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Sein Auftritt: Viktor Orban im März beim Unabhängigkeitsgedenken.
© AFP

Ungarn: Der sichere Sieger

Bei der Wahl in Ungarn am Sonntag stehen die Rechtsnationalisten von Premier Viktor Orban als Wahlgewinner praktisch fest. Für die Demokratie in Ungarn wäre dies ein weiterer Rückschritt.

Budapest - „Die Zukunft gehört den starken Nationen und wir haben in den letzten Jahren gezeigt, dass Ungarn dazu gehört“, ruft der Ministerpräsident ins Mikrofon. Mehrere tausend Anhänger applaudieren, immer wieder bekunden sie mit „Viktor“-Rufen ihre Unterstützung. Familien mit Kindern, Rentner, Jurastudenten in Anzügen und Jugendliche in Volkstracht, Vertreter der „bürgerlichen Mitte“ sind gekommen. Am 15. März lädt die Regierung traditionell zum Feiern auf dem Platz vor dem Nationalmuseum für Geschichte, ein Volksfest für Jung und Alt. Doch seit dem Erdrutschsieg der rechtspopulistischen Partei Fidesz bei den letzten Parlamentswahlen 2010 wurden diese Frühlingsfeierlichkeiten zu einer Parteiveranstaltung, auf der keine Kritik an Premier Viktor Orban geäußert werden darf.

Als sich in der Menge eine kleine Gruppe bemerkbar macht, die statt der ungarischen Trikolore Flaggen trägt, auf denen Orban neben dem russischen Staatschef Wladimir Putin abgebildet ist, reißen ältere, sichtlich verärgerte Damen den Protestlern die Flaggen aus den Händen. „Seid ihr keine Ungarn?“ fragen Stimmen aus der Menge.

„Ungarn wird gegen Banken, Multis und imperiale Bürokraten seine Interessen verteidigen. Dafür brauchen wir Einheit“, führt der Premier fort. „Und der Name dieser Einheit ist der 6. April.“ An diesem Sonntag werden die Ungarn wieder zu den Urnen gerufen, um über die nächsten vier Jahre zu entscheiden. Und die Entscheidung wird Orban vorausschichtlich gut gefallen, das belegen alle Umfragen. 48 Prozent derjenigen, die sicher wählen gehen wollen, gaben an, die konservative Fidesz zu bevorzugen. Das Wahlergebnis von 2010 lag bei 53 Prozent. „Unter dem neu eingeführten Wahlsystem würde rund die Hälfte der abgegebenen Stimmen reichen für eine neue Zweidrittelmehrheit der Parlamentssitze. Hinzu kommt, dass Fidesz die Wahlbezirke zum Nachteil der linken Kandidaten neu definiert hat“, erklärt der Budapester Soziologe Janos Ladanyi.

Die verfassungsändernde Mehrheit, die er sich 2010 sicherte, nutzte Orban für ein mehr als kühnes Durchregieren. 2011 setzte er eine neue, nationalistische, auf Machterhalt abzielende Verfassung durch. An Zensur grenzende Regelungen für Medien sind darin ebenso verankert wie die Beschneidung der Rechte des Verfassungsgerichts. Ganze Politikfelder sind künftigen, eventuell anders zusammengesetzten Regierungen entzogen, wenn sie nicht ihrerseits über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament verfügen. So ist eine Einheitssteuer von 16 Prozent auf Einkommen ebenso in der Verfassung festgeschrieben wie das Verbot, eine kapitalgedeckte Säule in die Rentenpflichtversicherung einzuziehen.

„Diese Wahl wird frei sein, aber alles andere als fair“, stellte Orbans Gegner, der Sozialistenchef Attila Mesterhazy, fest. Fidesz kontrolliert direkt oder indirekt die meisten traditionellen Medien, nur die Online-Nachrichtenportale bleiben in der Regel regierungskritisch.

Die Bilanz der letzten vier Jahre fällt in Ungarn, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht, katastrophal aus. Zwar steckte das Land bereits seit 2006 in einer tiefen Krise. Aber die Einführung der „Flat-Tax“ auf Einkommen führte nicht, wie von Orban versprochen, zu Wachstum, sondern benachteiligte massiv Geringverdiener, deren Steuerbelastung früher geringer war. Die hohe Verschuldung der ungarischen Haushalte infolge der 2009 geplatzten Immobilienblase bleibt ein großes Problem, das die Regierung erst nach der Wahl anpacken will.

Auch bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war Fidesz nur formal erfolgreich: Rund 200 000 Menschen verschwanden aus der offiziellen Arbeitslosenstatistik, weil sie in ein hoch umstrittenes staatliches Beschäftigungsprogramm gemeinschaftlicher Arbeit gezwungen wurden und dadurch nicht mehr als Langzeitarbeitslose auftauchen.

Dennoch bleibt Orban unter den Vertretern der angeschlagenen Mittelschicht populär, nicht zuletzt weil er mit seinem Lieblingsthema, dem „Kampf um die Nebenkosten“, gut gepunktet hat. Die Kosten der Strom-, Wasser- und Gasversorgung, die die meisten ungarischen Haushalte schwer belasten, wurden nämlich per Gesetz bereits um 20 Prozent gesenkt. Weitere „Befreiungsschläge“ und sogar die Verstaatlichung der privaten Versorger sind schon im Gespräch und werden wahrscheinlich nach den Wahlen zumindest teilweise umgesetzt.

Silviu Mihai

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