Kritik an Spahns Vorgehen in der Maskenaffäre: War die wochenlange Anhörung der Abgeordneten überflüssig?
Der Deutsche Journalisten-Verband wirft dem Minister vor, die Transparenz bei Geschäften mit Covid-Schutzausstattung verzögert zu haben – mit einem Trick.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat nach Ansicht des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) in der Maskenaffäre der Union Informationen gegenüber der Öffentlichkeit zeitweilig zurückgehalten und damit die Aufklärung verschleppt. Grund für die Kritik ist der Umstand, dass Spahn nach Anfragen aus Presse und Parlament zunächst wochenlang eine Anhörung unter betroffenen Abgeordneten durchgeführt hat, ehe er deren Namen erstmals öffentlich machte.
Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall wirft dem Politiker deshalb eine „Verzögerungstaktik“ vor. „Eine Anhörungspflicht betroffener Bundestagsabgeordneten gibt es nicht“, sagte Überall dem Tagesspiegel. Er verwies dazu auf den verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruch der Presse, die entsprechende Anfragen an das Ministerium gerichtet hatte.
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Zwar seien bei einer Informationserteilung über die Parlamentarier „schutzwürdige Belange“ zu beachten. Das schriftliche Anhörungsverfahren sei dafür aber entbehrlich gewesen. „Beim Thema Schutzmasken hat das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auf jeden Fall Vorrang“, so Überall.
Anfang März waren verschiedene Fälle bekannt geworden, in denen sich Unionsabgeordnete im Nebenjob an Geschäften mit Covid-Schutzausrüstung bereichert haben sollen. In diesem Zusammenhang richteten Medien und Oppositionspolitiker Fragen an Spahn, welche Abgeordnete sich mit entsprechenden Anliegen an sein Ministerium gewandt hätten. Statt sogleich Auskünfte zu erteilen, kündigte Spahn „Transparenz in einem geordneten Verfahren“ an.
Namen veröffentlichte das Gesundheitsministerium erst Ende April
Mitte März begann das Ministerium dann mit der Versendung von Schreiben, in denen nach dem Einverständnis der Parlamentarier gefragt wurde. Die Übersicht mit den Namen betroffener Abgeordneter und Unternehmen veröffentlichte das Ministerium erst Wochen später Ende April.
Ähnlich ging Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vor. Auch er hatte Namen von Abgeordneten, die sich im Zusammenhang mit Geschäftsinteressen zu Covid-Schutzprodukten an ihn gewandt hatten, erst nach einer Anhörung öffentlich gemacht. Aus Sicht des Journalistenverbands sollte mit diesem Handeln von Spahn und Altmaier lediglich Zeit gewonnen werden. Es hinterlasse „den Eindruck, dass Gras über die Maskendeals wachsen soll“, sagte der DJV-Vorsitzende Überall.
In einer Antwort auf eine parlamentarische Linken-Anfrage (Drucksache 19/28559) verweist die Regierung darauf, die Bundestagsverwaltung halte „diese Einbindung der Abgeordneten für einen notwendigen Schritt, um ein rechtssicheres Vorgehen zu erzielen“.
Die Bundestagsverwaltung bestreitet dies jedoch auf Anfrage: Sie hat gegenüber dem Gesundheitsministerium lediglich deutlich gemacht, dass die Herausgabe mindestens dann „rechtlich unbedenklich“ erscheine, wenn eine Einwilligung der Mandatsträger vorliege.
Dafür extra ein Anhörungsverfahren durchzuführen, hat sie nicht verlangt. Vielmehr, so ein Sprecher, habe man „unterstrichen, dass die Handhabung dieser Angelegenheit allein in der Verantwortung des Gesundheitsministeriums liegt“.
Das Bundesgesundheitsministerium will auf Anfrage zur Kritik des DJV keine Stellung nehmen. Mit der Liste Ende April hatte es ein Gutachten des von Spahn beauftragten Augsburger Rechtswissenschaftlers Matthias Rossi veröffentlicht, der das Anhörungsverfahren für „unerlässlich“ hält. Grund: Hier seien Dritte von Presseauskünften betroffen, nicht nur die Behörde selbst.
Das Gutachten ging bis zum Kanzleramt – es könnte die Arbeit der Presse erschweren
Spahn hatte allerdings schon am 14. März verbreiten lassen, dass er eine Erlaubnis der Abgeordneten einholen werde; Rossi wurde erst am 17. März mit Erstellung des Gutachtens und Begleitung des Verfahrens beauftragt.
Offenbar hatte Spahn die Entscheidung über sein Vorgehen zuvor schon ohne den Rat des Juristen getroffen; dieser hat sie nur im Nachhinein bestätigt. Auf Anfrage verwies Rossi auf das Ministerium, das jedoch bisher keine näheren Informationen dazu erteilen möchte.
Das Gutachten des Augsburger Rechtsprofessors ist später an das Bundeswirtschaftsministerium gegeben worden und von dort zum Kanzleramt gelangt. Weshalb, ist unklar. Ob die im Gutachten vertretenen Ansichten im Kanzleramt geteilt werden, wollte ein Regierungssprecher nicht sagen.
Die darin wiedergegebene Position könnte aber auf eine Vielzahl von Medien-Recherchen bei Kanzleramt und Ministerien übertragen werden und die Freigabe von Informationen künftig deutlich verzögern.
Fragen wirft zudem eine Passage im Rossi-Gutachten auf, wonach es bei Presse-Auskunftsansprüchen in der Rechtsprechung „klargestellt“ sei, dass Drittbetroffenen vor der Freigabe von Informationen stets rechtliches Gehör zu gewähren sein soll. In der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts findet sich eine solche Klarstellung bisher nicht.
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