IS-Miliz kehrt mit Terror zurück: Viele Tote bei Angriff auf Gefängnis in Syrien
Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat zum Sturm auf ein Gefängnis angesetzt und hunderte Inhaftierte befreit. Es ist ihr schwerster Angriff seit Jahren.
Der schwerste Angriff des „Islamischen Staates“ (IS) seit dem Ende seines „Kalifats“ vor drei Jahren kam nicht aus heiterem Himmel. Schon lange bevor IS-Trupps mit Autobomben und schweren Maschinengewehren zum Sturm auf das Gefängnis der nordost-syrischen Stadt Hassaka ansetzten, um 3500 Gesinnungsgenossen zu befreien, hatte sich die Rückkehr der Extremisten abgezeichnet. Sie profitieren davon, dass der militärische Druck auf sie nachlässt und die Zivilbevölkerung unzufrieden mit der Kurdenregierung in Ost-Syrien ist.
Die Kämpfe zwischen dem IS und der kurdisch dominierte Miliz SDF um das Gefängnis in Hassaka begannen am Donnerstagabend und hielten am Sonntag noch an. Die von den USA unterstützte SDF herrscht in weiten Teilen von Ost-Syrien und bewacht seit dem Zusammenbruch des IS-„Kalifats“ Zehntausende Kämpfer und ihre Familienangehörigen in mehreren Gefängnissen im Nordosten Syriens. In Hassaka sollen hochrangige IS-Mitglieder und ausländische Kämpfer sitzen. Für den IS wären diese Männer eine wichtige Verstärkung.
Die Extremisten überrumpelten zunächst die Wächter und ermöglichten Hunderten Inhaftierten die Flucht. Die SDF nahm die meisten Flüchtigen nach eigenen Angaben wieder fest, doch die Kämpfe um das Gefängnis gingen weiter, obwohl die SDF von der US-geführten Allianz gegen den IS aus der Luft unterstützt wurde. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, bis Sonntag seien mehr als 120 Menschen bei den Gefechten getötet worden. Tausende Zivilisten flohen aus den Wohngebieten um das Gefängnis.
Die syrischen Kurden beklagen seit Jahren, dass sie mit der Bewachung der IS-Mitglieder allein gelassen werden. Viele Länder weigern sich, ihre Staatsangehörige aus den SDF-Gefängnissen zurückzunehmen. Andere nehmen nur Frauen und Kinder. Das reiche bei weitem nicht aus, sagte SDF-Sprecher Ferhad Shami der kurdischen Nachrichtenagentur ANF.
"Kein lokaler Vorfall, sondern eine strategische Aktion"
Shami befürchtet, dass der Angriff auf das Gefängnis der Anfang einer neuen Gewaltwelle des IS ist. „Die Lage ist sehr ernst und gefährlich“, sagte er. „Es geht nicht um einen lokalen Vorfall, sondern um eine strategische Aktion. Der IS will sich wiederbeleben.“ Zeitgleich mit dem Angriff in Hassaka überfielen IS-Kämpfer im Irak eine Kaserne und töteten elf Soldaten.
Seit dem Ende des „Kalifats“ durch die Eroberung der letzten IS-Bastion in Syrien im März 2019 hat die internationale Koalition gegen die Dschihadisten ihre Militärpräsenz in der Region abgebaut. In Syrien sind nur noch etwa 900 US-Soldaten stationiert, im benachbarten Irak haben die Amerikaner ihren Kampfeinsatz beendet. Europäische Staaten wie Deutschland haben ihr Engagement wegen der Pandemie reduziert. Die syrische Armee konzentriert sich auf die Rückeroberung der Rebellenprovinz Idlib im Nordwesten Syriens.
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Mehrere tausend IS-Kämpfer zogen sich in ein Wüstengebiet in Syrien zurück und wagten sich zunächst nur mit sporadischen Angriffen und Anschlägen von Schläfer-Zellen aus der Deckung. Zu ihren Zielen gehörten Clans im Osten Syriens, die sie daran hindern wollten, sich der SDF anzuschließen, wie die US-Denkfabrik Washington-Institut für Nahost-Politik in einer Analyse festhielt. Zudem nutzt der IS die Spannungen zwischen der arabischen Bevölkerung und der SDF im Osten Syriens. Die Araber fühlen sich von den Kurden diskriminiert.
Das Washington-Institut forderte schon im vergangenen Jahr, die internationale Gemeinschaft müsse mehr tun, um die Lokalbehörden in den vom IS gefährdeten Gebieten zu stärken, die SDF aufzurüsten und eine Verständigung mit der Türkei zu suchen. Geschehen ist aber nichts.