Flüchtlingspolitik: Wahlkampf um die Flüchtlingspolitik
Wovon ist überhaupt die Rede, wenn es um Flüchtlingspolitik geht? Das wüsste man wirklich gern mal. Ein Zwischenruf
Der Trompetenstoß von Martin Schulz, die Flüchtlingspolitik zum Wahlkampfthema zu machen, klingt so, als gäbe es ein deutsches oder europäisches Regelwerk, über das zu streiten wäre. Welches meint er?
Etwa das gerade vom Europäischen Gerichtshof bestätigte Dublin-III-Verfahren, nach dem ein Asylantrag allein in dem EU-Land gestellt und bearbeitet werden muss, das der Flüchtling zuerst betreten hat (Deutschland also nicht)? Oder meint er das Gegenteil, die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland aus Mitgliedstaaten, die überlastet sind wie Italien, oder solche Länder, die Flüchtlingen kaum zumutbare Aufnahmebedingungen und Perspektiven bieten wie Ungarn im August 2015, als die Bundesregierung entschied, Hunderttausende einreisen zu lassen, damit sie in Deutschland Asyl beantragen können? Oder meint er die italienische Drohung, falls massive EU-Hilfe ausbleibt, notfalls Rettungsschiffe, insbesondere von zivilen Initiativen, aufs Mittelmeer zurückzuschicken (Innenministerkonferenz im estnischen Tallinn, 8. Juli)? Oder geht es nur um den Beschluss der EU-Außenminister beim Treffen am 17. Juli in Brüssel, künftig keine Schlauchboote und Außenbordmotoren mehr nach Libyen zu verkaufen, wenn es Anzeichen gebe, diese Güter könnten von Flüchtlingsschleusern benutzt werden? Und was hält er von Macrons brandaktuellem Vorschlag, in Libyen Registrierungs- und Beratungszentren einzurichten, um Ausreisewillige von der Überfahrt nach Europa abzuhalten, wenn keine Verfolgung droht. Ach ja, der ist ja schon wieder so halb vom Tisch. Viele Vorschläge sind derzeit mit heißer Nadel genäht, wirken unsinnig – und sind es. Und doch gewinnt ein Konzept an Profil: nämlich jene zu holen, die Schutz in Europa wirklich brauchen, und nicht länger jeden Asylbegehrenden einfach kommen zu lassen.
Eine bessere Verteilung von Flüchtlingen, wie Martin Schulz sie vorschlägt, hilft da wenig, weil dann grundsätzlich alles bleibt, wie es ist: Offene Grenzen für jeden, der es irgendwie nach Europa schafft.