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Ursula von der Leyen (CDU) macht große Klimaschutz-Versprechen. Wird sie sie einhalten können?
© imago images / Future Image

Künftige EU-Kommissionschefin: Von der Leyen greift Frankreichs Klima-Ideen auf

Ursula von der Leyen hat große Pläne zum Klimaschutz. Einige ihrer Ideen sind von Frankreich lange propagiert, von Deutschland bisher aber ignoriert worden.

Es waren große Versprechungen, welche die frisch gewählte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den EU-Abgeordneten bei ihrer Bewerbungsrede am vergangenen Dienstag in Straßburg gemacht hat. Der Umweltschutz sei „unsere dringendste Aufgabe“, sagte sie. Daher wolle sie ein europäisches Klimagesetz vorlegen, das die Klimaneutralität bis 2050 festschreibt. Um den nötigen Wandel zu finanzieren, wolle sie Teile der Europäischen Investitionsbank (EIB) in eine Klimabank umwandeln – eine Billion Euro an Investitionsgeldern soll das im kommenden Jahrzehnt freisetzen.

Und sie möchte eine sogenannte CO2-Grenzsteuer einführen, um sicherzustellen, dass „unsere Unternehmen zu gleichen Bedingungen miteinander konkurrieren können“ und Unternehmen nicht ins EU-Ausland abwandern, um den CO2-Kosten zu entkommen.

Damit macht von der Leyen vor allem einen Schritt auf die französischen Abgeordneten zu. Denn die Idee einer Grenzsteuer auf Kohlenstoffdioxid wird schon seit einem Jahrzehnt von Frankreich beworben, bereits der frühere Präsident Nicolas Sarkozy sprach sich dafür aus. Auch Staatschef Emmanuel Macron ist ein großer Verfechter des Konzepts.

Die Idee hinter einer solchen Steuer ist es, Klimaschutz mit wirtschaftlichen Interessen zu verknüpfen und die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft angesichts immer höherer Umweltstandards zu erhalten. Dazu soll eine Gebühr auf Produkte aus Drittstaaten anfallen, deren Herstellung besonders Kohlenstoffdioxid-intensiv war – ein CO2-Zoll sozusagen.

Zugeständnisse an Macron?

In Frankreich wird diese Steuer von der Mehrheit der Parteien mitgetragen. Entsprechend erfreut zeigte sich der Spitzenkandidat der Republikaner zur EU-Wahl und Vize-Bürgermeister von Versailles, François-Xavier Bellamy, auf Anfrage von EurActiv: „Das war eine wichtige Forderung unserer Partei. Wir sind sehr froh, dass sich die deutsche Kommissionspräsidentin den Punkt zu eigen gemacht hat. Denn gerade für die Deutschen als starke Exportnation ist das keine einfache Maßnahme“.

Tatsächlich hat sich Deutschland bisher nicht gerade für die Idee erwärmen können. Sind von der Leyens Ansagen ein Zugeständnis an Emmanuel Macron, der sie als Kommissionspräsidentin ins Rennen gebracht hatte? „Ihre Visionen sind nicht rein französisch. Sie bewegt sich damit vor allem auf die grünen Parteien zu und ist von der nationalen Debatte in Deutschland geprägt“, meint Nicolas Berghmans, Forscher für Klimapolitik am französischen Thinktank IDDRI im Gespräch mit EurActiv.

CO2-Grenzsteuer praktisch schwer umzusetzen

Deutschland debattiert seit Monaten die Einführung eines nationalen Preises auf CO2, wie ihn bereits Schweden, Großbritannien und Frankreich haben. Noch gibt es allerdings Widerstand seitens der CDU. In einem Gutachten der sogenannten Wirtschaftsweisen zogen die Regierungsberater erstmals auch eine CO2-Grenzsteuer in Betracht. Diese sei „theoretisch attraktiv“, aber schwer umzusetzen. Im Bundeswirtschaftsministerium äußerte man sich kürzlich auf Anfrage der „tageszeitung“ noch zurückhaltender: Man könne noch keine Bewertung einer solchen EU-weiten Steuer vornehmen, hieß es.

Auch die EU-Kommission hat in der Vergangenheit immer wieder betont, dass die Einführung einer CO2-Steuer auf in die EU importiert Produkte nur schwer durchzusetzen sei. Zum einen ist Steuerpolitik nämlich nationale Angelegenheit, jedwede Einigung im Rat müsste also von allen Mitgliedsstaaten zusammen getragen werden – danach sieht es derzeit bei Weitem nicht aus. Außerdem müssten sämtliche Handelsabkommen der EU angepasst werden, gleiches gilt für den bereits existierenden EU-Zertifikatehandel.

