Bidens Kriegspolitik in der Ukraine: Waffen ja, Truppen nein – geht das auf?
US-Präsident Joe Biden will sein Land aus dem Krieg in Europa raushalten. Aber was, wenn Kremlchef Wladimir Putin ihm keine Wahl lässt? Ein Kommentar.
Rote Linien sind eine zweischneidige Angelegenheit. Wer sie zieht, muss deren Überschreitung ahnden. Bleibt das aus, geht Glaubwürdigkeit verloren. Barack Obama hat das im Syrien-Krieg erfahren müssen, als die USA auch nach dem erwiesenen Einsatz von Giftgas durch das Assad-Regime – was Obama zuvor als rote Linie bezeichnet hatte – militärisch nicht eingriffen.
Sein damaliger Vizepräsident Joe Biden, der nun im Weißen Haus die Verantwortung trägt, vermeidet es, klare Linien zu ziehen. Zumindest vermeidet er das beim Thema Ukraine. Denn die liegt östlich der Nato-Grenzen, innerhalb derer das Verteidigungsbündnis zum militärischen Eingreifen verpflichtet wäre.
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Anders sähe es aus, würden russische Truppen Polen oder das Baltikum angreifen. Dann würde die Beistandspflicht greifen. Diese rote Linie haben sich die Nato-Mitglieder selbst gezogen.
Noch, und alleine dieses Wort zeigt die Dramatik der vergangenen Tage, ist es nicht soweit. Daher versuchen die USA, alles zu unterlassen, was nach einem aktiven Kriegseinstieg aussieht. Sie stärken – zumindest offiziell – lediglich die Verteidigungsfähigkeiten der Ukraine in dem ungleichen Kampf und versuchen, Russlands Schlagkraft durch schwere Wirtschaftssanktionen zu schwächen.
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Embargos und Waffenlieferungen ja, US-Truppen auf ukrainischem Boden nein, lautet die Devise. Das gilt auch für die Einführung einer Flugverbotszone zum Schutz von Zivilisten, die Kiew verzweifelt fordert. Da diese militärisch durchgesetzt werden müsste, könnte auch sie als Kriegseintritt gewertet werden.
Biden nannte Putin einst einen „Killer“
Biden, der Wladimir Putin mal unverblümt einen „Killer“ nannte, hat sich die Warnung vor einem dritten Weltkrieg angeeignet, den es zu vermeiden gelte. In dieser Frage weiß er seine Bürger hinter sich: Obwohl die große Mehrheit der Amerikaner die Ukrainer inzwischen als „Freund“ bezeichnet, spricht sich für einen Einsatz von US-Truppen in der Ukraine nur eine Minderheit aus.
Nach den langen, verlustreichen Einsätzen im Irak und Afghanistan dürstet es die wenigsten Amerikaner nach einem neuen Krieg. Biden hatte ihnen versprochen, die „endlosen Kriege“ zu beenden und die Truppen nach Hause zu bringen.
Washington will keine direkte Konfrontation mit der russischen Armee, aus der ein Atomkrieg werden könnte. Selbst für den Fall, dass Putin Massenvernichtungswaffen in der Ukraine einsetzen könnte, legt sich das Weiße Haus nicht auf rote Linien fest.
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Als Bidens Sprecherin Jen Psaki am Donnerstag davor warnte, Russland könnte bald biologische oder chemische Waffen benutzen, sagte sie, ein solcher Schritt hätte „einen hohen Preis“. Doch an der Einstellung des Präsidenten, keine US-Soldaten in die Ukraine zu schicken, habe sich nichts geändert. Ob und unter welchen Bedingungen das in der Zukunft geschehen könnte, ließ Psaki offen.
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Denn auf einmal scheint alles möglich. Auch die selbstbewusstesten Experten scheuen vor einer Antwort auf die Frage zurück, ob der Kremlchef noch irgendeine Grenze anerkennt: geografisch – und moralisch. Vieles spricht dafür, dass Putin genau das beabsichtigt hat, er kalkuliert mit der Angst westlicher Gesellschaften.
Biden hat dennoch keine Wahl: Er muss sich dem Aggressor entgegenstellen, ohne selbst zu eskalieren. Und er muss reagieren, wenn das gerade noch Unvorstellbare Realität wird. Egal, ob er zuvor eine rote Linie gezogen hat oder nicht.