NSU: Viele Rätsel im Mordfall Kiesewetter
Am Donnerstag tagt der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages zum zweiten Mal in dieser Woche. Diesmal steht der Mordfall "Kiesewetter" im Mittelpunkt. Und ein Zeuge könnte Spekulationen zum Hintergrund der Tat besonders anheizen.
Es war der mutmaßlich letzte Mord, den die Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ beging. Und es sind noch mehr Fragen offen als bei den anderen Verbrechen. Schon das Tatmotiv ist nicht geklärt. Haben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt am 25. April 2007 in Heilbronn die Polizistin Michèle Kiesewetter erschossen und ihren Kollegen Martin A. lebensgefährlich verletzt, um einen Feldzug gegen Repräsentanten des verhassten Staates zu beginnen? So sieht es die Bundesanwaltschaft, ohne völlig sicher zu sein, zumal der Angriff des NSU auf Polizisten keine Fortsetzung fand. Reichlich Stoff für den NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, der sich an diesem Donnerstag mit dem „Fall Heilbronn“ befasst. Und zumindest ein Zeuge könnte Spekulationen zum Hintergrund der Tat anheizen.
Ein Ex-Verfassungsschützer aus Baden- Württemberg hatte der Polizei im November 2011, kurz nach dem dramatischen Ende des NSU, eine wilde Geschichte erzählt. Ein Informant habe 2003 aus Thüringen erfahren, eine Neonazi-Gruppe namens NSU, darunter ein „Mundlos“, wolle in Heilbronn aktiv werden und Ausländer angreifen. Die Behörden in Baden-Württemberg stuften die Angaben als abwegig ein – doch der Ausschuss will sich selbst ein Bild machen.
Zwei Indizien machen stutzig. Es gibt Hinweise, dass Beate Zschäpe bei einem der Urlaube der Gruppe auf Fehmarn anderen Touristen erzählt hat, sie sei mehrmals in Ludwigsburg gewesen, einer Stadt in der Umgebung von Heilbronn. Außerdem besaß der einstige Anführer der Neonazi-Kameradschaft „Thüringer Heimatschutz (THS)“, Tino Brandt, von 2004 bis 2008 ein Haus nahe Heilbronn. Brandt war auch V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes, behauptete aber nach seiner Enttarnung, er habe den Spitzellohn in die Szene investiert. Dem THS hatten auch Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe angehört.
Offen bleibt zudem, was Neonazis in Thüringen über Kiesewetter wussten, die aus dem thüringischen Oberweißbach kam. Das BKA hatte Ende 2011 den Verdacht geäußert, es könnte eine Verbindung zwischen dem Mord und rechten Umtrieben in Oberweißbach geben. Die Theorie wurde später verworfen. Wahrscheinlich wussten aber Rechtsextreme in Oberweißbach und darüber hinaus, dass Kiesewetter bei der Polizei in Baden-Württemberg war – womit die Beamtin in den Blick des NSU geraten sein könnte, als Ziele für einen Feldzug gegen den Staat gesucht wurden.
Frank Jansen