Rechtsextremistischer Terror: Militärischer Abschirmdienst wollte Mundlos als V-Mann werben
Im Jahr 1995 scheiterte ein Versuch, Uwe Mundlos als V-Mann zu werben. Um die Akten, aus denen das hervorgeht, gab es einen Eklat im NSU-Untersuchungsausschuss, denn sie wurden dem Gremium vorenthalten. Doch nun sind drei Seiten bekannt - sie enthalten Details einer Befragung von Mundlos.
Empörung gab es schon häufiger, auch diesmal sind die Abgeordneten aufgebracht. „Skandal“, „Missachtung des Parlaments“, „unentschuldbares Verhalten“ – der Untersuchungsausschuss des Bundestages zur Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) wurde am Dienstag kollektiv wütend.
Der Militärische Abschirmdienst (MAD), der Nachrichtendienst der Bundeswehr, hat nach Informationen des Tagesspiegels im Jahr 1995 versucht, den späteren NSU-Terroristen Uwe Mundlos als Spitzel zu werben. Mundlos weigerte sich jedoch, wie aus einer Akte des MAD hervorgeht.
Der Nachrichtendienst fragte Mundlos, ob er bereit sei, über geplante Anschläge auf Asylbewerberheime zu berichten. Mundlos antwortete, er selbst würde sich an solchen Angriffen nicht beteiligen, könne sich aber nicht vorstellen, mit den zuständigen Behörden zu kooperieren. Nachdem er 1998 mit Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe untergetaucht war, beteiligte sich Mundlos allerdings an zehn Morden des NSU.
Der Vorgang wurde am Dienstag vor der ersten Sitzung des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag nach der Sommerpause bekannt. Die Abgeordneten empörte, bislang vom MAD und dem Verteidigungsministerium nicht umfassend informiert worden zu sein.
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Das Ministerium sagte am Dienstag, der MAD habe nicht versucht, Mundlos als bezahlten V-Mann anzuheuern. Mundlos leistete vom 1. April 1994 bis zum 31. März 1995 in Thüringen seinen Grundwehrdienst und fiel durch rechtsextreme Aktivitäten auf. Der Neonazi und mindestens fünf weitere Soldaten fielen unter anderem auf, weil sie rechte Skinhead-Musik hörten. Der MAD registrierte die Gruppe als „Verdachtspersonen“ und redete zumindest mit Mundlos. Davon erfuhr der Untersuchungsausschuss jedoch erst jetzt und eher zufällig.
Der MAD beobachtete Mundlos und sprach ihn an. Der Vorgang wurde in einer Akte festgehalten, die der MAD dem Bundesamt für Verfassungsschutz und in Teilen drei Länderbehörden des Nachrichtendienstes übermittelte. Der MAD vernichtete die Akte fünf Jahre später, erfuhr aber im März 2012 vom sächsischen Verfassungsschutz, es gebe dort noch ein mageres Schreiben zum Vorgang. Die Sachsen fragten den MAD, ob ihr Papier freigegeben würde zur Vorlage bei den Untersuchungsausschüssen des Bundestags, des sächsischen Landtags und der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus.
Da der Ausschuss des Bundestags nur das dünne Papier bekam, befragte er noch am Dienstag den MAD-Präsidenten Ulrich Birkenheier. Er schob die Verantwortung Sachsens Verfassungsschutz zu.
Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele erhielt im Sommer einen Tipp, stellte der Bundesregierung am 24. August eine schriftliche Frage und bekam eine Woche später eine Antwort, die nun gewaltigen Ärger ausgelöst hat. Aus dem Schreiben des Verteidigungsministeriums geht hervor, dass der MAD selbst keinen „Aktenrückhalt“ mehr hat, aber am 8. März 2012 vom sächsischen Verfassungsschutz einen Hinweis bekam.
Die Sachsen hatten drei Seiten einer Akte, die der MAD ihnen 1995 übermittelt hatte. Darauf sind nur die Namen von Mundlos und weiteren rechtsextremen Soldaten vermerkt, die der Nachrichtendienst damals vernahm. Der Inhalt der Befragung fehlt. Der MAD hatte es versäumt, die komplette Akte nach Dresden zu schicken. Die ging offenbar aber an das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), wie sich kürzlich herausstellte.
Auf Bitten der Sachsen gab der MAD nun im März die drei Seiten für Untersuchungsausschüsse frei. Aber erst am 1. August fragte der MAD das Bundesamt für Verfassungsschutz, ob dort noch die komplette Akte vorhanden sei.
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Das Bundesamt habe verneint, hieß es in Sicherheitskreisen. Doch eine Beamtin habe weiter geforscht. Sie bekam Ende August heraus, dass die fraglichen Unterlagen zu Mundlos’ Zeit in der Bundeswehr in einem falschen Ordner abgelegt worden waren. Das BfV habe den MAD dann unterrichtet und um Freigabe der Akte für den Untersuchungsausschuss des Bundestages gebeten, sagten Sicherheitsexperten. Erst vergangene Woche habe der MAD grünes Licht gegeben. Das BfV habe das Dokument dann dem Bundesinnenministerium zukommen lassen.
Der Untersuchungsausschuss, der sich am Dienstagvormittag über die fehlende Akte aufgeregt hatte, bekam sie am Nachmittag auf den Tisch. Auf mehreren Seiten ist die Befragung von Mundlos im März 1995 zu rechtsextremen Aktivitäten zusammengefasst. Da steht: Ihm sei es nach eigenen Angaben nur darum gegangen, „mit seinen Kumpels Spaß zu haben“.
Deshalb höre man Skinhead-Musik. Sie sei für Mundlos nicht ausländerfeindlich, sondern eine Provokation gegenüber dem Staat. So sähen das auch die anderen Mitglieder seiner Skin-Gruppe, die aus zehn Mann bestehe. Namen nannte Mundlos nicht. Er behauptete, „politisch unmotiviert“ und nicht an einer Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Partei interessiert zu sein.
Doch er berichtete auch, die Polizei habe ihn sowie sein Zimmer bei den Eltern durchsucht und rechtsextremes Material gefunden, darunter ein Bild von Rudolf Heß und Visitenkarten mit Hitlers Kopf. Deshalb habe es „Heidenärger“ mit dem Vater gegeben. Der habe aber auch gesagt: lieber Skin als Punk und drogenabhängig.