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Erdogan mischt sich in den Wahlkampf ein - was er als Staatspräsident gar nicht darf.
© AFP

Erdogan kommt am Sonntag: Wahl beginnt für Türken in Deutschland

Am 7. Juni wählt die Türkei ein neues Parlament. Schon ab heute können Türken in Deutschland wählen. Sonntag spricht Tayyip Erdogan in Karlsruhe - obwohl er als Staatspräsident am Wahlkampf gar nicht teilnehmen darf.

Er ist ständig auf Achse und kämpft um jede Stimme: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan reist unermüdlich durchs Land und will bei einem Auftritt in Karlsruhe an diesem Sonntag sogar die türkischen Wähler in Deutschland ansprechen. Erdogan plant nicht weniger als 35 Auftritte bis zum Tag der türkischen Parlamentswahl am 7. Juni und ist damit einer der eifrigsten Wahlkämpfer des Landes. Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler. Eigentlich darf der 61-jährige als Staatspräsident überhaupt nicht am Wahlkampf teilnehmen.

Der Amtseid des türkischen Präsidenten verpflichtet das Staatsoberhaupt ausdrücklich zur Unparteilichkeit. Verfassungsartikel 101 untermauert diese Verpflichtung durch die Auflage, dass ein neu gewählter Präsident alle Parteiämter und auch sein Parlamentsmandat aufgeben muss.

Erdogan hat zwar den Vorsitz der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP offiziell abgegeben, doch auch ohne Parteiamt ist er der Chef geblieben. Er hat sogar schon einige Kabinettsitzungen als Präsident geleitet. Bereits bei seiner Wahl zum Präsidenten im vergangenen August habe er angekündigt, dass er nicht unparteiisch sein werde, sagte Erdogan vor wenigen Tagen. Er stehe „auf der Seite der Nation“.

Damit rechtfertigt Erdogan seinen Einsatz für die AKP und die teils scharfen Angriffe auf die Opposition. Er verteidigt die Regierungsbilanz der AKP und liefert sich Fernduelle mit Oppositionspolitikern, obwohl er selbst nicht zur Wahl steht. Der amtierende AKP- und Regierungschef Ahmet Davutoglu wird zur Randfigur.

Auch bei seinem Deutschland-Besuch am kommenden Sonntag dürfte Erdogan den gewohnt kämpferischen Stil pflegen. Offiziell will er sich mit der Visite in Karlsruhe nur für die Unterstützung der rund 2,8 Millionen türkischen Wählern im Ausland bei der Präsidentenwahl im vergangenen Jahr bedanken. Doch die Begründung ist fadenscheinig: Die Beteiligung der Auslandstürken an der Präsidentschaftwahl lag gerade einmal bei 8,6 Prozent. Großer Dank ist da wohl nicht nötig. Der wahre Grund für Erdogans Deutschland-Reise ist der Wahlkampf vor dem 7. Juni.

Erdogan will einen Parlamentseinzugder Kurdenpartei HDP verhindern

In der Türkei ist Erdogan viel in den östlichen Landesteilen der Türkei unterwegs, denn er will konservative kurdische Wähler ansprechen und so einen Parlamentseinzug der Kurdenpartei HDP verhindern. Denn wenn die HDP die Zehnprozent-Hürde überwindet und Abgeordnete ins neue Parlament schickt, wird nichts aus Erdogans großem Plan: Er will nach der Wahl mit Hilfe von Verfassungsänderungen ein Präsidialsystem einführen. Dafür braucht er die Unterstützung von mindestens 330 der 550 Abgeordneten im Parlament.

Laut den derzeitigen Umfragen liegt die AKP bei etwa 42 Prozent und ist weit von der Zahl von 330 Abgeordneten entfernt; bei der letzten Wahl vor vier Jahren erhielt die AKP fast 50 Prozent und 326 Abgeordnete. Mit der HDP im Parlament würde es noch schwieriger für die Erdogan-Partei, die ersehnte Marke zu erreichen. Eine Koalitionsregieurng nach mehr als 12 Jahren AKP-Alleinregierung erscheint möglich. Umso stärker legt sich der Präsident für die AKP ins Zeug.

Die Opposition protestiertgegen Erdogans Vorgehen

HDP-Chef Selahattin Demirtas will das Erdogan nicht durchgehen lassen. Er protestierte bei der Wahlkommission gegen das Verhalten des Staatspräsidenten, wurde aber abgewiesen. Demirtas gibt nicht auf. „Die Leute sind doch nicht dumm“, sagte er über die Auskunft der Wahlkommission, sie könne keinen Eingriff Erdogans in den Wahlkampf erkennen. „Jeder weiß, was los ist und dass hier ein Rechtsbruch begangen wird.“

Nun will sich Demirtas an das Verfassungsgericht wenden, um Erdogan Zügel anlegen zu lassen. Auch wenn kaum jemand damit rechnet, dass die Verfassungshüter dem mächtigsten Mann des Landes in die Parade fahren werden, hat die Opposition schon erreicht, dass über Erdogans Verhalten diskutiert wird. Sie setzt darauf, dass ein Präsident, der die Regeln seines Amtes ignoriert, wenige Wochen vor der Wahl kein gutes Aushängeschild für die AKP ist.

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