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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag in Lissabon.
© REUTERS

Nach Vorstoß aus Athen: Von der Leyen unterstützt EU-Impfzertifikat fürs Reisen

Der griechische Regierungschef Mitsotakis hat ein EU-Impfzertifikat für freies Reisen vorgeschlagen. Jetzt kommt Unterstützung für den Vorschlag aus Brüssel.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen unterstützt einen Vorstoß des griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, dem zufolge das Reisen innerhalb der EU durch die Vorlage eines EU-Impfzertifikats erleichtert werden könnte.

Ein Impfzertifikat sei eine "medizinische Erfordernis", erklärte von der Leyen am Freitag in Lissabon anlässlich des Beginns des portugiesischen EU-Ratsvorsitzes. Es müsse allerdings politisch und rechtlich geklärt werden, welche Rechte mit einem solchen Zertifikat einhergingen, fügte sie hinzu.  

Von der Leyen forderte, dass es einen fairen Ausgleich zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften geben müsse. So könnten Nicht-Geimpfte von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen negativen Corona-Test vorzulegen. Bei ihrem nächsten Videogipfel wollen sich die Staats- und Regierungschefs der EU am kommenden Donnerstag mit der Materie befassen.  

Mitsotakis hat in einem Brief an die Kommissionschefin vorgeschlagen, ein einheitliches Impf-Zertifikat für alle 27 EU-Staaten zu entwickeln. Ein solches Zertifikat könne die Reisefreiheit von Personen erhöhen, die gegen Covid-19 geimpft sind, argumentiert Mitsotakis. Dabei dürfte der Regierungschef insbesondere auch die kommende Urlaubssaison im Blick haben - der Tourismus gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsbranchen in Griechenland. Unterstützung für den Vorschlag kommt von der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der auch Mitsotakis angehört. Der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU), erklärte:  "Wenn die Menschen geimpft sind, müssen sie mit einem entsprechenden Papier in der EU reisen können." 

Nach Angaben aus EU-Diplomatenkreisen befindet sich die Diskussion unter den EU-Mitgliedstaaten über die mögliche Einführung eines Impfzertifikats erst am Anfang. Zunächst müsse geklärt werden, ob Geimpfte noch ansteckend seien. Bei einer Sitzung der EU-Botschafter in dieser Woche hätten sich die Benelux-Staaten eher skeptisch zu dem Vorschlag von Mitsotakis geäußert, hieß es weiter. Grundsätzlich stehe indes Malta der Initiative aus Athen offen gegenüber. Falls sich die EU-Mitgliedstaaten für ein Impfzertifikat aussprechen sollten, müsse in einem nächsten Schritt der Aspekt der Gerechtigkeit gegenüber Nicht-Geimpften geklärt werden. So stelle sich die Frage, ob möglicherweise ein EU-weites Impfzertifikat erst dann eingeführt werde, wenn schon der Großteil der Bevölkerung in der Gemeinschaft geimpft sei, hieß es zudem. 

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Auch Deutschland steht der Einführung eines EU-Zertifikats skeptisch gegenüber. In der neuen, seit Donnerstag geltenden Einreiseverordnung ist von Ausnahmen  für Geimpfte keine Rede. Auch für sie gilt eine Pflicht zur Vorlage eines Corona-Tests. Der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Hanno Kautz, bekräftigte am Freitag, es sei momentan noch nicht ausreichend gesichert, dass Geimpfte kein Infektionsrisiko für andere darstellten.  

Entwicklung digitaler Impfpässe in vollem Gange

Die griechische Regierung dringt indes schon jetzt aufs Tempo und argumentiert, dass bei der Einführung eines europaweiten Zertifikats ohnehin mit einem großen zeitlichen Vorlauf zu rechnen sei. Dieser Hinweis aus Athen ist durchaus berechtigt: So hatte von der Leyen im November angekündigt, dass bis Ende 2020 ein EU-weites Formular zur Erleichterung des Reisens im Schengen-Raum vorliegen werde. Doch das Vorhaben wurde bislang nicht umgesetzt. 

Nach britischen Medienberichten arbeiten Gesundheitsorganisationen und Softwareunternehmen wie Microsoft und Oracle bereits an der Entwicklung digitaler Impfpässe. Die "Vaccination Credential Initiative" wolle demnach sicherstellen, dass Reisende nicht fälschlicherweise angeben können, sie seien mit dem Vakzin versorgt worden. Dabei sollen die Daten für den digitalen Impfpass aus elektronischen Patientenakten der jeweils Betroffenen gespeist werden. Die Londoner Nichtregierungsorganisation "Privacy International" wandte allerdings ein, dass ein digitaler Impfpass zur Diskriminierung von Nicht-Geimpften führe.  

Welche Bedeutung fälschungssichere technische Lösungen für Impfzertifikate haben, zeigt der Fall einer Deutschen aus Jülich. Die Frau war aus dem Libanon über die Türkei nach Deutschland eingereist und hatte sich mithilfe einer gesunden Person vor dem Abflug nach den Angaben eines Arztes in Beirut einen Negativ-Test besorgt, obwohl sie selber offenbar an Corona erkrankt war. Bei der Ankunft in Düsseldorf am Donnerstag stellte die Bundespolizei den fraglichen Negativ-Test sicher. Gegen die Frau aus Jülich wurde ein Strafverfahren eingeleitet.

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