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Fragt sich nur, welche Merkel gemeint ist...
© dpa

Angela Merkel und die Flüchtlinge: Wann besucht die Kanzlerin eine Moschee?

Hat Angela Merkel Prinzipien oder wird sie von Umfragen getrieben? Ihre Flüchtlingspolitik nährt beide Thesen. Doch warum hat sie noch nie eine Moschee in Deutschland besucht? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Gesten sind wichtig in der Politik. Sie prägen sich oft stärker ein als Worte. Nur wenige Tage nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 besuchte der damalige US-Präsident George W. Bush eine Moschee im Islamischen Zentrum in Washington D. C. und sagte: „Das Gesicht des Terrors ist nicht das wahre Gesicht des Islam. Der Islam ist eine friedliche Religion.“ Diese Sätze wiederholte Bush in den Wochen, Monaten und Jahren danach. Scharf markierte er eine Trennlinie zwischen Islam und Islamismus, Glaube und Fanatismus.

Andere taten es ihm nach. In fast allen großen westlichen Demokratien sind Moscheebesuche von Politikern heute selbstverständlich. Sie dienen dazu, gegen Islamfeindschaft zu protestieren oder um Integrationsdefizite anzusprechen.

Ist Angela Merkel flexibel wie ein Gummibärchen, dehnbar in jede Richtung, in hohem Maße umfragegesteuert – also eine Politikerin ohne Kern? Oder hat sie einige wenige Prinzipien, an denen sie eisern festhält, selbst wenn dies zu Lasten ihres Ansehens, ihrer Partei und ihrer Macht sein sollte? Beide Thesen lassen sich belegen. Für die Wende-Merkel sprechen der abrupte Atomausstieg und die Abschaffung der Wehrpflicht. Für die Werte-Merkel steht ihr Bekenntnis zu Israel (deutsche Staatsräson) und zur transatlantischen Gemeinschaft (trotz NSA).

In der Flüchtlingspolitik herrschte lange Zeit die These von der Werte-Merkel vor. Sie erbarmte sich der Notleidenden, nahm dafür die Polarisierung im eigenen Land ebenso in Kauf wie den Zwist innerhalb Europas, den Aufstieg der AfD ebenso wie das Zerwürfnis zwischen CDU und CSU. Für die Menschlichkeit war Merkel offenbar bereit, sehr hohe Preise zu zahlen.

Doch das Bild täuscht. Zwar sind die Kosten ihrer Politik immer noch hoch, aber faktisch hat sich die Kanzlerin längst gewandelt. Das Asylrecht wurde verschärft, immer mehr Staaten werden zu sicheren Herkunftsländern erklärt, eine Aufnahme der Menschen, die an der griechisch-mazedonischen Grenze gestrandet waren, lehnt Merkel strikt ab. Und direkt wandte sie sich jüngst an die Adresse der syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge mit der Botschaft, dass die meisten von ihnen nach Beendigung des Krieges wieder nach Hause gehen müssen. Das freundliche Gesicht kann inzwischen ganz schön grimmig aussehen.

Auch die Kanzlerin hat erklärt, der Islam gehöre zu Deutschland

In die Wende-Lesart passt, dass Merkel sich in ihrer gesamten Amtszeit vor einem Bild gedrückt hat, das ihr womöglich als zu innige Umarmung des Islam ausgelegt werden könnte. Denn Kanzlerin Merkel hat in Deutschland noch nie eine Moschee besucht! Sie hat Moscheen in Indonesien und der Türkei besucht, hat in Deutschland in der Villa Borsig am Fastenbrechen im Ramadan teilgenommen und ähnlich wie Ex-Präsident Christian Wulff erklärt, der Islam gehöre zu Deutschland. Aber eine demonstrative Würdigung dieser monotheistischen Weltreligion durch den Besuch einer Moschee hat sie stets vermieden.

Andere Regierungschefs hielten es anders. Anfang Februar ging Barack Obama in der Stadt Baltimore im Bundesstaat Maryland in eine Moschee und kritisierte die „unverzeihliche politische Rhetorik“ gegen Muslime in Amerika. Das galt Donald Trump. Muslime und Terror dürften nicht gleichgesetzt werden. „Ein Angriff auf eine Religion ist ein Angriff auf alle Religionen.“

Ein Jahr zuvor, nur wenige Wochen nach den Terroranschlägen auf Redakteure der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“, besuchte Frankreichs Präsident Francois Hollande die Große Pariser Moschee, um zwei Gedenktafeln zu Ehren der muslimischen Soldaten einzuweihen, die in den Weltkriegen für Frankreich gefallen waren. David Cameron wiederum widmete sich in der Makkah Masjid Moschee in Leeds dem Thema Integration und mahnte von muslimischen Frauen in Großbritannien bessere Englischkenntnisse an.

Wann wird Merkel einmal eine Moschee in ihrem Heimatland besuchen? Ob sie eine Wende- oder Werte-Kanzlerin ist, hängt auch von der Antwort auf diese Frage ab.

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