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Die europäische Polizeibehörde Europol warnt vor neuen Anschlägen der Terrororganisation Islamischer Staat in Europa in naher Zukunft.
© AFP

Warnung von Europol: Wann schlägt der Islamische Staat als nächstes zu?

Die Terrormiliz IS erleidet Verluste in Syrien und dem Irak. Damit nimmt die Gefahr von Anschlägen in Europa zu. Dutzende Terroristen könnten schon in Europa sein.

Der Ton ist technisch und wirkt doch düster. Es seien in der Europäischen Union nicht nur weitere Angriffe islamistischer Terrorgruppen und Einzeltäter nach dem Muster bisheriger Anschläge zu erwarten, sondern auch „neue Varianten, zum Beispiel der Einsatz von Autobomben“, warnt die europäische Polizeibehörde „Europol“. Als Ziele nennt Europols „European Counter Terrorism Centre“ in einer aktuellen Studie vor allem Frankreich, Belgien, Deutschland, die Niederlande und Großbritannien. Der Report belege eine anhaltend hohe Bedrohung, sagt Europol-Chef Rob Wainwright. Der Brite mahnt die EU-Mitgliedsstaaten, der Gefahr sei nur durch eine bessere Kooperation im Kampf gegen den Terror zu begegnen.

Am wahrscheinlichsten sind aus Sicht der Experten weitere Angriffe der Terrormiliz „Islamischer Staat“ auf Zivilisten wie in Paris am 13. November 2015, in Brüssel am 22. März 2016 und in Nizza am 14. Juli. In Paris starben beim Angriff von Dschihadisten, die schossen und Sprengstoffwesten zündeten, 130 Menschen. Bei der Attacke von Selbstmordattentätern auf den Brüsseler Flughafen Zaventem und eine U-Bahnstation in der City wurden 35 Menschen ermordet. In Nizza raste ein IS-Sympathisant mit einem Lkw über die Promenade des Anglais und tötete 86 Passanten. Europol fürchtet, diese Anschläge, die weltweit Entsetzen auslösten, würden nun noch übertroffen.

Schon die Täter in Paris und Brüssel hätten ursprünglich Angriffe mit Fahrzeugen voller Sprengstoff geplant, heißt es in dem Papier. Solche Anschläge haben Islamisten bislang in Europa nicht verübt, doch Europol hält die „Erforschung neuer modi operandi“ für ein „Kennzeichen des IS“. Die Behörde erwartet allerdings nicht nur Attacken mit Autobomben, sondern auch Entführungen zur Freipressung inhaftierter Islamisten - und den Einsatz von chemischen sowie biologischen Kampfstoffen.

Der IS habe Senfgas in Syrien eingesetzt und sei vermutlich in der Lage, die Chemiewaffe selbst zu produzieren, heißt es. Nicht erwähnt wird allerdings, dass internationale Sicherheitskreise inzwischen sogar vermuten, die Terrormiliz versuche Sarin herzustellen, das noch gefährlicher ist als Senfgas. Europol nennt allerdings auch eine Bedrohung, die bislang kaum wahrgenommen wurde. Es gebe Indizien, der IS experimentiere mit biologischen Kampfmitteln. Im Februar hätten die Sicherheitsbehörden in Marokko nicht nur den Anschlag einer IS-Zelle mit chemischen Stoffen vereitelt, sondern auch drei Behälter mit einer Substanz entdeckt, die zu tödlichem Tetanustoxin hätte verarbeitet werden können. Das marokkanische Innenministerium sage, es sei eine „katastrophale IS-Attacke“ verhindert worden.

Europol nennt in der Analyse zudem Hinweise von Nachrichtendiensten, in Europa hielten sich bereits mehrere Dutzend vom IS gesteuerte Personen auf, die in der Lage seien, Terrorangriffe zu begehen. Die Polizeibehörde erwartet auch eine größere Rückreisewelle europäischer Dschihadisten, sollte der IS in Syrien und Irak militärisch geschlagen oder zumindest weiter geschwächt werden. Außerdem inspiriert die Terrormiliz laut Europol radikalisierte Einzeltäter, die sich zum IS bekennen, aber weitgehend auf eigene Faust agieren. Selbst mit einfachsten Mitteln. Ein Beispiel ist der Angriff des Flüchtlings Riaz Khan Amadzai, der am 18. Juli in Würzburg mit einer Axt fünf Menschen verletzte.

Für Europol gehört Deutschland nicht nur wegen der Teilnahme an der internationalen Militäraktion gegen den IS zu den stark gefährdeten EU-Staaten. Die Behörde nennt auch einen Grund für die Wut der Terrormiliz, der bisher kaum Thema war. Der enorme Zustrom syrischer Flüchtlinge nach Deutschland widerlege das Versprechen des „Kalifats“, ein islamisches Utopia zu sein.

Europol verweist auch auf die IS-Strategie, Kämpfer im Flüchtlingsstrom nach Deutschland und anderen EU-Staaten zu schleusen, um dort fremdenfeindiche Ressentiments zu schüren - die Muslime in die Arme des IS treiben sollen. Deutsche Behörden sollen zudem allein im April 300 Versuche von Dschihadisten registriert haben, Flüchtlinge zu rekrutieren, die unterwegs waren nach Europa.

Dass der Zynismus der Terrormiliz keine Grenzen kennt, belegt ein weiteres Detail in dem Report von Europol. Der IS äußerte seine Freude über die wirtschaftlichen Folgen des Brexit für Großbritannien und die EU und sah eine günstige Gelegenheit, zu Anschlägen in Berlin und Brüssel aufzurufen - mit dem Ziel, Europa zu „paralysieren“.

Sorge bereiten Europol auch die zunehmenden Verbindungen zwischen islamistischen Terroristen und rein kriminellen Milieus. Die Behörde berichtet, im Juli seien ihr 816 Personen gemeldet worden, die terroristische Straftaten sowie andere schwere Delikte verübt hätten, auch solche der organisierten Kriminalität. Die meisten Delinquenten waren EU-Bürger. Und ein beachtlicher Teil, insgesamt 539, war als „foreign fighter“ in Syrien und Irak.

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