Ungarn: Triumph der Rechten: Viktor Orban regiert weitere vier Jahre
Die Fidesz-Partei des rechts-nationalen Regierungschefs Viktor Orban gewinnt klar die Parlamentswahl in Ungarn deutlich. Die Rechtsextreme Jobbik-Partei wird sogar drittstärkste Kraft.
Viktor Orban, Ungarns in der EU äußerst umstrittener Ministerpräsident, kann vier weitere Jahre regieren. Anders als bei den europäischen Nachbarn hat ihm in Ungarn seine stramm konservative Politik seiner rechtsbürgerlichen Fidesz-Partei den klaren Sieg bei der Parlamentswahl vom Sonntag beschert: Nach Auszählung von 94 Prozent der Stimmen erhielt Fidesz 44,6 Prozent. Das oppositionelle Linksbündnis kam demnach auf 25,8 Prozent der Stimmen.
Orban ließ sich am Sonntag von Anhängern in Budapest als Wahlsieger feiern. „Wir können mit absoluter Sicherheit sagen, dass wir gewonnen haben“, sagte der 50-Jährige. „Die Wahlen waren frei. Organisiert in einem freien Land“, rief er.
Antisemisten drittstärkste Kraft
Die antisemitische und rechtsextreme Jobbik-Partei, die auch durch ihre verbalen Attacken gegen die Minderheit der Roma in die Kritik geriet, kam auf einen Stimmenanteil von 20,8 Prozent. Gordon Bajnai vom oppositionellen Linksbündnis räumte die Niederlage ein. Der frühere Regierungschef sprach von einer „vernichtenden Niederlage“. „Das ist eine große Enttäuschung für diejenigen, die einen Regierungswechsel wollten“, sagte er. Linksbündnis-Spitzenkandidat Attila Mesterhazy sagte, er akzeptiere das Ergebnis, wolle Orban aber nicht gratulieren. „Orban hat seine Macht ständig missbraucht“, sagte Mesterhazy. „Ungarn ist nicht frei, ist keine Demokratie.“
Der klare Sieg der Fidesz-Partei hatte sich vor der Wahl abgezeichnet. Die wichtigste Frage war für die meisten Ungarn deshalb nicht, ob Orban weiterregieren kann, sondern ob er sich erneut auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament stützen kann. Mit einer solchen Mehrheit gelang es dem Regierungschef, seit 2010 rund 850 Gesetze durchs Parlament zu pauken und fast alle juristischen Institutionen sowie die Medien auf Linie zu bringen.
Die Fidesz-Partei hatte mit ihrer Parlamentsmehrheit dem Wahlsystem eine gründliche Reform verpasst, die einen Sieg der Opposition insgesamt deutlich erschwert hat. So wurden die Wahlbezirke neu zugeschnitten und die Veröffentlichung von Wahlwerbung erschwert. Zudem wurden die Regeln für die Sitzverteilung im Parlament so geändert, dass große Parteien wie die Fidesz einen noch größeren Vorteil genießen als zuvor.
Die Wahlbeteiligung lag mit rund 58 Prozent unter der vom 2010
Zusätzlich hat die Orban-Regierung in den letzten vier Jahren rund 200 000 ethnischen Ungarn aus Nachbarländern wie Rumänien, Serbien, der Slowakei und der Ukraine die ungarische Staatsangehörigkeit und damit auch das Wahlrecht erteilt. Diese Wahlberechtigten stimmten überwiegend für die Fidesz-Partei. Auf der anderen Seite wurde die Wahlbeteiligung ausgewanderter Ungarn, die zur Wählerschaft der linksliberalen Opposition gehören, erschwert. So blieb ihnen etwa das Recht auf Briefwahl verwehrt.
Grünen müssen um Einzug ins Parlament bangen
Auf dem dritten Platz landet ähnlich wie 2010 die rechtsextreme Partei Jobbik, deren rassistische, antisemitische und homophobe Rhetorik offenbar eine große und treue Stammwählerschaft überzeugt hat. Vor vier Jahren waren die Rechtsextremisten mit 16,67 Prozent zum ersten Mal ins Parlament eingezogen. „Das Ergebnis zeigt, dass Jobbik kein Zufall in der ungarischen Politik ist“, sagte der Budapester Soziologe Janos Ladanyi. Vielmehr deute die Verwurzelung des Rechtsextremismus in Teilen der Wählerschaft darauf hin, dass ein großer Teil der Gesellschaft einem „Gefühl der Ungerechtigkeit“ Ausdruck verleihe.
Die Umweltpartei LMP musste um ihren Einzug ins Parlament bangen, nachdem sie in den ersten Prognosen noch bei sechs Prozent gelegen hatte. Im Wahlkampf hatten die Grünen ihre Unabhängigkeit von den beiden großen politischen Lagern betont und sich geweigert, sich dem Linksbündnis anzuschließen. Die Wahlbeteiligung lag mit rund 58 Prozent unter der vom 2010. Damals waren es 64 Prozent gewesen. Studien zufolge war es vor allem das linksliberale Oppositionsbündnis, das seine traditionellen Wähler weniger mobilisieren konnte als zuvor. Grund dafür könnten die Steuerhinterziehungs- und Korruptionsskandale sein, die das linke Lager in den letzten Wochen plagten. Zwar gilt die Clique rund um Premier Orban für die überwiegende Mehrheit der ungarischen und internationalen Beobachter keinesfalls als anständiger als ihr Gegner. In Felcsut, dem Heimatdorf des Ministerpräsidenten, sind dessen Frau, Aniko Levai, dessen Vater Gyözö Orban und mehrere Familienfreunde zu Großgrundbesitzern geworden, die ihre Geschäfte gerne auch aus EU-Geldern finanzieren. Doch die meisten Medien in Ungarn berichten kaum über die Affären aus dem Umfeld der Fidesz-Partei.
Silviu Mihai