und eine Gesundheitsdiktatur errichten wolle, Gesundheitspolitiker und Virologen ihm hörig seien oder er Menschen durch Impfungen Mikrochips zur Überwachung unter die Haut pflanzen wolle - Theorien die ins Reich krudester Verschwörungstheorien gehören.
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Ein großer Einfluss der Stiftung ist dabei natürlich nicht abzustreiten, durch ihre Milliardenzuwendungen hat sie einen großen Einfluss auf die globale Gesundheitspolitik. Entscheiden, was bei Gavi, dem Globalen Fund oder gar der WHO geschieht, kann sie aber nicht. Sie muss sich mit anderen Gebern, vor allem Regierungen, abstimmen. Kritiker, die den wachsenden Einfluss auch anderer Philanthropen vermindern wollen, sehen nur eine Alternative: Staaten müssten ihre Zuwendungen an Organisationen wie die WHO erhöhen. Derzeit ist das Gegenteil der Fall. Die USA kündigten zuletzt an, ihre Zahlungen an die WHO einzustellen. (mit epd)