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Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht Ende Mai auf dem Bundesparteitag in Magdeburg
© Peter Endig/dpa
Update

Debatte um Rot-Rot-Grün: Wagenknecht zu Bündnis mit SPD bereit - unter Bedingungen

SPD-Chef Sigmar Gabriel wünscht sich ein Bündnis aller progressiven Kräfte. Die Linke stehe gern zur Verfügung, sagt deren Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, nennt aber klare Bedingungen.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht hat klare Bedingungen für eine Zusammenarbeit mit der SPD formuliert. Nach dem Appell von SPD-Chef Sigmar Gabriel, Deutschland brauche jetzt ein Bündnis aller progressiven Kräfte, sagte Wagenknecht am Montag dem Tagesspiegel: "Wenn die SPD ein Bündnis zur Wiederherstellung des Sozialstaates möchte, für gute Renten, das gesetzliche Austrocknen des Niedriglohnsektors und eine Verlagerung der Steuerlast auf die wirklich Reichen, steht die Linke gern zur Verfügung. Eine anders zusammengesetzte Koalition im Bund ohne grundlegende Veränderung der Politik wird die Rechten dagegen nicht stoppen können."

Gabriel hatte am Wochenende in einem Beitrag für den "Spiegel" ein starkes Mitte-Links-Bündnis im Kampf gegen die "radikale bürgerliche Rechte" verlangt. Deutschland brauche jetzt ein Bündnis aller progressiven Kräfte. Die Mitte-Links-Parteien und Bewegungen müssten "füreinander bündnisbereit und miteinander regierungsfähig" sein, in Deutschland und in Europa. Sie müssten sich besinnen, um ihren "notorischen Missmut, ihre Eitelkeiten und Spaltungen zu überwinden".

Wagenknecht machte in diesem Zusammenhang SPD und Grüne mitverantwortlich für den Rechtsruck in Deutschland. Sie sagte dem Tagesspiegel: "Wer die Demokratie vor den erstarkenden Rechtsdemagogen schützen will, muss die Politik überwinden, die ihnen den Boden bereitet hat. Für diese Politik tragen seit der Jahrtausendwende SPD und Grüne ebenso Verantwortung wie CDU und FDP." Es sei die "zunehmende Unsicherheit des gesamten Lebens durch prekäre Jobs, Dauerbefristungen und die Zerstörung der Arbeitslosen- und Rentenversicherung, die Zukunftsängste produziert und die abstiegsgefährdete Mitte aufgeschlossen für autoritäre Lösungen macht".

Lafontaine ist skeptisch

Der ehemalige Linken-Vorsitzende Oskar Lafontaine ist skeptisch, ob es Gabriel mit seiner Initiative wirklich ernst meint. "Wer würde diesem Vorschlag nicht zustimmen? Aber die entscheidende Frage bleibt: Was ist progressiv?", schrieb Lafontaine auf seiner Facebook-Seite. Und: "In den letzten Jahren gab es nur - leider auch unter Beteiligung der SPD - eine regressive (zurückschreitende) Politik. Die Demokratie wurde durch eine zunehmende Vermögenskonzentration und internationale Verträge - die letzten Beispiele sind CETA und TTIP - ausgehöhlt und der Sozialstaat wurde schrittweise abgebaut."

Linken-Chef Riexinger für Lagerwahlkampf

Linken-Chef Bernd Riexinger rief nach den Äußerungen Gabriels die drei Parteien zur Zusammenarbeit auf. "Ein erster Schritt wäre eine rot-rot-grüne Übereinkunft über einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten", sagte Riexinger der "Passauer Neuen Presse". Ähnlich hatte das der Berliner Linken-Chef Klaus Lederer verlangt.

Riexinger betonte zugleich: "Wir sollten 2017 vor den Bundestagswahlen mit der SPD einen Lagerwahlkampf gegen die Bürgerlich-Konservativen führen. Darüber brauchen wir jetzt eine Verständigung." Es sei Zeit für "eine Gerechtigkeitswende in Deutschland". Die jüngsten Äußerungen Gabriels seien "ein klares Signal". Riexinger betonte zugleich: "Gabriel war bisher kein Meister der Standfestigkeit. Wenn er es jetzt ernst meint mit einem Kurswechsel, sollte er direkte Gespräche mit uns aufnehmen."

Gabriel: Vorstoß nicht auf Parteitaktik reduzieren

Gabriel selbst relativierte am Montag seine Initiative vom Wochenende - und will den Ruf nach einem linken Bündnis gegen Rechts nicht als Vorstoß in Richtung einer rot-rot-grünen Koalition verstanden wissen. Wer seinen Gastbeitrag im "Spiegel" auf Parteitaktik und Koalitionen reduziere, gehe zu unernst mit dem Erstarken rechter Kräfte in Deutschland um, sagte er in Berlin. Ihm sei es darum nicht gegangen. Er habe daran erinnert, dass vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte Parteien in der Mitte und links davon die Aufgabe hätten, das Abrutschen der Republik nach rechts zu verhindern, sagte der Parteivorsitzende. "Was wir brauchen, ist eine soziale Bewegung zur Verteidigung der Liberalität unseres Landes."

Auf Facebook hatte Gabriel seinen Vorstoß mit dem Hinweis erläutert, es brauche "überall weit mehr Kampfbereitschaft der demokratischen Linken". Dort schrieb er: "Es geht um verdammt viel. Deutschland braucht jetzt ein Bündnis aller progressiven Kräfte."

SPD-Linke warnt Parteichef vor Zickzackkurs

Hilde Mattheis, Vorsitzende des "Forums Demokratische Linke 21" - in ihm haben sich Teile der SPD-Linken organisiert -, begrüßte den Vorstoß von Gabriel, appellierte zugleich an den Parteichef, sich nun als glaubwürdig zu präsentieren. Sie sagte: "Ich bin froh, dass Sigmar Gabriel das erkennt, wovon ich bereits seit Jahren überzeugt bin: Die SPD braucht jenseits des Bündnisses mit der Union eine Machtoption." Mattheis fügte hinzu: "Wenn der Vorsitzende nun aber nicht wieder einen Zickzackkurs fahren will, muss er seinen Worten Taten folgen lassen." Die nächste Gelegenheit hierfür biete im kommenden Jahr die Bundespräsidentenwahl. "Es wird sich dann zeigen, ob Sigmar Gabriel es ernst meint mit Rot-Rot-Grün."

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Sozialdemokratie stellt fast nirgends die absolute Mehrheit, deshalb wollen wir den Schulterschluss mit fortschrittlichen Kräften und sind auch offen für neue soziale Bewegungen." Es wäre "wünschenswert, wenn sich unter anderem in der Linkspartei die durchsetzen, die sich dieser Verantwortung stellen."

CDU-Politiker: Gabriel ist "machtversessen"

Führende CDU-Politiker kritisierten den Vorstoß von Gabriel. "Ich glaube, das ist der verzweifelte Versuch, irgendwie auf die Beine zu kommen", sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier. Er wolle damit dem linken Flügel der eigenen Partei ein Signal geben. "Rot-Rot-Grün wäre für Deutschland schlimm", sagte Bouffier. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn nannte den Vorstoß "geschichtsvergessen“ und Gabriel "machtversessen". Es gehe nur darum, das Kanzleramt zu erreichen, "egal mit wem". (mit AFP, dpa)

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