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Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eröffnete die Münchner Sicherheitskonferenz.
© AFP

Münchner Sicherheitskonferenz: Von der Leyen und Mattis harmonieren plötzlich

Zum Start der Sicherheitskonferenz zeigen sich die Verteidigungsminister Deutschlands und der USA überraschend einig. Erst die Debatte über Europa birgt größeres Konfliktpotenzial.

Gab’s da nicht eben noch eine Meinungsverschiedenheit über die faire Höhe von Verteidigungsetats unter Nato-Staaten? Als die deutsche Ministerin Ursula von der Leyen und ihr neuer US-Kollege James Mattis die Münchener Sicherheitskonferenz am Freitagnachmittag eröffnen, ist nichts davon zu spüren. Geradezu kumpelhaft spricht die Deutsche den Amerikaner an: „James, du hast das vor dem Kongress so schön ausgedrückt: Keine Nation ist sicher ohne Freunde.“ Sie schenkt ihm ein Lächeln, das man als charmantes Werben, aber auch als verschwörerisches Einverständnis interpretieren kann. Sie seien doch beide verlässliche Transatlantiker.

Der liebe James, den von der Leyen mitunter als „Jim“ anspricht, wie das seine langjährigen Freunde tun, zahlt in ebenso freundlicher Münze zurück. Er habe „Respekt vor der deutschen Führungsrolle“. Er dankt für den Einsatz der Bundeswehr in den Baltischen Staaten. Damit unterstreiche Deutschland, „wie Ursula gesagt hat“ – der Name kommt ihm nicht so leicht über die Lippen – die unbedingte Bereitschaft, seine Alliierten zu verteidigen.

Der Wechsel der Tonlage lässt sich erklären. Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel am Mittwoch und Donnerstag war man unter sich in der Nato-Familie, da wurde Tacheles geredet, zumal hinter verschlossenen Türen. Die USA verlangen, dass die Selbstverpflichtung, zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) für Verteidigung auszugeben, zu der sich alle Nato-Staaten seit vielen Jahren immer wieder bekannt haben, kein Lippenbekenntnis bleibt. Entweder faire Lastenteilung – derzeit tragen die USA 70 Prozent der Kosten für die Schlagkraft der Nato – oder Amerika reduziert seine Solidarität mit Europa.

Hier in München ist man nicht unter sich, zudem sind die Debatten öffentlich. Da werden die Verbündeten doch nicht vor den Gästen aus Russland, China, dem Iran streiten. „Wir Deutschen haben verstanden“, sagt von der Leyen in Variationen. „Dass wir uns auf die Tatkraft unserer amerikanischen Freunde verlassen und uns wegducken, das wird nicht so bleiben.“ Der Kurswechsel sei übrigens längst vollzogen. Der Anteil des BIP, der für Verteidigung ausgegeben werde, wachse seit 2016, zuvor war er lange gesunken. Es brauche freilich „einen langen Atem“, bis aus den heute 1,19 Prozent die gewünschten zwei Prozent werden. „Die Last gemeinsam zu tragen, ist das Prinzip, und für einander einzustehen, ohne Wenn und Aber.“ Heute schützten Bundeswehrsoldaten Litauen, weil die Deutschen nicht vergessen haben, dass sie ihre Sicherheit und Freiheit ihren Alliierten verdankten. Europa vereine seine Kräfte. Niederländische Einheiten seien in die Bundeswehr integriert, deutsche Marineboote unterstehen niederländischem Befehl. Die deutsch-französische Brigade ist in Mali im Einsatz.

Eine Breitseite von der Leyens richtete sich gegen Russland

Mit zwei Breitseiten unterstreicht von der Leyen Europas Selbstbehauptungswillen. Die eine richtet sie gegen Russland: Gemeinsam werde sich die Nato Rechtsbrechern entgegenstellen, sagt sie zum Krieg in der Ukraine. Es werde „keine bilaterale Verständigung mit Russland über die Beteiligten hinweg“ geben. Mit der anderen wahrt sie Distanz zu US-Präsident Trump. Zum Wesenskern der Nato gehören die Werte: Da sei kein Raum für Folter, da gelte die Verpflichtung, zivile Opfer zu vermeiden und offen für Menschen zu bleiben, die Zuflucht benötigen.

Der liebe Jim wiederholt in versöhnlichem Ton seine Forderung nach Lastenteilung. „Meine Botschaft in Brüssel war erwartbar. Sie wurde gut aufgenommen.“ Die zwei Prozent hätten die Europäer mehrfach zugesagt. Im Gegenzug versichert er, niemand müsse beunruhigt sein über Trump. Der habe „seine volle Unterstützung der Nato“ bekräftigt.

Angesichts der jähen Harmonie wirkte es gesund, dass die Eröffnung der 53. Sicherheitskonferenz in eine Debatte über Europa überging. So weit wie zwischen Ursula und Jim reicht die Einigkeit in der Europäischen Union nicht. EU-Kommissar Frans Timmermans sagte dem polnischen Außenminister Witold Waszczykowski ungeschminkt, was er vom Umgang der nationalpopulistischen PiS-Regierung mit den Gerichten hält: Die Entmachtung des Verfassungstribunals verstoße gegen EU-Werte und aus Brüsseler Sicht gegen Polens Verfassung. Erbost wehrt sich Waszczykowski: „Belehren sie mich nicht über unsere Verfassung!“ Polen habe auf alle Bedenken geantwortet und sie ausgeräumt, behauptet Waszczykowski. Einen unverschämten Brief habe die Regierung geschrieben, entgegnet Timmermans. In der Debatte reden Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und EU-Abgeordnete wie Elmar Brok den Europäern ins Gewissen: Entweder konzentriere sich die EU darauf, ihre innere und äußere Sicherheit selbst in die Hand zu nehmen. Oder sie trage dazu bei, immer weniger relevant zu werden.

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