Midterm-Wahlen 2018 in den USA: Vielsagendes Fernduell zwischen Obama und Trump
Vor der Kongresswahl versuchen der US-Präsident und sein Vorgänger, ihren Parteien den letzten Schub zu geben. Die Schonzeit für Trump ist vorbei.
Sie sind die Alphatiere der US-Politik der letzten Jahre: der aktuelle US-Präsident Donald Trump, die Nummer 45 im Weißen Haus seit Staatsgründung, und sein Vorgänger Barack Obama, Nummer 44. Ihre Politikstile unterscheiden sich wie Feuer und Wasser. Sie stehen für unterschiedliche Modelle der amerikanischen Zukunft. Ihre Auftritte ziehen die Wähler in den letzten Tagen vor den Midterm-Wahlen am Dienstag an: der Kongresswahl zur Mitte der vierjährigen Wahlperiode von Präsident Trump.
Barack Obama hat sich nach seinem Abschied aus dem Weißen Haus lange zurückgehalten mit öffentlichen Auftritten. So will es die Tradition. Man erschwert dem Nachfolger den Start nicht durch offene Kritik, man lässt ihm Raum, sich ins Amt zu finden. Obama war George W. Bush dankbar für diese Rücksichtnahme, als er im November 2008 die Wahl gewann und im Januar 2009 den Amtseid schwor. Und er hat sich gegenüber Trump an die Regel gehalten, auch wenn es ihm schwer gefallen sein dürfte.
Die Schonzeit ist nun längst vorbei. Das Fernduell zwischen Nr. 44 und Nr. 45 prägt das Wochenende vor der Kongresswahl. Obama macht mit seinen Auftritten klar, dass es am Dienstag nicht nur um die Mehrheit in den beiden Kammern des Kongresses geht, das Repräsentantenhaus und den Senat. In 39 Bundesstaaten werden Gouverneure und/oder die Landtage gewählt. Und er stellt - am Freitag in Miami, Florida - eine Frage zur Stimmung im Land, die von vielen Medien aufgenommen wird: "Woher kommt es, dass die Leute, die die letzte Wahl gewonnen haben, weiter so wütend sind?"
Unterstützung für schwarze Gouverneurskandidaten
Obama konzentriert sich auf Florida und Georgia, wo die Demokraten afroamerikanische Kandidaten für den Gouverneursposten aufgestellt haben. In beiden Staaten wäre es eine Premiere, wenn sie gewinnen. In seinem Heimatstaat Illinois unterstützt Obama den Gouverneurswahlkampf seines langjährigen Freundes J.B. Pritzker; im benachbarten Indiana die Wiederwahl des demokratischen Senators Joe Donelly in einem traditionell republikanischen Staat.
Trump tritt parallel in West Virginia auf, einem anderen Staat, wo ein Demokrat, Joe Manchin, seinen Senatssitz zu verteidigen sucht, obwohl dort Trump bei der Präsidentenwahl 2016 mit zweistelligen Prozentpunkten vorne lag. Und er flog am Wochenende nach Florida, Georgia, Montana und Tennessee, wo die Rennen um die Senatssitze eng verlaufen.
Beide, Trump wie Obama, treffen auf begeisterte Anhänger bei ihren Auftritten. Obama zieht mehr Aufmerksamkeit in den Medien auf sich. Er war in den letzten zwei Jahren seltener öffentlich zu sehen als sein Nachfolger. Und er zieht das Publikum erneut mit seinen Botschaften und seiner Rhetorik in seinen Bann. In Miami sprach er am Freitag vor 4.000 Menschen und wurde immer wieder von so genannten "Hecklern" mit Zwischenrufen unterbrochen: Störern, die - so zumindest der Verdacht - von der Gegenseite eingeschleust wurden.
Nach der fünften Unterbrechung hält Obama kurz inne. Und stellt dann die bereits zitierte Frage: "Woher kommt es, dass die Leute, die die letzte Wahl gewonnen haben, weiter so wütend sind? Das ist doch eine interessante Frage. Ich meine: Als ich die Präsidentschaftswahl gewann, haben sich meine Anhänger ziemlich gut gefühlt. Es ist eine interessante Erfahrung, dass die Leute, deren Lager an der Macht ist, immer noch wütend sind. Denn sie werden dazu aufgestachelt, wütend zu sein."
Trump verfolgt Obamas Auftritte in der "Air Force One"
Trump schaue sich Obamas Auftritte via Fernsehen an, berichten Journalisten, die ihn an Bord der Präsidentenmaschine "Air Force One" begleiten. Und er reagiert bei seiner nächsten Station darauf. Obama stellt in Miami heraus, dass Trump auf "eine Politik der Spaltung" setze. "Wir müssen die Lügen und die Mauer des Lärms durchbrechen."
Trump antwortet bei seiner Rally in Huntington, West Virginia, mit dem Gegenvorwurf: In Wahrheit sei Obama der Lügner. Obama habe seine Wahlkampfversprechen gebrochen, von den falschen Versprechungen einer preiswerten Krankenversicherung für alle über die Pressefreiheit bis zu den angeblichen Vorteilen globalen Handels. "Lüge über Lüge, gebrochene Versprechen über gebrochene Versprechen - das war seine Bilanz."
Natürlich streiten beide via Fernduell auch darüber, wem die US-Bürger den Aufschwung der letzten Jahre zu verdanken haben. Trump beruft sich auf die am Freitag veröffentlichten Zahlen vom Arbeitsmarkt im Oktober: 250.000 neue Jobs, die Arbeitslosenrate ist auf 3,7 Prozent gesunken. Die Wirtschaft erlebe "einen Boom wie nie zuvor", das sei sein Verdienst.
Wem gehört der Aufschwung?
"Keine vorschnellen Schlüsse", kontert Obama. Von einem Trump'schen Wirtschaftswunder könne keine Rede sein. 2015 und 2016, als er, Obama, Präsident war, haben sich die Zahlen genau so positiv entwickelt. Aus den Reiserouten von Obama und Trump versuchen US-Medien die Sicht beider Lager auf den Stand des Wahlkampfs abzuleiten. In dieser Interpretation haben die Republikaner den Kampf um die Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren gegeben und konzentrieren sich ganz darauf, ihre Ein-Stimmen-Mehrheit im Senat zu halten oder sogar noch auszubauen.
Die Demokraten sind aus dieser Perspektive zuversichtlich, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erobern. Sie wollen die mutmaßlich nicht mehr zu verhindernde Mehrheit der Republikaner im Senat möglichst klein halten. Und sie hoffen auf Erfolge bei den parallelen Gouverneurs- und Landtagswahlen quer durch die USA. Wer die Macht zurück erobern will, darf sich nicht auf den Kampf um die Hauptstadt beschränken. Er muss in der Fläche erfolgreich sein.