Bericht des UN-Klimarates: Schluss mit der Panik-Politik
Der UN-Klimarat bestätigt: Der Mensch verändert das Klima, es muss schnell gehandelt werden. Warum wir trotzdem nicht in Panik geraten sollten. Ein Kommentar.
Der sechste Bericht des UN-Klimarates leistet vor allem eines: Er radiert jeden letzten Zweifel daran aus, dass sich das Klima erwärmt, dass der Mensch die Ursache für die Erwärmung ist, und dass die Folgen dieser Erwärmung in Form von häufigeren Hitzewellen, Überflutungen, Dürren und anderen Extremwetterereignissen bereits hier und heute spürbar sind. Schon jetzt ist die Erde 1,1 Grad wärmer als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. An vielen Stellen, an denen im letzten Bericht noch ein „wahrscheinlich“ stand, steht heute „so gut wie sicher“. Der Einfluss des Menschen, heißt es erstmals, sei „unequivocally – zweifelsfrei" erwiesen.
Der Bericht des UN-Klimarates lässt keine Zweifel daran, dass sich viel ändern muss
Der Bericht lässt auch keine Zweifel daran, dass ziemlich einschneidende Änderungen nötig sind, um die Folgen des Klimawandels halbwegs kontrollieren zu können, denn umkehrbar ist er in den nächsten Jahrhunderten, vielleicht Jahrtausenden nicht, ebenso wenig wie viele seiner Folgen – etwa ein höherer Meeresspiegel und wärmere und saurere Meere. Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens einhalten zu können (die Erderwärmung auf weit unter zwei Grad zu begrenzen), müsste die Welt – und nicht nur die westliche – bis 2050 CO2-neutral wirtschaften. Auch andere Treibhausgase wie Methan und Lachgas müssten radikal sinken.
Auch das war im Prinzip bekannt. Doch gerade weil die Wissenschaft die Dimension der Aufgabe jetzt noch einmal mit so großer Festigkeit in der Stimme vorträgt, wird auch deutlich: Der Einzelne kann da nicht viel ausrichten. Staaten aber umso mehr.
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„Das Haus brennt. Ich will, dass ihr Panik habt“, sagte die Klimaaktivistin Greta Thunberg 2019 bei ihrer mittlerweile berühmte Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Das kommunikative Ziel Thunbergs und anderer Klimaaktivisten war und ist es, den Ernst der Lage überdeutlich zu machen, um Veränderungsbereitschaft zu schaffen. Das Beschreiben einer möglichen Klima-Apokalypse ist quasi eine eigene politische Kunstform geworden.
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Mit dem sechsten Sachstandsbericht kann und sollte die Zeit des „Ich will, dass ihr Panik habt“ enden, zumindest in Deutschland. Es steht jetzt da, schwarz auf weiß, in all seiner erschreckenden Nüchternheit. Die allermeisten Deutschen hatten daran aber ohnehin kaum mehr Zweifel – sie sind längst „woke“. Sie machen sich Sorgen über den Klimawandel und geben regelmäßig bei Umfragen an, es sei eines der drängendsten Probleme.
Die meisten Menschen sind veränderungsbereit, fühlen sich aber machtlos
Jetzt ist die Zeit zu handeln – und zwar sowohl den CO2-Ausstoß massiv zu reduzieren als auch das Land auf die häufigeren Wetterextreme vorzubereiten. Möglich ist es. Deutschland ist ein reiches Hochtechnologieland. Die richtigen Ziele sind politisch gesetzt und wurden eben noch einmal nachgeschärft. Was teilweise noch fehlt, ist der politische Mut, das auch zu sagen: dass sich richtig viel ändern muss und vor allem wie.
Dabei sind die meisten Menschen Umfragen zufolge veränderungsbereit – was sie nur nervt und zum Verzweifeln bringt, ist das Gefühl, selbst und allein für die Vermeidung der Klimakatastrophe verantwortlich zu sein, als Verbraucher und Bürger. Zu sehr betonte die politische und mediale Debatte in den vergangenen Jahren die Verantwortung des Einzelnen – weniger Fleisch, weniger billige Klamotten, weniger Fliegen. Studien zeigen: nicht der Unwille zur Veränderung, sondern ein Gefühl der Überforderung dominiert. Und das zurecht. Es stimmt ja auch, dass keiner die Apokalypse alleine am Kühlregal aufhalten kann.
Emissionsfreiheit ist eine politische Aufgabe - global wie national - und keine Privatsache
Nein, Emissionsfreiheit ist zuerst eine politische Aufgabe, global wie national. Der Umbau der Infrastruktur (Bahntrassen, Ladestationen, Dämme, Kühl-Korridore für Großstädte und so weiter) das Setzen von Anreizen, das Schmieden außenpolitischer Bündnisse – das alles ist Staatsaufgabe, nicht die Aufgabe des Einzelnen. Auch das macht der IPCC-Bericht noch einmal deutlich: Die Begrenzung der Folgen des Klimawandels auf das Leben ist möglich. Bei konsequenter CO2-Einsparung wäre wahrscheinlich schon in wenigen Jahrzehnten ein Abflachen der Temperaturkurve erkennbar. Doch die Menge CO2, die eingespart werden muss, verschiebt die Aufgabe ganz automatisch auf die staatlichen und globale Ebene.
Schluss also mit der Panik. Mit der Panikmacherei mancher Aktivisten, der Überforderungspanik der Bürger, der Panik der Politiker vor der Panik der Bürger. Wir wissen, was ist und was nötig ist. Jetzt einfach machen.