Trump verlässt das Gespür für seine Wähler: Vier Gründe für die Absage des Republikanischen Parteitags
Die Basis im Swing State Florida und die Großspender zwingen dem Präsidenten Wenden in der Corona- und der Parteipolitik auf. Eine Analyse.
Das Weiße Haus hatte die Pressekonferenz angesetzt, um die Pläne für die Wiedereröffnung der Schulen nach der Sommerpause auszubreiten. Es hatte auch ein strategisches Ziel: den Präsidenten als konstruktiven Manager der Coronakrise auftreten zu lassen und damit in den Hintergrund zu rücken, dass er die Gefahren der Pandemie monatelang verniedlicht hatte.
Der Krisenmanager im Kampf mit dem Personal Manager
Doch dieser Präsident ist Donald Trump. Der verfolgt seine eigene Agenda und lässt sich nicht von Kommunikationsberatern auf „Message Discipline“ festlegen, nämlich bei der geplanten Botschaft zu bleiben. Von der Schulöffnung im September sprach hinterher kaum jemand.
Trump hatte ein neues Thema gesetzt: die Absage des Nominierungsparteitags der Republikaner Ende August in Jacksonville, Florida. Genauer, die Reduzierung einer Jubelschau, die er als Massenauflauf geplant hatte und die Bilder von ihm inmitten begeisterter Anhänger schaffen sollte, zu einer weitegehend virtuellen Videokonferenz.
Warum tut er das? Warum die Absage jetzt holterdipolter? Und warum nicht strategisch geplant das Eine nach dem Andern? Erst die Schulpläne als oberster Kümmerer der Nation.
Und an einem anderen Tag die Neuigkeiten zur Convention, wobei er sich erneut verantwortungsbewusst geben und behaupten könnte, dass er die Gesundheit im Staate Florida sowie die Gesundheit der zumeist älteren Teilnehmer an Republikanischen Parteitagen über seine wahltaktischen Interessen stellt. Sieht er nicht, wie er sich mit seinem spontanen Vorgehen doppelten Schaden zufügt?
Trump zeigt Anflüge von Panik, sein Instinkt lässt ihn im Stich
Er agiert nicht wie ein Krisenmanager für das Land, er verhält sich wie ein Personal Manager, der die individuellen Interessen seines Auftraggebers in den Mittelpunkt stellt. Alle drei Positionen sind mit ein und derselben Person besetzt: Donald Trump.
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Dass ihm die Ego-Show wichtiger ist als die Verantwortung als Präsident, ist nicht neu. Doch über drei Jahre ging beides mehr oder weniger Hand in Hand ohne größere Schäden für den Rückhalt in der US-Wählerschaft. Das hat sich geändert.
Die Fortüne hat ihn verlassen, dann kam Pech hinzu in Form der Pandemie, die seine Pläne für die Strategie zur Wiederwahl über den Haufen warf, voran eine gute Wirtschaft als zentrales Argument. Und nun zerstört er selbst den Eindruck, dass er ein besonderes Gespür habe, wie die wahlentscheidenden Gruppen in den USA ticken. Er agiert wie ein Schwimmer, den Panik erfasst und der sich mit unüberlegten Reaktionen immer tiefer in den Abwärtsstrudel manövriert. Die Strategie des Herausforderer Joe Biden beruht inzwischen darauf, Trump bei der Selbstzerstörung zuzusehen.
Vier Gründe für die Absage
Vier Gründe ragen aus den Motiven für die Absage heraus: die von der Entwicklung erzwungene generelle Wende Trumps im Umgang mit Corona, der latente Druck aus der Partei und unter den Großspendern für die Finanzierung des Parteitags gegen eine Massenveranstaltung sowie der spezielle, regionale Widerstand gegen die Convention in Florida, der wiederum mit der Entwicklung der Infektions- und Totenzahlen im Sunshine State zu tun hat.
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Monatelang hatte Trump Corona heruntergespielt bis zur Prognose, das Virus werde „einfach verschwinden“. Er hatte das Maskentragen und andere Vorkehrungen verspottet und betont, das Wichtigste sei, die Wirtschaft zum Laufen zu bringen. Mittlerweile haben die USA vier Millionen Infizierte. Trump hat sich überreden lassen, Corona als ernste Gefahr zu betrachten, die seine Wiederwahl gefährdet, und ruft nun zum Maskentragen auf.
Wachsender Widerstand bei Spendern und der Basis in Florida
Mehrere Parteigrößen bis hinauf zu Mitch McConnell, Fraktionsführer im Senat, haben öffentlich Zweifel an den Plänen für die Convention geäußert. Sieben Senatoren haben ihre Teilnahme abgesagt. Laut Berichten in Lokalmedien in Jacksonville und Florida gehen Großspender für die Finanzierung des Parteitags auf Distanz oder kündigen an, dass sie, selbst wenn sie dort kurz zeigen, nicht in Jacksonville übernachten werden.
62 Prozent der Wahlberechtigten in Florida betrachten es in einer Quinnipiac-Umfrage vom Donnerstag als Gesundheitsrisiko, wenn ein Parteitag in Jacksonville als gewohnte Massenveranstaltung mit Zehntausenden Teilnehmern abgehalten würde. Die Pandemie breitet sich in Florida weiter aus.
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Allein am Donnerstag meldete der Staat 10.239 Neuinfektionen und 173 Tote, eine Rekordzahl. Der „Sunshine State“ gehört zu den wahlentscheidenden „Swing States“. Im April führte Trump dort noch leicht in den Umfragen. Nun hat Biden einen klaren Vorsprung.
Alles in allem liest sich das Convention-Drama wie eine Fortsetzungsgeschichte, die das Sprichwort „Hochmut kommt vor dem Fall“ belegt. Ursprünglich hatte Trump die Convention in Charlotte, North Carolina, geplant. Dann kam Corona, und Trump verlangte von Gouverneur Roy Cooper, einem Demokraten, eine Garantie, dass es keine pandemiebedingten Auflagen für den Parteitag geben werde. Cooper verweigerte diese Zusage.
Trump wird der Schwenk aufgezwungen. Ouch! Das tut weh
Die Demokratische Partei hatte bereits im April ihren Nominierungsparteitag in Milwaukee, Wisconsin wegen Corona von Mitte Juli auf Mitte August verschoben und auf ein virtuelles Format reduziert. Trump jedoch blieb bei seinen Plänen einer Massenveranstaltung und verlegte Anfang Juni einen Großteil des Parteitags nach Florida, wo ein Republikaner, Ron DeSantis, Gouverneur ist.
Doch nun werden Floridas Republikaner selbst von der Angst erfasst, ihre Ämter und Machtpositionen zu verlieren, wenn Trump seinen Kurs nicht ändert und sie sich an ihn klammern. Die Treue zu ihm bröckelt. Der Mann an der Spitze ist nur so stark wie sein Rückhalt an der Basis. Daher Trumps erzwungene Wende. Ouch! Die tut einem Egomanen wie ihm besonders weh.