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Eine schwangere Frau in Freetown, der Hauptstadt von Sierra Leone, wird in ein Behandlungszentrum gebracht, weil sie sich womöglich mit Ebola infiziert hat.
© Reuters
Update

Ebola: Vertrieben vom Virus

Eine Befragung in der von Ebola am schlimmsten betroffenen Gebieten in Sierra Leone offenbart, dass viele Menschen nicht mehr ihre Felder bestellen können. Die Welthungerhilfe rechnet daher mit einer Hungersnot. Zudem sind aus Angst vor dem Virus viele aus der Region geflohen.

In Kenema und Kailahun, den am stärksten von Ebola betroffenen Provinzen in Sierra Leone geht schon seit Monaten nichts mehr. Die beiden Provinzen sind militärisch abgeriegelt. Wer rein oder raus will, „braucht einen speziellen Ausweis“, berichtet Franz Möstl, der für die Welthungerhilfe seit acht Jahren in Sierra Leone arbeitet. Eigentlich berät er Bauern dabei, Kakao und Kaffee zu kultivieren, um so ihr Haushaltseinkommen zu erhöhen und nach einem brutalen jahrelangen Bürgerkrieg endlich wieder eine Perspektive zu haben. Doch derzeit kann Möstl „nur noch eingeschränkt in den Projekten arbeiten“.
Stattdessen haben er und seine Mitarbeiter gemeinsam mit dem Agrarministerium und den UN-Organisationen FAO und WFP eine Haushaltsumfrage in den beiden Provinzen gemacht. Sieben Tage lang haben Interviewer 110 Haushalte auf dem Land, 79 Händler auf den Märkten, 64 traditionelle Anführer und drei Unternehmer befragt. Sie wollten wissen, wie die Ebola-Epidemie ihr Leben verändert hat. Alle verdienten weniger und waren wegen der strikten Quarantäne, wenn ein Ebola-Verdacht bestand, nicht mehr in der Lage, ihre Felder zu bestellen. Im Frühjahr 2015 rechnet die Welthungerhilfe deshalb mit einer Hungersnot in Sierra Leone. Die meisten Menschen sind Selbstversorger.

Flucht in andere Provinzen

Möstl und seine Kollegen machten aber noch eine beunruhigende Beobachtung. 15 Prozent ihrer Gesprächspartner berichteten von Familienangehörigen, die in den vergangenen vier Monaten aus den beiden Provinzen geflüchtet sind. Die Hälfte davon sei vor dem Virus und der Quarantäne davongerannt. „Die meisten sind in andere Provinzen zu Verwandten geflüchtet“, berichtet Möstl. Er glaubt nicht, dass viele über die Grenzen in Nachbarländer gegangen sind. „Der regionale Reiseverkehr ist schon vor Monaten fast zum Erliegen gekommen“, berichtet er. Inzwischen sei zudem fast ganz Sierra Leone von der Seuche betroffen. „Man kann der Krankheit nicht davonlaufen“, sagt er. Das Risiko, sich anzustecken, bestehe inzwischen fast überall.

Per Fieberthermometer wird in Sierra Leone ein Mann auf erste Anzeichen einer Ebola-Infektion untersucht. In den am stärksten betroffenen Provinzen sind viele Menschen auf der Flucht vor dem Virus.
Per Fieberthermometer wird in Sierra Leone ein Mann auf erste Anzeichen einer Ebola-Infektion untersucht. In den am stärksten betroffenen Provinzen sind viele Menschen auf der Flucht vor dem Virus.
© Reuters

Aber bisher gilt nur für die beiden Provinzen eine strikte Isolierung, wenn jemand im Verdacht steht, das Virus erwischt zu haben. Dann stehe ein Polizist oder Soldat 21 Tage lang, das ist die Inkubationszeit der Krankheit, vor dem Haus. Menschen in Quarantäne versorgt die Welthungerhilfe dann mit Nahrungsmitteln aus Nothilfemitteln des Auswärtigen Amtes. Dabei gebe es keinen direkten Kontakt. Das Essen werde vor die Tür gestellt, erzählt Möstl, der selbst keine Angst hat. Er und seine Mitarbeiter vermeiden Körperkontakt. Bisher ist keiner erkrankt.

Sierra Leone stellt weitere Provinzen unter Quarantäne

Regierung stellt weitere Provinzen unter Quarantäne

Die Regierung in Sierra Leone hat wegen der Ebola-Epidemie weitere Landesteile mit mehr als einer Millionen Menschen unter Quarantäne gestellt. Die Isolierung von drei weiteren Distrikten sei erforderlich, um die Seuche erfolgreich bekämpfen zu können, erklärte Präsident Ernest Bai Koroma am Donnerstag in einer Radio- und Fernsehansprache.

Die Bewohner der beiden nördlichen Distrikte Port Loko und Bombali im Norden sowie von Moyamba im Süden dürfen die Grenzen ihrer insgesamt 12 Gemeindegebieten ab sofort nur mit Genehmigungen und über kontrollierte Straßenkorridore verlassen. Ähnliche Einschränkungen gelten bereits für die Distrikte Kenema und Kailahun im Osten. Damit sind nun fünf der 14 Distrikte des Landes mit etwa zwei
Millionen der rund sechs Millionen Einwohner von Isolationsmaßnahmen betroffen. Franz Möstl sagt, aus dem Ebola-Gebiet zu flüchten, "hat immer weniger Sinn, weil es fast überall gleich ist". (mit dpa)

Dagmar Dehmer

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