Eliten und Ungleichheit: Von oben gesehen
Auch die politische Elite verbürgerlicht - und verliert dabei das Gespür für die soziale Kluft. Der Soziologe Michael Hartmann hat die Ansichten der rund tausend mächtigsten Deutschen untersucht.
Fast drei Viertel der Deutschen finden die sozialen Unterschiede im Lande nicht gerecht. Ganz anders sieht das aus, wenn Forscher nur einem Teil der Bevölkerung in die Köpfe schauen, und zwar denen mit einer hohen beruflichen Position und entsprechendem Einkommen. Von ihnen finden nur 43,5 Prozent, dass die Verhältnisse nicht gerecht sind. Nun könnte man meinen, dass sie vom eigenen komfortablen Leben aus urteilen und es für das – gerechte – Ergebnis persönlicher Anstrengung halten. Doch an das Leistungsprinzip glauben die Topverdiener selbst gar nicht so recht: Während in der Arbeiterschaft fast zwei Drittel, nämlich 65 Prozent, meinen, dass Unterschiede von Geld und Ansehen nötig sind, damit Menschen sich anstrengen, teilt nur etwas mehr als die Hälfte der Elite diese Ansicht, 53 Prozent.
Die Zahlen stammen aus dem jüngsten Buch des Darmstädter Elitensoziologen Michael Hartmann (Soziale Ungleichheit – Kein Thema für die Eliten?). Die oberen Tausend – es sind genau genommen 958 der Mächtigsten in Wirtschaft, Politik, Verwaltung, Justiz, Militär, Wissenschaft, Medien, Kirchen und Gewerkschaften – hat Hartmann in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zu ihren Einstellungen befragt; ein gutes Drittel antwortete ihm. Dabei fand Hartmann heraus, dass Ungleichheit die Eliten wenig bis gar nicht interessiert. Nach Deutschlands wichtigsten Problemen befragt, nennen Manager, Militärs, hohe Verwaltungsbeamte oder Politiker am häufigsten die Euro-, Schulden- und Finanzkrise (mehr als 30 Prozent), gefolgt von der demografischen Entwicklung (leicht über 25 Prozent) und, schon deutlich abgeschlagen, der Integration von Migranten (zehn Prozent). Die Verteilung des Wohlstands erscheint auf ihrem Radar praktisch nicht – obwohl die gerade in Deutschland in den vergangenen Jahren immer ungleichmäßiger wurde und dies rascher als in den allermeisten anderen europäischen Ländern.
Auch wenn Hartmann Unterschiede innerhalb der Eliten feststellt: Die insgesamt drastisch unterschiedlichen Wahrnehmungen zwischen Normalbürgern und dem Führungspersonal hält er für eine Gefahr für die Demokratie. Auch die politische Elite, die traditionell dichter am Puls der Gesellschaft war, verbürgerliche; gleichzeitig schrumpfe und altere die Basis der großen Parteien und könne dagegen immer weniger die Kompetenz des kleinen Mannes und der kleinen Frau einsetzen. Ein Beispiel sei Peer Steinbrück, der zunächst im engsten SPD-Führungskreis zum Kanzlerkandidaten ausgerufen wurde.
Die Medien, das scheint nicht nur bei Hartmann auf, fühlen sich dabei anscheinend selbst mehr der Elite zugehörig, als dass sie ihr auf die Finger schauen. Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz, die kürzlich für die linksparteinahe Rosa-Luxemburg-Stiftung die Wirtschaftskommentare großer deutscher Blätter analysierten, stellen denen ein eher trauriges Zeugnis aus: Chancengleichheit und Sozialverpflichtung des Eigentums habe die Presse „ins Museum alter Ideale“ gestellt. Die Armen würden für ihre Lage selbst verantwortlich gemacht, Reichtum als „Zentrum gesellschaftlichen Einflusses“ werde bestenfalls gestreift: Die „stumme Macht des Reichtums“ sei „der blinde Fleck des Journalismus“.
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