Bericht des Weltklimarats: Wann protestieren Fridays for Future vor Chinas Botschaft?
Das Klima ist nicht zu retten, wenn China und Indien ihre Emissionen schneller steigern, als westliche Industriestaaten sie einsparen. Ein Kommentar.
Eins fehlt in der deutschen Debatte über den Bericht des Weltklimarats: die globale Dynamik samt der Frage, welche Staaten an der Rettung des Klimas arbeiten - und welche Staaten die Lage immer noch weiter verschlimmern.
Die Staatengemeinschaft insgesamt muss die Emissionen reduzieren. Sonst ist die Erde nicht zu retten. Jedenfalls nicht vor einer Erwärmung um weit mehr als die 1,5 Grad, die nach den Worten der Klimaschützer so gerade noch als erträglich gelten.
Dies sind die nüchternen Zahlen der Entwicklung des CO-2-Ausstoßes im Vergleich zum Referenzjahr 1990: China hat seine Klimaverschmutzung vervierfacht, von 2420 auf 10.174 Millionen Tonnen. Deutschland hat sie um 30 Prozent reduziert, von 1052 auf 702 Millionen Tonnen. Andere EU-Länder sind da noch besser.
Die USA haben den Zuwachs ihrer Emissionen nahezu gestoppt (5.284 Millionen Tonnen), Japan ebenso (1106 Millionen Tonnen). Indien hat seinen Ausstoß nahezu verfünffacht auf 2616 Millionen Tonnen.
Wo bleibt der politische Druck auf Peking?
Da drängt sich die Frage auf: Warum protestieren deutsche Klimaschützer, darunter Fridays for Future, nicht vor Chinas Botschaft und vor Indiens Botschaft?
Auch im Westen geschieht noch nicht genug. Das ist richtig. Auch Deutschland, die viergrößte Wirtschaftsmacht der Welt, ist noch nicht auf Kurs, um die versprochene Reduktion um 55 Prozent bis 2030 zu erreichen. Druck durch öffentlichen Protest kann da helfen. Aber Deutschland und die EU tun immerhin etwas.
Ein vergleichbarer politischer Druck der Klimabewegung auf den mit Abstand größten Verschmutzer aller Staaten dieser Erde fehlt hingegen: die Volksrepublik China. Sie ist inzwischen für mehr als 30 Prozent der Emissionen verantwortlich. Der nächstgröße Verschnmutzer, die USA, für nicht einmal für halb so viel. Die komplette EU nur für ein Drittel der chinesischen Werte.
Zwei beliebte Einwände - doch das Klima lässt nicht mit sich verhandeln
Während westliche Industrieländer erhebliche Kosten und Einschränkungen auf sich nehmen, um die Emissionen zu senken, erhöht China seinen Ausstoß immer weiter. Seine Versprechen, wann es den Kurs ändern will, betreffen eine ferne Zukunft, von der Fridays for Future sagen würden: Da sind wir längst tot.
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In Deutschland werden in dieser Debatte meist zwei Einwände vorgebracht. Erstens müsse man berücksichtigen, wer im Lauf der Geschichte des Industriezeitalters wie viel zur Belastung der Atmosphäre eingetragen habe. In dieser kumulativen Betrachtung seien die Europäer und Amerikaner den Chinesen noch immer voraus.
Zweitens solle man die Emissionen pro Kopf der Bevölkerung berechnen. Und da haben die Chinesen die Europäer gerade erst eingeholt. Und die US-Bürger liegen immer noch vorn.
Doch wie vertragen sich diese beiden Hinweise mit dem Generalargument angesichts der Alarmstufe Rot: Das Klima lässt nicht mit sich verhandeln? Soll das Klima vor die Hunde gehen, weil China nach dem Kriterium historischer Gerechtigkeit den Globus noch weiter massiv beschädigen darf?
China hat die gleiche Wirtschaftskraft wie die EU bei dreifachem Ausstoß
Sinnvoller wäre es, zu argumentieren: Jedes Land hat die Pflicht, den Klimaschutz zu leisten, der heute technisch möglich ist. Die Technologien, um sauberer zu produzieren, sind da. China hat heute ungefähr die gleiche Wirtschaftskraft (berechnet nach Kaufkraftparität) wie die USA oder die EU. Es stellt dieses vergleichbare Bruttosozialprodukt aber mit drei Mal so viel Emissionen wie die EU her und mit doppelt so viel Ausstoß wie die USA. Zugespitzt formuliert: China erlaubt sich eine massive Klimaschädigung, um einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.
Die Rettung des Klimas ist eine globale Aufgabe. Das Ziel ist nicht zu erreichen, solange einzelne Staaten wie China durch ihren wachsenden Ausstoß zunichte machen, was klimabewusste Staaten in Europa an Emissionen einsparen. Oder mehr neue Kohlekraftwerke ans Netz bringen als Europa schließt. Warum sollten Klimaschützer diesen Zusammenhang nicht auch in Demonstrationen deutlich machen?