Kaserne nach gefallenem Soldaten benannt: Von der Leyen gibt der Bundeswehr neues Traditionsverständnis vor
Nach dem Skandal um rechtsextreme Umtriebe in der Bundeswehr unterschreibt Ursula von der Leyen einen neuen Traditionserlass und benennt eine Kaserne um - nach einem in Afghanistan gefallenen Soldaten.
Knapp ein Jahr nach dem Skandal um rechte Umtriebe in der Bundeswehr regeln neue Richtlinien den Umgang der Truppe mit Traditionen und der Wehrmacht. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unterzeichnete am Mittwoch in Hannover den überarbeiteten Traditionserlass der Bundeswehr. Er gibt vor, dass die Soldaten bei der Suche nach Vorbildern den Blick künftig vor allem auf die mehr als 60 Jahre lange Geschichte der Bundeswehr richten sollen.
Zugleich benannte die Ministerin die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover um, sie trägt nun den Namen des in Afghanistan getöteten Feldjägers Tobias Lagenstein. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass eine Kaserne den Namen eines in einem Auslandseinsatz gestorbenen Bundeswehrsoldaten trägt.
Die eigene Geschichte müsse in den Mittelpunkt der Erinnerungskultur gestellt werden, sagte von der Leyen. „Sie wird zum zentralen Bezugspunkt unserer Tradition.“ Die Bundeswehr stehe seit mehr als sechs Jahrzehnten für Recht und Freiheit dieses Landes ein, habe seit einem Vierteljahrhundert zum internationalen Krisenmanagement beigetragen und sich in Einsätzen und im Gefecht bewährt. „Auf diese Geschichte darf die Bundeswehr unendlich stolz sein.“
Weder Wehrmacht noch die Nationale Volksarmee der DDR könnten traditionsstiftende Institutionen sein, heißt es in dem Erlass. Trotzdem könnten einzelne Angehörige von Wehrmacht und NVA Vorbilder sein - etwa, wenn sie militärischen Widerstand gegen das NS-Regime geleistet oder sich gegen die SED-Herrschaft aufgelehnt hätten. „Es kommt auf die einzelne Person an, und wir müssen immer sorgfältig abwägen“, sagte von der Leyen. Es gehe um die Frage nach persönlicher Schuld. „Militärische Exzellenz allein genügt jedenfalls nicht.“
Lob vom Wehrbeauftragten
Die Affäre um den rechtsextremen Oberleutnant Franco A. hatte vor knapp einem Jahr eine Diskussion über den Umgang der Bundeswehr mit ihren Traditionen entfacht. Der rechtsextreme Oberleutnant soll sich als Flüchtling getarnt und gemeinsam mit Kameraden Anschläge geplant haben. So mancher Vorwurf hat sich nicht erhärtet, Franco A. ist wieder auf freiem Fuß. Trotzdem hat der Fall eine breite Debatte über den Umgang der Truppe mit der Wehrmacht in Gang gesetzt.
Der alte Traditionserlass stammt von 1982. Es sei höchste Zeit gewesen, die Richtlinien neu zu fassen, sagte Generalinspekteur Volker Wieker. Die Ereignisse des vergangenen Jahres seien ein „wesentlicher Augenöffner für uns alle“ gewesen.
Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) lobte den neuen Erlass. „Was sich jetzt ändert, ist der Blick auf die sechs Jahrzehnte eigene Bundeswehrgeschichte“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Da gibt es so viele historische Ereignisse, vorbildhaftes Verhalten, auch herausragende Tapferkeit.“
Die Linke erkennt in den neuen Richtlinien hingegen eine Gleichsetzung von Wehrmacht und NVA. „Dies verharmlost die Verbrechen der Wehrmacht erheblich“, kritisierte Tobias Pflüger, verteidigungspolitischer Sprecher der Linksfraktion. Der Bruch mit der Wehrmacht gehe in dem Papier nicht weit genug.
Um den Traditionswechsel einzuleiten, benannte von der Leyen nach Unterzeichnung des Erlasses bei einem feierlichen Appell die Emmich-Cambrai-Kaserne in Hannover um. Die Kaserne heißt nun Hauptfeldwebel-Lagenstein-Kaserne. Tobias Lagenstein war ein früher in Hannover stationierter Feldjäger, der 2011 bei einem Anschlag in Afghanistan ums Leben gekommen war.
Von der Leyen bezeichnete Lagenstein als Vorbild. „Ich kann mir deswegen keinen besseren Namensgeber für diese Kaserne denken.“ Die Initiative für die Umbenennung ging von den Soldaten vor Ort aus. Der bisherige Kasernennamen erinnert an den preußischen General Otto von Emmich, dessen Rolle beim deutschen Einmarsch in Belgien im Ersten Weltkrieg umstritten ist. (dpa)