Und auch ganz praktisch dürfte eine CO2-Grenzsteuer nur schwer umzusetzen sein: Denn Behörden und Unternehmen müssten dann in mühseliger Kleinarbeit den CO2-Abdruck eines jeden Produktes oder einer Produktgruppe ermitteln, um diese beim Import entsprechend zu besteuern.

Angst vor Handelsstreitigkeiten

Seitens der Industrie zeigt man sich handlungsbereit, den Klimazielen entsprechen zu wollen. Dabei brauche es in der Tat Schutzmaßnahmen für europäische Unternehmen: „Es ist Konsens in der Industrie, dass wir keine wirtschaftliche Vorreiterrolle einnehmen können, ohne unsere Wirtschaft zu schützen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang, zu EurActiv.

[Erschienen bei EurActiv. Der Tagesspiegel und das europapolitische Onlinemagazin EurActiv kooperieren miteinander.]

Aber der Verband fürchtet Verstöße gegen die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). Die schreibt nämlich vor, dass gleiche Produkte, egal wie sie hergestellt wurden, weltweit auch gleich besteuert werden sollen. Das würde ausschließen, dass die EU in China hergestellte Mikrowellen anders besteuern darf als solche aus tschechischer Produktion, nur weil sie eventuell CO2-lastiger hergestellt wurden. „Die EU kann sich selber natürlich ambitionierte Klimavorgaben setzen. Grenzausgleichssteuern würden Drittstaaten aber wohl als Protektionismus auffassen“, meint Lang. Die EU, so die Befürchtung, könnte sich in weitere Handelskonflikte stürzen.

Industrielobby erwägt erstmals CO2-Grenzsteuer

Doch die Debatte scheint sich zu verschieben, kürzlich äußerte sich der europäische Lobbyverband der Industrie, BusinessEurope, zu dem auch der BDI gehört, erstmals offen über die CO2-Grenzsteuer. In einem Strategiepapier vom April heißt es, die Steuer sei auch unter WTO-Regeln möglich, die EU solle aber vor Einführung die praktische Umsetzung einer solchen Maßnahme genau unter die Lupe nehmen.

Tatsächlich sehen die WTO-Regeln eine Reihe von Ausnahmen für Sonderzölle vor. Einer davon gilt Maßnahmen zum Schutz von „erschöpfbaren natürlichen Ressourcen“. Eine CO2-Grenzsteuer sei also rein rechtlich möglich, meint auch der Thinktank CEPS in einer Studie von 2010. Ein Bekenntnis der europäischen Industrie zur CO2-Grenzsteuer hat es noch nicht gegeben, dazu mangelt es auch an ausgereiften Modellen für die Steuer.

Von der Leyen sieht große Wachstumschancen im grünen Business

Und wie steht es mit von der Leyens Vorschlag zur europäischen Klimabank? „In gewissem Sinne haben wir das schon mit der Europäischen Investitionsbank. Daher macht es am meisten Sinn, diese auszubauen und ihre Investitionen noch stärker auf den Umweltschutz auszurichten, als eine neue Institution zu schaffen. Das wäre die pragmatischste Lösung“, sagt der Klimapolitik-Forscher Berghmans. Bereits jetzt fließen mindestens 25 Prozent der Finanzierungen der EIB in den Kampf gegen den Klimawandel, bis 2020 will die Bank rund 100 Milliarden US-Dollar für Klimaprojekte vergeben.

Von der Leyen nimmt auch hier die französische Sichtweise ein, Klimaschutzmaßnahmen mit dem freien Markt zu verbinden. Laut Informationen von Bloomberg sagte sie gegenüber der liberalen Fraktion im EU-Parlament, es gebe „gewaltige Wachstumschancen“ auf dem Weg zur Klimaneutralität. Wenn die EU als erste „in grüne Investitionen, grüne Bonds und in umweltfreundliche Forschung und Technologien investieren“ würde, könne sie zu einem weltweiten Vorbild werden.

Es ist also noch offen, ob von der Leyen die Staats- und Regierungschefs der EU von ihren Klimaversprechen wird überzeugen können. Zumindest bei der CO2-Grenzsteuer scheint eine Einigung noch weit entfernt.

Florence Schulz

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