FDP-Experte Vogel: "Viele gehen bei Heils Grundrente leer aus"
Der FDP-Sozialpolitiker Johannes Vogel spricht über die Rentenpläne der SPD und das Alterssicherungskonzept der Liberalen.
Herr Vogel, versteht sich die FDP als Partei der Reichen?
Nein, im Gegenteil. Wir wollen einen Staat, der jedem Bürger faire Bedingungen und Aufstiegschancen bietet. Das kann ich bei der Gießkannenpolitik der großen Koalition leider nicht erkennen.
Die FDP klagt, dass kein Geld zur Aufstockung von Niedrigrenten da sei. Gleichzeitig will sie Spitzenverdienern durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags Milliarden schenken. Wie passt das zusammen?
Es geht uns beim Soli vor allem darum, dass die Politik ihr Wort hält. Alle Parteien haben ihn als zweckgebundene Abgabe für die Herausforderungen der deutschen Einheit definiert. In Zeiten von Populisten im Parlament muss es mit dem Eindruck ein Ende haben, dass alle Abgaben, die von der Politik einmal eingeführt wurden, nie mehr wegzubekommen sind.
Das Grundrenten-Konzept der SPD würde nur die Hälfte dessen kosten, was für die Entlastung der reichsten zehn Prozent im Land aufzuwenden wäre...
Es hilft nicht, das eine gegen das andere auszuspielen. Politiker, die höhere Sozialausgaben planen, müssen auch sagen, woher sie das Geld dafür nehmen wollen. Der Auftritt der SPD-Regierenden war ja geradezu grotesk. Da schlägt Sozialminister Hubertus Heil milliardenschwere Reformen vor – und am gleichen Tag klagt Finanzminister Olaf Scholz über ein 25-Milliarden-Loch. Das Dilemma ist aber selbstverschuldet: Hätte man nicht Geld ausgegeben, als gäbe es kein Morgen, wäre jetzt genug da. Das milliardenschwere Rentenpaket vom vergangenen Herbst zum Beispiel hilft zu 90 Prozent gar nicht zielgenau gegen Altersarmut. Es destabilisiert aber die Rente zu Lasten der Jüngeren.
Kommen wir zum Inhaltlichen: Was genau passt Ihnen denn nicht an der SPD-Idee einer Grundrente?
Sie ist ungerecht. Erstens, weil dadurch der Rentengrundsatz außer Kraft gesetzt wird, dass Einzahlung und Auszahlung zusammenhängen. Und zweitens, weil sie den Zufall darüber entscheiden lässt, ob bedürftigen Menschen geholfen wird oder nicht. Eine Alleinerziehende mit einer Versicherungszeit von 34 Jahre und elf Monaten geht bei der Heilschen Grundrente leer aus. Wer dagegen ein bisschen länger als 35 Jahre stundenweise im Unternehmen seiner Eltern mitgearbeitet hat, bekommt seine Rente aufgestockt. Und zwar auch, wenn er fürs Alter schon bestens versorgt ist.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Wir haben ein eigenes Konzept entwickelt – und anders als der Vorschlag der SPD ist unsere Basis-Rente fair, zielgenau und finanzierbar. Wir wollen, dass jeder, der gearbeitet und in die Rentenversicherung eingezahlt hat, am Ende mehr hat als die Grundsicherung – nicht erst, wenn er eine bestimmte Versicherungszeit überschritten hat. Und je mehr jemand eingezahlt hat, desto mehr soll er im Alter haben. Zudem wollen wir einen Freibetrag für private Vorsorge. Anstrengung und Eigenverantwortung müssen sich lohnen.
Ihr Parteichef argumentiert mit langjährigen Niedrigverdienern, die plötzlich fünf Millionen erben und nach dem SPD-Konzept dennoch mehr Rente bekommen würden. Ist das nicht sehr konstruiert?
Das ist sicher ein Extrembeispiel. Aber viele haben im Alter noch andere Einkommensquellen. Oder sie sind über Ehepartner gut versorgt. Um all das schert sich Heils Grundrente nicht, weil es darin keine Bedarfsprüfung gibt. Wir reden hier nicht über Einzelfälle, sondern über ein schlechtes Gießkannenmodell.
Sollte man Menschen, die ein Leben lang zu Niedriglöhnen geschuftet haben, im Alter nicht die Entwürdigung ersparen, sich vor Behörden nackt machen und ihre Vermögensverhältnisse offenlegen zu müssen?
Ich finde es keine Zumutung, wenn man sein Einkommen und seine Ersparnisse angeben muss. Das machen wir alle auch jedes Jahr in unserer Steuererklärung. Aufs Sozialamt wollen wir im Alter keinen schicken. Für Antragsannahme und Auszahlung wäre bei der Basis-Rente die Rentenversicherung zuständig, die das dafür nötige Steuergeld dann ordnungspolitisch sauber überwiesen bekäme. Und es sollte ein besseres Schonvermögen geben. Wir wollen, dass jeder sein Auto und sein Eigenheim halten kann. Das Luxus-Penthouse in Berlin-Mitte ist nicht gemeint.
Die Angst vor sozialem Absturz reicht bis weit in die Mittelschicht hinein – und ist Nährboden für populistische Bewegungen. Wäre das nicht ein Argument, wenigstens langjährigen Beitragszahlern längeres Arbeitslosengeld zu garantieren?
Alle Arbeitsmarktexperten sind sich einig: Das Arbeitslosengeld zu verlängern, wäre das Schlechteste, was man machen kann. Unser Versprechen muss ein anderes sein. Erstens: Wir sorgen dafür, dass du schnell wieder einen Job findest, wenn du arbeitslos geworden bist. Und zweitens: Wenn Qualifikation das Problem ist, helfen wir dir dabei. Auch im Job, mit neuen Ideen wie einem Midlife-Bafög. Wichtig ist aber auch, dass wir im politischen Wettstreit nicht ungerechtfertigte Ängste schüren und damit den Populisten in die Hände spielen. Die Debatte über das sinkende Rentenniveau etwa war aus meiner Sicht schädlich. Sie erweckte bei vielen den Eindruck, dass die Renten sinken würden. Das Gegenteil ist der Fall: Die Renten steigen auch künftig – nur etwas weniger stark als die Löhne.
Auskömmliche Renten ließen sich am einfachsten über höhere Mindestlöhne erreichen. Warum nicht diesen Weg gehen?
Ich habe in meiner Partei früh für Lohnuntergrenzen geworben – und die Mindestlöhne heute funktionieren. Das liegt aber auch daran, dass nicht die Politik über ihre Höhe entscheidet, sondern eine unabhängige Kommission aus Tarifpartnern. Jetzt, nach nicht mal einer Legislaturperiode, will die SPD das wieder kippen und liefert sich mit der Linkspartei einen Wettbewerb um den höchsten Mindestlohn. Die Sache hat aber einen Haken. Während die einen ein bisschen mehr aufs Konto bekämen, blieben andere dadurch womöglich länger arbeitslos oder ganz ohne Job. Bei ihnen würden wir so nicht Altersarmut beseitigen, sondern produzieren. Das kann nicht unser Ziel sein.