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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU)
© Peter Kneffel/dpa

Unions-Kanzlerkandidatenpoker um Söder: Wäre Schwarz-Grün denkbar?

Laut Umfragen gilt Markus Söder als aussichtsreichster Kanzlerkandidat der Union. Wäre der CSU-Chef den Grünen vermittelbar? Eine Analyse.

Es ist keine lange Zeitreise nötig, um den erstaunlichen Wandel von Markus Söder nachvollziehen zu können. Im Sommer 2018, knapp ein Jahr nach der Bundestagswahl, gab der CSU-Mann noch den Scharfmacher. Als bayerischer Ministerpräsident heizte Söder den Streit zwischen CSU und CDU über Angela Merkels Flüchtlingspolitik an, sorgte mit polarisierenden Begriffen wie „Asyltourismus“ für Krawall.

Zwei Jahre später ist aus dem Provokateur Söder der Staatsmann geworden, der spaltende Begriffe vermeidet. Viele Deutsche trauen ihm mittlerweile sogar das Kanzleramt zu, laut Umfragen wäre Söder momentan der aussichtsreichste Kanzlerkandidat, den CDU und CSU aufbieten können.

Sein Platz sei in Bayern, sagt Söder

Noch weicht Söder aus, wenn er nach seinen Ambitionen gefragt wird. Sein Platz sei in Bayern, sagt er dann. Die CDU sei immer die Kanzlerpartei gewesen, deshalb habe sie auch das erste Zugriffsrecht.

Dennoch gibt es auch in den Reihen der CDU etliche, die ihn gerne als Merkels Nachfolger sähen. Lieber auf jeden Fall als einen der drei offiziellen Anwärter auf den CDU-Vorsitz: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidenten Armin Laschet, den Außenpolitiker Norbert Röttgen oder den Sauerländer Friedrich Merz.

Aus dem schlechten Wahlergebnis hat der CSU-Mann gelernt

Söders Rollenwechsel hat auch etwas damit zu tun, dass er aus der bayerischen Landtagswahl im Herbst 2018 seine Lehren gezogen hat. Dass seine Partei einen zermürbenden Streit mit der Schwesterpartei CDU über die Flüchtlingspolitik angezettelt hatte, bekam ihr nicht gut.

Die CSU erzielte ein historisch schlechtes Ergebnis, etliche Wähler wechselten zu den Grünen. Sei es, weil die CSU aus ihrer Sicht nicht mehr ausreichend für christliche Werte stand oder auch, weil sie dem Klimaschutz höhere Dringlichkeit verleihen wollten.

Strategisch hat Söder seitdem die Grünen als Hauptgegner identifiziert, nicht nur in Bayern, auch im Bund. Der CSU-Mann setzt seine Energie nicht mehr darauf, der AfD durch harte Sprüche Konkurrenz zu machen. Stattdessen lässt Söder, Profi der politischen Inszenierung, sich im Hofgarten vor der Staatskanzlei fotografieren, wie er einen Baum umarmt.

In der Landespolitik übernahm er Forderungen des Volksbegehrens zum Artenschutz und startete ein Förderprogramm für Photovoltaik – eine langjährige Grünen-Forderung. Beim virtuellen CSU-Parteitag in diesem Frühjahr sagte er, eine noch größere Gefahr als Corona sei der Klimawandel.

Lockerungsübungen für Schwarz-Grün?

Solche Äußerungen als Vorbereitung für eine schwarz-grüne Koalition im Bund zu werten, gewissermaßen als Lockerungsübung, wäre allerdings auch verkehrt. Es ist eher der Versuch, der Partei ihr Kernthema streitig zu machen – oder zumindest in Ökofragen keine programmatische Leerstelle aufzuweisen.

Schließlich hat Söder erkannt, dass es keineswegs sicher ist, dass die Union ihre guten Umfragewerte halten kann. Diese seien in der aktuellen Situation vor allem der Bundeskanzlerin geschuldet, analysiert er.

Das Grünen-Führungsduo Annalena Baerbock und Robert Habeck
Das Grünen-Führungsduo Annalena Baerbock und Robert Habeck
© Kay Nietfeld/dpa

Und die Grünen? Sind insgeheim froh, dass in diesem Sommer vor allem darüber spekuliert wird, wer der nächste Kanzlerkandidat der Union werden könnte, und nicht mehr, ob Grünen-Chefin Annalena Baerbock oder ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck für diese Aufgabe geeignet wäre. Ohne das ständige Vermessen-Werden kann das Grünen-Duo am inhaltlichen Profil arbeiten, das in Zeiten der Pandemie noch einmal neu justiert wurde.

Bei Corona sind die Grünen eher auf Söder-Linie

Manche Grüne stellen in diesen Tagen irritiert fest, dass sie in der Corona-Politik eher auf Söder- als auf Laschet-Linie sind. Sie fordern, die beschlossenen Regeln zur Eindämmung des Virus durchzusetzen, nach bundesweit einheitlichen Standards. Aufmerksam wird in der Partei registriert, dass der CSU-Chef das Nein des Verkehrsministers zu einem Tempolimit auf Autobahnen kassierte, das Grünen-Chef Habeck als erste Maßnahme einer Regierung mit Beteiligung der Grünen genannt hatte.

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Das heißt noch lange nicht, dass Schwarz-Grün unter einem Kanzler Söder eine einfache Angelegenheit wäre. Viele Spitzen-Grüne haben noch allzu gut in Erinnerung, dass die Jamaika-Sondierungen nach der letzten Bundestagswahl nicht nur an der FDP scheiterten, sondern dass es immer wieder zu massiven Konflikten zwischen Grünen und der CSU kam.

Es bleiben große Differenzen zwischen Union und Grünen

Selbst wenn Söder sich ein Tempolimit abhandeln lassen würde, blieben immer noch große Differenzen, sei es in der Verkehrs- oder der Agrarpolitik. Und auch wenn die Union zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise das Dogma der schwarzen Null in der Haushaltspolitik aufgegeben hat, heißt das noch lange nicht, dass sie bereit wäre, die umfangreichen Ausgabenwünsche der Grünen in der Sozialpolitik zu finanzieren.

Die Grünen-Chefs wissen, dass sie mit jedem der Unions-Kandidaten klarkommen müssten, wenn sie in die Regierung wollen. Merz als Polarisierer würde es ihnen im Wahlkampf einfacher machen als der neue Söder. In Koalitionsverhandlungen aber wäre schon nicht mehr ganz so wichtig, wer bei CDU und CSU das Rennen macht. Anstrengend wird es so oder so.

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